Zu SKA Bd. 6: ›Theosophie – Anthroposophie‹
Christian Clement bleibt seinem Fahrplan treu. Ende 2016 legte er Band 6 der kritischen Ausgabe von Rudolf Steiners Schriften vor, der die ›Theosophie‹ und das Fragment ›Anthroposophie‹ aus dem Jahre 1910 enthält, wie immer mit sauber dokumentierter Textentwicklung, einer 126-seitigen Einleitung und ca. 100 Seiten Stellenkommentaren. Ein Vorwort des schwedischen Esoterik-Forschers Egil Asprem eröffnet die Ausgabe.
Zu Michael Debus: ›Das Rätsel der Trinität‹
Es gibt eine jahrhundertealte schematische Darstellung der göttlichen Dreieinigkeit, in welcher sich in der Mitte Gott befindet und um ihn herum in einem gleichseitigen Dreieck angeordnet Vater, Sohn und Geist. Alle drei sind auf die beiden jeweiligen »Nachbarn« in der Darstellung bezogen durch die Worte »ist nicht« – und auf Gott in der Mitte bezogen durch das Wort »ist«. – Diese Darstellung veranschaulicht die Schwierigkeit, die sich auftut, wenn man sich dem Problem der Trinität definitorisch mit den Kategorien »Sein« und »Nicht-Sein« nähern will: Klare und abgrenzende Aussagen sind wohl möglich, werden aber letztlich allzuschnell Selbstzweck und damit inhaltsleer. – So erschöpft sich vieles, was in neuerer Zeit zu diesem Thema veröffentlicht worden ist, entweder in Abstraktionen oder in Analogien. Und wer es unternimmt, Neues dazu vorbringen zu wollen, steht zunächst vor der Frage, welches die angemessene Kategorie, welches die angemessene Forschungsmethode sei.
Zu Wolf-Ulrich Klünker: ›Alanus ab Insulis‹
»[E]s ist ein groß Ergetzen, / Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen; / Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht, / Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht.« So charakterisiert Fausts Famulus Wagner die Beschäftigung mit alten Schriften als eine Art Selbstzweck - und die skeptische Antwort seines Meisters ist hinlänglich bekannt ... Es ist schwerlich ein Verkaufserfolg zu erwarten, wenn man heutzutage eine vor 30 Jahren erstmals erschienene Studie über einen wenig bekannten Philosophen und Theologen des 12. Jahrhunderts neu herausgibt: Alanus ab Insulis. Umso mehr ist dem Verlag Freies Geistesleben für diesen Schritt zu danken, der durch das Jubiläum der Alanus-Hochschule im vergangenen Jahr veranlasst wurde.
Zu Martina Maria Sam: ›Rudolf Steiner. Die Wiener Jahre 1884-1890‹*
In Fortsetzung ihrer 2018 erschienenen dokumentarischen Biografie über Rudolf Steiners Kindheit und Jugend hat Martina Maria Sam – Eurythmistin, promovierte Geisteswissenschaftlerin, Vortragende und Publizistin sowie Herausgeberin im Rudolf Steiner Archiv – nun einen Band über Steiners Wiener Jahre vorgelegt. Ihm stellt sie einen Ausschnitt aus den Erinnerungen des Jugendfreundes Fritz Lemmermayer voran, der die Dramatik »jene[r] denkwürdige[n] Zeit, als Rudolf Steiner seine Schwingen zu entfalten begann«, treffend charakterisiert: als eine Zeit »erfüllt von geistigen Kämpfen, geistigen und sozialen Umstürzen, fest aneinander stoßenden Kontrasten. Altes brach zusammen, Neues rang leidenschaftlich nach Gestaltung. Ein krasser Materialismus wurde Mode in Wissenschaft und Leben. […] Die Naturwissenschaft […] griff, von ihren Erfolgen berauscht, über in das Gebiet von Philosophie und Religion. […] Ein Maschinenzeitalter von umwälzender Kraft hatte weit die Pforten geöffnet. In Verbindung damit war der sogenannte ›wirtschaftliche Aufschwung‹ in die Erscheinung getreten. […] Dem gegenüber eine idealistische Hochflut und ein immer hoffnungslos einsetzender Pessimismus. […] Materialismus, Pessimismus, Atheismus – so hießen die drei grauen Gestalten und Gewalten, welche Ketten für die Menschen schmiedeten. Es wirkte, was ›Aufklärung‹ genannt wurde – eine Aufklärung der Verdunkelung« (S. 11).
