»der narr im eignen werk«

Die Arbeitsbücher von Volker Braun

Das Tagebuch ist das Unmittelbare. Es hält den Augenblick fest, den noch unreflektierten Eindruck, die erste Idee. Insbesondere in bewegten Zeiten vermag der rasch hingeworfene Eintrag die spontane, noch von keinem Wissen um den weiteren Verlauf der Ereignisse beeinflusste Reaktion wiederzugeben. Den Arbeitsbüchern des Dichters, Dramatikers und Erzählers Volker Braun kommt daher eine besondere Bedeutung zu, zeugen sie doch vom Verschwinden eines ganzen Staates. Soeben ist ihr zweiter Band erschienen. Er setzt ein mit dem Beginn des Jahres 1990. Die Mauer ist gefallen, aber die DDR existiert noch. Und die Hoffnungen sind groß.»die zeit ist da, auf die wir hingearbeitet haben. nun verlangt sie konsequenz«, gibt Braun die Aufbruchsstimmung, von der auch er erfasst ist, wieder. Der SPD beizutreten, wie der Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer, lehnt er für sich ab. »wozu ›einlassen in verbindungen, deren zeit auf dem kontinent vorüber‹«, notiert er in Anlehnung an Karl Marx. Und bereits wenige Wochen später führt er aus, was er sich vorstellt: »ich sehe keinen anlaß, im geistigen zu resignieren. diese revolution wird nur als konterrevolution gelingen, der fortschritt als restauration. vorrücktwärts, wie gesagt. aber wir müssen das gnadenlos sehen: da die probleme nicht innerhalb des systems zu lösen sind, muß man hinausgehn: aus dem osten hinaus. es wird sich zeigen, daß sie auch nicht im westen bewältigt werden – und man sich in die welt denken muß. das meint die verfemte formel ›dritter weg‹.« ...

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