Die geheimnisvolle Beziehung Hegels zu den Rosenkreuzern
Die Anthroposophie wäre ohne Hegel und Goethe nicht möglich gewesen. Anlässlich Hegels 250. Geburtstages am 27. August 2020 hielt der Autor des folgenden Aufsatzes einen Vortrag in Stuttgart über die Beziehung Hegels zu der Rosenkreuzerbewegung und schlug von dort eine Brücke zur Anthrophosophie. Die dort entwickelten Gedanken wurden in der Folgezeit schriftlich ausgearbeitet und können nun in einer dreiteilgen Serie veröffentlicht werden. Der erste Teil zeigt, wie Hegels Vernunftsbegriff mit der naturwissenschaftlichen Anschauungsart Goethes zusammenhängt und stellt darüber den Zusammenhang zur geistigen Erneuerungsbewegung der Rosenkreuzer her.
Zu Frank Hörtreiter: ›Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus‹
Zu einer Selbstbesinnung, wie sie einer Unternehmung wie der Christengemeinschaft angesichts ihres bevorstehenden 100. Gründungstages verstärkt ein Anliegen sein kann, gehört unbedingt eine nüchterne und schonungslose Auseinandersetzung mit früheren Epochen, die sich naturgemäß mit Abstand und sicherer Quellenlage gründlich und umsichtig aufarbeiten lassen. So liegt seit wenigen Wochen die Studie ›Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus‹ von Frank Hörtreiter vor.
In der Christengemeinschaft gibt es eine Nachfolge-Regelung für den »Erzoberlenker«, die wohl einzigartig ist. Sie wäre niemals so eingerichtet worden, hätte sie nicht Rudolf Steiner selber angeraten. Er brauchte ohnehin einen langen Atem, bis sich Friedrich Rittelmeyer dazu verstand, eine derart herausgehobene Stellung anzunehmen. Mit dem Ritual verband Steiner den Rat, der Erzoberlenker solle schon am Tage nach seiner Erhebung seinen Nachfolger benennen. So wusste Emil Bock und auch die gesamte Priesterschaft, dass er Rittelmeyer beerben würde; nur der Zeitpunkt war ungewiss. Ebenso hat Bock 1938 Rudolf Frieling benannt, der dann – samt der Priesterschaft – zweiundzwanzig Jahre auf seine Erhebung hinzuleben hatte. Es war sicherlich klug, dass Frieling nicht öffentlich den Nimbus eines Nachfolgers tragen musste; so konnte er unbefangen in seinen Gemeinden (z.B. 1949 bis 1955 in New York) Seelsorger sein. Auch war die Nachfolge nicht absolut sicher, denn es hätte ja sein können, dass der ungefähr gleichaltrige Frieling früher als Bock stürbe.
Zum Tode von Heinz Georg Häussler (1939–2021)
Am 5. Juli 2021 verstarb in Weimar mein geschätzter Freund und Lehrer, der Bildhauer Heinz Georg Häussler. 1939 in Göppingen geboren, stammte er aus einfachen Verhältnissen und studierte an der Kunstakademie in Stuttgart Bildhauerei. In seinem universal angelegten Denken spielte die Anthroposophie von jeher eine große Rolle. Zunächst verdingte er sich als Kunst- und Werklehrer. 1973 begründete er, zusammen mit anderen Künstlern, die Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn. Die Vision der Pioniere: die Errichtung einer Hochschule, in der die Kunst für die höchste Vollendung des Menschseins steht, und die das Gespräch der Künste dergestalt befruchtet, dass in diesem der ganze Mensch im Mittelpunkt steht.