Zu Erdmut-M. W. Hoerner: ›Vom Urbeginn christlicher Esoterik‹
Im Februar dieses Jahres erschien in den Schneider Editionen eine ambitionierte Studie, die sich dem ›Urbeginn christlicher Esoterik‹ widmet. Der Autor Erdmut-Michael Hoerner, Pfarrer der Christengemeinschaft, verweist bereits im Untertitel darauf, dass er »Johannes und Maria« an diesem Urbeginn gemeinsam unter dem Kreuz stehen sieht. Während bisher eine ganze Reihe anthroposophischer Autoren Johannes den Evangelisten und seine Bedeutung für die christliche Spiritualität behandelt haben, wird die vorliegende Studie als die erste anthroposophische Untersuchung nach Rudolf Steiner herausgestellt, in der die Mutter Jesu, Maria, in das Zentrum der Betrachtung mit einbezogen werden soll. Das lässt aufhorchen.
Zu Ulrich Kaiser: ›Der Erzähler Rudolf Steiner‹
Nachdem ich 2008 meinen Dokumentarfilm ›Abenteuer Anthroposophie – Rudolf Steiner und seine Wirkung‹ veröffentlich hatte, hörte ich natürlich nicht auf, mich weiter mit diesem eigenwilligen Denker zu befassen. Immer wieder beschäftigte mich die große Diskrepanz zwischen der bewundernden Anerkennung Steiners in anthroposophischen Kreisen und den enormen Schwierigkeiten, welche die Öffentlichkeit und auch die Wissenschaft mit seinen esoterischen Lehren haben. Und wie konnte ich selbst seine schwer verständlichen Deutungen der Urgeschichte, der Evolution, der Erzengel, Elementarwesen und Inkarnationsfolgen noch besser verstehen?
Zu Andreas Neider: ›Denken mit dem Herzen – Wie wir unsere Gedanken aus dem Kopf befreien können‹
Viele Entwicklungsschritte, die heute notwendig sind, kann man auch an deren Gegenbildern und den damit zusammenhängenden Gegenwelten erkennen. Gerade wenn man mit der Frage lebt, wie wichtig bestimmte Entwicklungsschritte sind, kann der Blick auf die Gegenbilder von zentraler Bedeutung sein.
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Hat sich Helmut Zander Verdienste erworben ?
Zu Christoph Huecks Buch »Evolution im Doppelstrom der Zeit«
Zu Mirela Faldey & David Hornemann von Laer: ›Im Spannungsfeld von Weltenkräften‹
Es hat lange gedauert, bis dieses Buch erscheinen konnte. Und nun ist es genau zum richtigen Zeitpunkt herausgekommen, inmitten der Corona-Krise, während der das »Spannungsfeld von Weltenkräften«, um das es hier geht – der Mensch zwischen Luzifer und Ahriman – deutlich erlebbar ist. Was jetzt vorliegt, hat Gewicht – zunächst im wörtlichen Sinne: Mit seinen 536 Seiten und einem Format von 30,5x28,3x5 cm bringt es 4,5 Kilogramm auf die Waage!
Chancen und Hemmnisse
Unter dem propädeutischen Motto: »Vorstudium der Geisteswissenschaft« beschäftigt sich ein Kreis Berliner Forscherinnen und Forscher seit über zwei Jahrzehnten mit der Frage, wie das heutige, an der Gegenstandswelt geschulte naturwissenschaftliche Bewusstsein in der Auseinandersetzung mit der Anthroposophie eine Steigerung und Fortbildung erfahren könnte, ohne dass wissenschaftsferne Verhaltensweisen – wie das Suchen nach religiöser Befriedigung auf Kosten des kritischen Erkenntnisstrebens, das politische Taktieren auf der Suche nach Mehrheiten und »Erfolg« oder das operationale Schielen nach Honorierung seitens der Vertreter des akademisch-universitären Mainstreams – diesen Anspruch überlagern oder sogar gänzlich zunichte machen. Die kürzlich erschienene Studie ›Zurüstungen‹ von Lutz Liesegang erwuchs aus der intimen Arbeit dieses Kreises, an der auch der Rezensent in bestimmten Abständen mitgewirkt hat. Im Folgenden sei dieses Buch ausführlicher besprochen, da es meiner Ansicht nach eine Reihe bedeutsamer Fragen im Hinblick auf das Selbstverständnis und die Zukunft einer Hochschule für Geisteswissenschaft (d.h. Anthroposophie) aufwirft.
