Artikel von Gunhild von Kries
Betrachtungen zu Sinnesatmung und Lichtseelenprozess
Wenn wir in der Verfassung unseres modernen Alltagsbewusstseins einen Gegenstand wahrnehmen, z.B. einen Stein ansehen, dann erleben wir diesen draußen, »gegenständlich«, mit uns unverbunden. Der Sinnesprozess selbst haftet am Gegenstand, bannt diesen und ist zugleich in sich vereinzelt, nur sehend, isoliert. Wir grenzen uns auf diese Weise von der Welt ab, was, wie sich bei genauem Hinschauen zeigt, einen Kraftaufwand erfordert. Zunächst agiert hier der Doppelgänger in uns, und die Abgrenzung vollzieht sich aus einer Angst heraus. Wir können uns jedoch auch aus freiem Willen dazu entschließen, diese Basisstufe des Wahrnehmens bewusst zu betreten. Dann kann sie zum Ausgangspunkt und Sprungbrett eines vom Ich geführten Übweges zur Beseelung der Sinnesvorgänge werden.
Ich-Wille und Himmelsgaben im Denkprozess
Die allgemeine Auffassung von den Möglichkeiten und dem Wesen des Denkens beschränkt sich heutzutage fast flächendeckend auf dessen intellektuelle Komponenten – wie das Sammeln von Gedanken und Wissen, das Verfassen kritischer Analysen, das Auffinden von Kausalitäten oder das Erstellen von Meinungen und Urteilen. Spirituelle Kräfte des Denkens bleiben dabei unbeachtet, sei es aufgrund einer materialistischen Leugnung des Geistigen überhaupt oder einer Unkenntnis vom Denken als Ganzem in vielen, auch spirituell offenen Kreisen.
So widerfährt dem Denken eine Missachtung. Da für den spirituellen Fortschritt der reine Intellekt verständlicherweise als Hindernis erlebt wird, will man häufig das Denken überhaupt vermeiden. Andererseits wird wenig gezögert, den Intellekt in Form einer berechnenden Raffinesse bis zum Äußersten auszureizen, um damit egoistische Ziele wie beispielsweise wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen. Der Respekt dem Denken gegenüber ist somit weitgehend geschwunden, und so scheint es auch kein besonderer Schritt zu sein, digitale Funktionen an dessen Stelle setzen zu wollen. Auf diese Weise verliert aber der Mensch den Bezug zu seinem eigenen Denken. Es entgleitet ihm und stürzt ab. Dem Einzug von Lügen und der weit verbreiteten Fake-News sind damit alle Türen geöffnet.
Mitte September 2017 öffnete das ›Haus der Zukunft‹, auch ›Futurium‹ genannt, ein in futuristischem Stil erbautes Gebäude in Berlin neben dem Hauptbahnhof, zum ersten Mal – für einen Tag – seine Türen. Dem auffallend großen Zustrom von interessierten Menschen bot man in schlichten Räumen und Sälen ein vielseitiges Programm mit wissenschaftlichen Vorträgen, Kunstdarbietungen, Ausstellungen, Diskussionsmöglichkeiten, Spielecken etc. an. Ökologische Untersuchungen, psychologische Befragungsergebnisse und zeitgeschichtlich-philosophische Betrachtungen betonten die Verantwortung der Menschheit für die Zukunft. Sie wiesen hin auf Entscheidungsnotwendigkeiten in vielen Bereichen und verdeutlichten die Einsicht, dass im heutigen, »anthropozänen« Zeitalter der Mensch derjenige ist, der die Zukunft der Erde bestimmt. Zugleich wurde an verschiedenen Stellen eingeräumt, dass wir alle nicht wissen können, wie diese Zukunft aussehen wird – trotz aller grenzenlosen digital-technischen Innovationsphantasien; für welche die Roboterband, die am Abend auftrat, als Beispiel stehen kann.
als Urbild, Seelenweg, Heilkraft und als den Jahreslauf begleitende Meditationsweisen
An einigen Stellen in seinem Gesamtwerk erwähnt Rudolf Steiner die Kultivierung und Entwicklung der menschlichen Seelenkräfte »Erstaunen, Mitgefühl und Gewissen« und weist zugleich in seinem einzigen diesem Thema ganz gewidmeten Vortrag vom 14. Mai 1912 in Berlin mit besonderer Eindringlichkeit darauf hin. In diesem Vortrag beschreibt er Staunen, Mitgefühl und Gewissen als eine Dreiheit, ohne deren Existenz, Pflege und Bildung im menschlichen Herzensraum die Erde als Christusträger ihr Ziel im Sinne der Schöpfung nicht erreichen würde.