Joseph Beuys als Raumkurator in der Stuttgarter Staatsgalerie
Voller Erwartung betrete ich den Beuys-Raum im Stirling-Bau der Staatsgalerie in Stuttgart. Mein Blick fällt als erstes auf die Gebilde aus sprödem Gips und massigem Wachs, die dort herumliegen, und auf die durch den Raum schwingende Filzrolle – als Teile des ›dernier espace avec introspecteur‹ (Letzter Raum mit Introspecteur, 1964-1982). Von der Installation ›Plastischer Fuß Elastischer Fuß‹ (1969-1986) ragen nur vier auf dem Boden liegende Stahlplatten von links her in den Raum, auf denen drei große Autobatterien und eine Luftpumpe in einer Linie aufgereiht stehen. Die zwei großen Matten an der linken Wand fallen nicht gleich ins Auge. Erst recht nicht die beiden kleinen Plastiken, die Joseph Beuys zu beiden Seiten des Eingangs installiert hat: rechts auf einem Sockel die ›Kreuzigung‹ (1962/63) aus ärmlichen Materialien, linker Hand in einem in die Wand eingelassenen Kasten der goldene ›Friedenshase‹ (1982) samt Sonnenkugel, die aus den auf dem schmalen Boden des Safes drapierten Preziosen herausragen. Diese beiden Objekte, die kaum unterschiedlicher sein könnten, setzen das Thema dieses 1984 von Joseph Beuys eingerichteten Raumes: Polarität, die im Menschen ihre Steigerung erfährt.
Zur Ausstellung ›Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra – Neue Horizonte‹ im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle a.d. Saale
Das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle a.d. Saale und das British Museum in London haben in enger Kooperation eine spektakuläre Ausstellung mit rund 400 kostbaren Artefakten und Leihgaben aus 15 Ländern zusammengetragen. Die zum Teil erstmals in Deutschland ausgestellten Objekte beleuchten mit der Zeit von etwa 2500 v. Chr. bis 1000 v.Chr. das Ende der Stein- und den Großteil der Bronzezeit – eine noch kaum bekannte Epoche der Menschheitsgeschichte. Die Ausstellung präsentiert 20 Jahre neuer Forschungsergebnisse rund um die Himmelsscheibe von Nebra (um 1750 v.Chr.) und zeigt ein Netzwerk vielfältiger Einflüsse und Zusammenhänge im gesamteuropäischen Raum auf, bis nach Ägypten und Mesopotamien. Und sie stellt die Frage nach staatlichen Strukturten im schriftlosen (!) Mitteldeutschland zur Zeit der Himmelsscheibe.
Sir Walter Scott (1771–1832) zum 250. Geburtstag
Durch Selma Lagerlöf erfuhr ich zum ersten Mal von Walter Scott in dem Sinne, dass man ihn kennen muss: ›Ivanhoe‹ hatte sie zuerst bezaubert. Im Bücherschrank ihres Onkels fand sie Scotts Werke. Von Scott wurden Edward Bulwer-Lytton, George Eliot, Victor Hugo, Wilhelm Hauff und Theodor Fontane inspiriert. Goethe war von ›Waverley‹ begeistert. Als wir eine Schottland-Reise planten, las ich zuvor ›Ivanhoe‹ und ›Waverley‹. Im Übrigen spielte auch Theodor Fontane mit herein: durch die Fontane-Ausstellung 2019 in Potsdam und sein Buch ›Jenseit des Tweed‹ (1860), in dem er seine Schottlandreise von 1858 beschrieb. »Nach Schottland also!«3 Mit diesen Worten beginnt das Buch. Wir waren somit neben Scotts auch auf Fontanes Spuren.
Ein Theaterprojekt über die Corona-Pandemie
Am Jagdschloss Grunewald in Berlin, vor der Kulisse des Grunewaldsees und der immer dunkler werdenden Silhouette des Waldes sitzen wir, die Theaterzuschauer. Nur das Rauschen der nahen Autobahn stört die Idylle. Die Bühne, so scheint es, ragt in den See hinein. Ein offener Ort. ›Offen lag die Welt – oder: Wir klatschen unsere Laptops an die Wand und gehen spielen‹ heißt denn auch der Titel des Stücks, das da von dem deutsch-syrischen Theaterkollektiv ›syn:format‹ gespielt wird.
