Artikel von René Madeleyn
Rudolf Steiner, Hegel und die Theosophische Gesellschaft
Als Rudolf Steiner 1897 in dem von ihm redigierten ›Magazin für Litteratur‹ einen Aufsatz über die Theosophen, bzw. über die Repräsentanten der 1875 in New York von Helena P. Blavatsky und Henry Steel Olcott gegründeten Theosophischen Gesellschaft schrieb, hätte keiner der Leser gedacht, dass Steiner wenige Jahre später selbst Mitglied dieser Gesellschaft werden würde. Die Theosophen, so heißt es darin, sähen mit Achselzucken auf die ganze europäische Wissenschaft herab und belächelten deren Verstandes- und Vernunftmäßigkeit. In harten, durchaus polemischen Sätzen fällt Steiner ein geradezu vernichtendes Urteil: »[D]ie Zahl derer, die sich lieber dem dunklen Gerede vom Erleben der Gottheit im Innern zuwenden als der klaren, lichten, begrifflichen Erkenntnis des Abendlandes ist nicht gering.« Steiner beschließt den Aufsatz mit einem Plädoyer für die freie, auf Vernunft und Beobachtung sich stützende Wissenschaft der Neuzeit und gegen trübe Geisterlebnisse.
Hegels Christusbegriff
Als Hegel mit 18 Jahren in das Tübinger Stift eintrat, um dort Theologie zu studieren, begann er bald, mit dem dort gelehrten Protestantismus zu hadern. Es war die Rede von der Theologie als einem hundertköpfigen Ungeheuer, das aus jedem Rachen Feuer speit, und der obligatorischen Sonntagspredigt wurde vielfach mit entschiedener Gleichgültigkeit begegnet.1 Gemeinsam mit Hölderlin und Schelling bewohnte er zeitweise ein Zimmer, und zusammen formulierten sie ihr Ideal einer »unsichtbaren Kirche«2. Die Französische Revolution war Vorbild und eine willkommene Gelegenheit, Freiheit in den Mittelpunkt allen Strebens zu stellen. Hegels Jugendschriften beinhalten noch eine Auseinandersetzung mit Theologie und Christentum, die dann in seinen Hauptwerken, der ›Phänomenologie des Geistes‹, der ›Wissenschaft der Logik‹ und der ›Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften‹ zurücktritt. Immer wieder betont Hegel, dass Philosophie und Religion denselben Inhalt haben, die Religion sich diesem jedoch mehr mit schlichten Vorstellungen des Glaubens, die Philosophie dagegen mit dem begreifenden Denken, das allein Freiheit ermöglicht, nähere. Das Ziel von Hegels Philosophieren ist der absolute Geist, und dieser wiederum ist Inhalt der wahrhaften, geoffenbarten Religion. Im reinen Wissen offenbart sich der Geist als Geist, dem Wesen einer absoluten Religion entsprechend. Hegel geht in diesem Zusammenhang auch auf die verschiedenen Manifestationen des Religiösen in der Kulturgeschichte der Menschheit ein, eine tiefere Auseinandersetzung mit dem realen Wirken des Christus findet sich dann in seinen ›Vorlesungen über die Philosophie der Religion‹, die er erstmals 1821 und dann erneut 1824, 1827 und in seinem Todesjahr 1831 in Berlin hielt.