Im Prozess des Anschauens

Zu William Turners ›Schneesturm im Meer‹

Als William Turner 1803 sein Seestück ›Pier in Calais‹ ausstellte, erntete er reichlich Lob, vor allem wegen der realistischen und detaillierten Ausführung. Und dennoch musste sich Turner auch Kritik gefallen lassen – Kritik, die nicht völlig von der Hand zu weisen ist: Es wurde behauptet, das Wasser sei wie aus Stein und gleiche den Adern einer Marmorplatte. Hatte Turner also doch nicht exakt genug beobachtet? Oder macht sich hier ein anderes, ein grundsätzliches Problem bemerkbar? Besteht nicht stets ein Widerspruch zwischen einem zeitlich verlaufenden Geschehen und dem faktischen Stillstand des Bildes? Ist eine gemalte Welle nicht immer statisch? Kann eine bildliche Darstellung überhaupt etwas anderes vermitteln als einen angehaltenen, quasi zu Stein erstarrten Augenblick?

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