Causa efficiens und Wille zum Dasein
Dieser Beitrag zur Debatte um das Buch Evolution im Doppelstrom der Zeit von Christoph Hueck (vgl. auch die Drei 5,6,11/2013 und 1/2014) leuchtet die vier Ursachen des Aristoteles und ihre möglichen Beziehungen zu den Bereichen Erkenntnis, menschlicher Organismus und Schicksal weiter aus. Im Vorfeld wurde von Martin Basfeld die Frage aufgeworfen, inwieweit sich das darauf bezugnehmende sogenannte »Zeitkreuz« Rudolf Steiners (vgl. Psychosophie (GA 115)) auf die Evolution von Mensch und Natur übertragen lässt.
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Antwort auf Eva-Maria Begeer-Klare
oder: Geistiger Widerstand als Kapitulation
In letzter Zeit wird die Anthroposophie von Kritikern wieder verstärkt in die Nähe rechtsextremistischer Bestrebungen gerückt. Dass das nicht nur mit böswilliger Ignoranz zu tun hat, sondern mit einer echten Herausforderung des Unterscheidungsvermögens, an der auch Anthroposophen scheitern können, zeigt ein symptomatischer Fall, der im Folgenden geschildert werden soll.
Annäherung an ein Grundlagenwerk
Der Glaube an die leibliche Auferstehung Jesu Christi nach dem Tod am Kreuz ist der Ursprungsimpuls zur Entstehung des Christentums als heiliger Gemeinschaft. Der Auferstehungsglaube begründet sich aus den Erscheinungen des Auferstandenen vor einer Reihe von Zeugen und aus dem Aufleben der Auferstehungskraft in Einzelnen oder in Gruppen im Laufe der Geschichte, schließlich aus dem Überzeugungspotenzial der christlichen Philosophie und Theologie. Die Wirkung dieser Glaubensbestätigungen ist in neuerer Zeit stark zurückgegangen.
Zum Buch ›Auferstehung denken‹ von Matthias Remenyi
In die Drei 3/2016 findet sich eine ausführliche Besprechung des kurz vorher erschienenen dreibändigen Werkes ›Auferstehung. Die Auferstehung im Werk Rudolf Steiners‹ von Frank Linde. Wenige Monate später kam das Buch ›Auferstehung denken‹ von Mathias Remenyi heraus. Für die Leserschaft dieser Zeitschrift stehen sich damit ein anthroposophisches und ein theologisches Werk zum selben Thema gegenüber, letzteres als Teil einer ausgedehnten Fachliteratur. Beide Bücher sind dem Themenkreis »Eschatologie« zuzurechnen.
Zu Sergej O. Prokofieff: ›Rudolf Steiner – Fragment einer spirituellen Biografie‹
Wie das vor zwei Jahren hier ebenfalls besprochene Buch ›Rudolf Steiner und die Meister des esoterischen Christentums‹1 erschien im vergangenen Jahr posthum ein weiterer Titel von der Hand Sergej O. Prokofieffs: ›Rudolf Steiner – Fragment einer spirituellen Biografie‹. Fragment blieb diese 1984 begonnene Arbeit über frühere Inkarnationen Rudolf Steiners, weil der Autor die geplanten Kapitel über Ephesos, Athen, die Gralszeit und das scholastische Hochmittelalter zu Lebzeiten nicht hatte ausführen können. Zu den erhaltenen drei Kapiteln über die Menschheitslehrer und die Mission Rudolf Steiners, über das Gilgamesch-Epos sowie über Enkidu und die nathanische Seele fügte er im Jahr 2014, kurz vor seinem Tod, ein viertes Kapitel hinzu, in dem er den karmischen Werdegang Rudolf Steiners zusammenfassend betrachtet – anstelle der ungeschriebenen Teile. Dieses letzte Kapitel verfasste er in deutscher Sprache, während die drei zuerst genannten Kapitel von Hans Hasler aus dem Russischen übersetzt wurden. Das ist erwähnenswert, weil die durch Hasler erreichte deutsche Sprachform dem Leser erfreulich entgegenkommt.