Über ›Falling‹ von Viggo Mortensen und ›Ich bin dein Mensch‹ von Maria Schrader
Erstaunlich im Grunde, dass es diese Einrichtung immer noch gibt: Wildfremde Menschen begeben sich körperlich zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort, um dort gemeinsam einen Film zu sehen. Das schon so oft totgesagte Kino ist offenbar nicht umzubringen. Kino als Erlebnisgemeinschaft verschafft einen Eindruck von der Intimität des Öffentlichen. Astrale Wogen und Welten, ein Fühlen, das nicht individuell von innen, sondern äußerlich ausgelöst, technisch aus der Peripherie über die Zuschauer kommt – das ist ein interessantes Studienfeld. Ist man sich dessen bewusst, wie der Zuschauerorganismus als Klaviatur oder Instrument bespielt wird, lässt sich umso leichter einsehen, was den Zeitgeist gerade bewegt.
Zu Philip Kovce: ›Ich schaue in die Welt. Einsichten und Aussichten‹
Früher war alles besser. Vor allem war das Frühe das Beste. Danach konnte nur noch der Abstieg kommen. Früher musste er kommen. Als Tod, als Krise, als Epigonentum oder ständige Selbstreproduktion und als Manierismus. Heute liegt das Schlechte schon hinter uns, kaum dass wir zu schreiben beginnen. Peter Handke nannte es in einem Interview einmal »eine ungeheure Geläufigkeit«, gerade in der jüngeren Generation, die im Schreiben heute da sei, »einerseits erfreulich, andererseits fragwürdig«1. Auch deshalb hatte ich zunächst nicht so recht Lust, ein Buch zu rezensieren, das kein richtig neues war, sozusagen keine Schöpfung aus dem Nichts, sondern eine Schöpfung aus dem ›Goetheanum‹, genauer gesagt dem Verlag am Goetheanum, und alle diese Texte waren zudem als Kolumnen in der gleichnamigen Dornacher Wochenschrift erschienen.
Zu Lambert Wiesing: ›Ich für mich. Phänomenologie des Selbstbewusstseins‹
Lambert Wiesing, Professor für Bildtheorie und Phänomenologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, hat jüngst eine Monografie vorgelegt, die sich in fünf Kapiteln der Phänomenologie des Selbstbewusstseins widmet. Wiesing geht – wie er im Vorwort schreibt – davon aus, dass sich die »Wirklichkeit des Selbstbewusstseins […] weder erklären noch verstehen [lässt]. Sie ist – wie Goethe sagen würde – ein Urphänomen.« (S. 10) Entsprechend lautet sein Ziel, »das Urphänomen Selbstbewusstsein […], die selbst erlebte Wirklichkeit meines eigenen Selbstbewusstseins auf ihre Charakteristika hin anzuschauen. […] Ich beschreibe kein Ich, sondern ein Mich. In diesem Buch denke ich mich, mein Dasein, als erlebte Folge der Wirklichkeit meines Selbstbewusstseins.« (S. 10f.)
Seltsame Wege nimmt die Geschichte mancher Wörter. Die Vorstellungen, die heute allgemein mit bestimmten Wörtern einhergehen, unterscheiden sich oft enorm von den Vorstellungen und Referenzen, die ursprünglich oder in früheren Zeiten damit verbunden waren. Wald ist so ein Wort. Schwer und gewichtig, dunkel und nahezu gewaltig kommt es daher wie eine mächtige Woge, die über Land geht und an der Stelle, wo sie zur Ruhe kommt, einen Wald zurücklässt, der sich dann weiter ins Land hinein ausbreitet.
Geist- und Seelenverwandtschaft in umkämpfter Zeit
Geist- und Seelenverwandtschaft in umkämpfter Zeit
Grenzüberschreitendes Netzwerk
Grenzüberschreitendes Netzwerk
»Das reicht tiefer als Übereinstimmung«
In welcher Welt verortet, in welcher Zeit angesiedelt?