Zu Eva Kovacheva: ›Die Weiße Bruderschaft des Peter Danov‹
Mit der hier besprochenen Arbeit promovierte die bulgarische Autorin Eva Kovacheva 2010 an der Universität Marburg im Fachbereich Evangelische Theologie. Ihre Schrift ›Die Weiße Bruderschaft des Peter Danov‹ verdient Aufmerksamkeit nicht allein vor dem akademischen Forum. Insbesondere gibt es Bezüge zwischen dem Exponenten des Buches, Peter Danov, dessen spiritueller Name Beinsa Duno lautet, und Rudolf Steiner bzw. der anthroposophischen Bewegung. Kovacheva ist seit ihrer Schulzeit an einem deutschsprachigen Gymnasium mit der deutschen Kultur vertraut und seit ihrer Jugend interessiert an Esoterischem – Rosenkreuzertum, Theosophie und Anthroposophie.
Die Fähigkeit des Denkens, die sich der Mensch in langen Zeiten der Entwicklung mit der Unterstützung geistiger Wesen aneigenen konnte, ist nicht erst ernsthaft bedroht, seit es neue Formen der sogenannten Künstlichen Intelligenz – wie das Programm ChatGPT – gibt. Ein Denken, das sauber vorgeht und dabei ein menschliches Antlitz trägt, war auch vorher keineswegs selbstverständlich. Ahrimanische wie luziferische Wesen bemühten sich stets, ein solches Denken zu korrumpieren.
Über zwei Tagungen zur Neuimpulsierung des Wirtschaftslebens
Zwei unterschiedliche Blicke auf das Wirken von Daniel Nicol Dunlop (1868-1935) vermittelten zwei Tagungen, die im August und September dieses Jahres in Berlin und Dornach stattgefunden haben. Während beim Symposium des Instituts für soziale Gegenwartsfragen der Blick auf die ökonomischen Grundfragen im Vordergrund standen, war der Ausgangspunkt beim >World Goetheanum Forum< in Dornach die Inititiative, mit der neue Impulse in die Welt getragen werden können. Durch die Impulsreferate leuchteten aber auch die spiritutellen Hintergründe dieser eigentlich noch sehr unbekannten Persönlichkeit hindurch, die 1924 ein bis heute wichtiges Organ an der Schnittstelle zwischen Geistesleben und Wirtschaftsleben begründet hat.
Zu Frank Hörtreiter: ›Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus‹
Zu einer Selbstbesinnung, wie sie einer Unternehmung wie der Christengemeinschaft angesichts ihres bevorstehenden 100. Gründungstages verstärkt ein Anliegen sein kann, gehört unbedingt eine nüchterne und schonungslose Auseinandersetzung mit früheren Epochen, die sich naturgemäß mit Abstand und sicherer Quellenlage gründlich und umsichtig aufarbeiten lassen. So liegt seit wenigen Wochen die Studie ›Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus‹ von Frank Hörtreiter vor.
Ein Beitrag zur Frage der »Entkolonialisierung« des Waldorf-Lehrplans
In der Gestalt von »Leitsätzen« hat Rudolf Steiner gegen Ende seines Wirkens das Wesen und die Aufgabe der Anthroposophie in äußerster Verdichtung zum Ausdruck gebracht. So heißt es im ersten Leitsatz: »Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte.« Es gilt aber auch, was Rudolf Steiner ebenfalls sehr verdichtet formuliert hat, »dass im Jahre 869 auf dem achten allgemeinen ökumenischen Konzil von Konstantinopel der Geist abgeschafft worden ist.« Nach tausend Jahren, im Zeitalter Michaels, soll nun in unserer Zeit der Geist ganz neu zum Wegleiter der Menschheit werden. Eine neue Erde wird so entstehen, eine Schule, in der die Menschheit strebend und lernend immer mehr ihre eigene Entwicklung mit verantwortet.
Ein Dialog zum richtigen Verhältnis von »geistigem Goetheanum« und irdischer Konstitution der Anthroposophischen Gesellschaft
In seinem Beitrag ›Die Zukunft der Michaelschule‹ in die Drei 1/2024 hat Stephan Eisenhut dargestellt, wie sich nach dem Tod Rudolf Steiners ein Gründungsmythos herausgebildet hat, der auch durch bestimmte Auffassungen Sergej O. Prokofieffs Nahrung bekommen habe. Ralf Gleide, einer der besten Kenner von Prokofieffs Werk, stellt dies in Frage.