Früchte über den Tag hinaus
Auf dem Meere meiner Seele
Zu verschiedenen Beiträgen in die Drei 2/2021
Es fällt in diesem Jahr recht schwer, in eine weihnachtliche Stimmung zu kommen. Zu sehr ähnelt unsere gesellschaftliche Realität inzwischen einem dystopischen Roman oder einem sozialpsychologischen Experiment. Aber wir wollen es dennoch versuchen und einmal nicht über die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen sprechen – mit einer kleinen Ausnahme am Schluss dieses Editorials. Selbst unsere Beiträge zum Zeitgeschehen sparen es weitgehend aus. Stattdessen wenden sich Ute Hallaschka und Andreas Laudert identitätspolitischen Themen zu und werfen dabei auch selbstkritische Blicke auf die Anthroposophie, während Werner Thiede einmal mehr auf den problematischen Einfluss elektromagnetischer Strahlung auf unsere Gesundheit hinweist.
Eine Artikelserie von Stephan Eisenhut
Wenn das Wort nicht mehr unter uns wohnt
Jetzt sind wir angekommen. In der stummen Stille. In diesem zwischenmenschlichen Raum – denn ein anderer ist es ja nicht. Stumme Stille gibt es nur zwischen Menschen. Es war einmal anders, als der Kosmos noch sprach. Es wird auch definitiv wieder anders werden. Aktuell erfahren wir das kosmische Mitspracherecht. Lange hat die Erde geschwiegen. Jetzt äußert sie sich. Noch ist es Bild, sind es Zeichen, doch allmählich werden wir das, was wir wahrnehmen, als Kommunikation eines Wesens verstehen. Mit diesem Wesen auf Augenhöhe zu kommen, dazu brauchen wir ein entsprechendes Sprachvermögen, und zwar dringend, denn durch die Sprache bilden sich Begriffe – im Dialog mit der Erde.
Gedanken zur Identitätspolitik
»Was sind Sie?« fragte mich einmal kopfschüttelnd ein Prüfer vom Schulamt, als er für eine provisorische Unterrichtsgenehmigung meine Lehrprobe zu beurteilen hatte und mit offenbar wachsendem Erstaunen in meinem Lebenslauf blätterte. Die Frage, »was« jemand ist oder werden will, betrifft seine äußere Stellung in der Welt, wie sich der Mensch in die Gesellschaft inkarniert und was er beruflich verkörpert, was ihn ausweist wie die identity card. Doch wie ist es mit der seelischen Ebene? Auch dort erscheint man so oder so, und es kann zu Problemen kommen, wenn es darum geht, diese Ausprägungen sensibel einzuordnen. Die gegenwärtige Bewusstseinsveränderung auf dem Feld von Identität und Diskriminierung zeigt uns, dass gerade das Gutgemeinte nicht automatisch als etwas Gutes erlebt wird.
Künstlich gepulste Strahlung als Belastung in Erholungsphasen
Über Schlafstörungen spricht man nicht gern. Doch gerade in Pandemie-Zeiten nehmen sie zu, wie eine Umfrage der ›Techniker Krankenkasse‹ zeigte: »Fast jeder Zweite leidet mittlerweile ständig oder gelegentlich unter Schlafstörungen. Die Betroffenen sind tagsüber oftmals müde, unkonzentriert oder leicht reizbar.« Trotz oder wegen zunehmender Erschöpfungszustände schlafen immer mehr Menschen schlecht. Laut einem Bericht der ›Deutschen Angestellten Krankenkasse‹ (DAK) war bereits 2017 die Zahl derer, die schlecht ein- oder durchschlafen können, deutlich angestiegen. Rund 80 Prozent der Erwerbstätigen berichteten demnach von Schlafproblemen. Das waren gut 30 Prozent mehr als noch sechs Jahre zuvor. Jeder Zweite sei daher bei der Arbeit mehr oder weniger müde, hieß es in jenem Beitrag.