Zu Rudolf Steiners Holzskulptur des ›Menschheitsrepräsentanten‹
Wer ist der »Menschheitsrepräsentant« – eine der vielen Begriffe, mit denen Rudolf Steiner die Mittelfigur seiner neun Meter hohen Holzplastik bezeichnete? Bin auch ich es? Ist es der durch Tod und Auferstehung gegangene Christus? Kann ich es werden, wenn ich mich mit ihm verbinde? Die Holzskulptur stellt diesen Menschheitsrepräsentanten in das Spannungsfeld zweier antagonistischer Kräfte, die zu Wesenheiten verdichtet sind: den sich ins Licht wie auflösenden Luzifer und den sich an die Erde bindenden Ahriman. Ersterer bleibt ganz im eigenen Innenraum von Kopf und Brust, ohne Verbindung zur äußeren Welt; mit ihm nimmt die schöpferische Phantasie ihren freien Lauf. Letzterer ergibt sich ganz den irdischen Kräften, die ihn zum Skelett erstarren lassen; seine fledermausartigen Flügel lassen keine geistigen Höhenflüge zu, wohl aber pragmatisches Denken und Handeln. Anders ausgedrückt: Folge ich allein Luzifer, gerate ich in eine Welt gefühlvoller Gedanken, die zur Illusion werden; folge ich ausschließlich Ahriman, schaffe ich eine automatenhafte Wirklichkeit, aus der das eigentlich Menschliche verschwindet.
Zu Karl Ballmer: ›Elf Briefe über Wiederverkörperung‹
Mitte Mai 1953 erhält der für seine akademische Versiertheit bekannte Anthroposoph und Autor Hans Erhard Lauer eine Folge von Briefen, die sich auf dessen neueste Veröffentlichung zum Thema Wiederverkörperung beziehen. Bereits der erste Brief ist ein Affront. Er kommentiert nämlich Lauers gebildete Darstellung mit dem Satz: »Wie sich Tante Lieschen die Wiederverkörperung vorstellt – – ...« (S. 9). Lauer kennt den Absender, den hochgradig engagierten Anthroposophen und Maler Karl Ballmer, schon länger. Er hat ihn noch vor dem Krieg mehrmals in dessen Hamburger Atelier besucht, und bestimmt wurden damals intensive Gespräche über Wissenschaft und Anthroposophie geführt. Wohl deshalb antwortet er in seinem eigenen ersten Brief konziliant und bittet den Provokateur, nicht bloß mit seinen Äußerungen zu orakeln und zu kritisieren, sondern selbst einen »positiven und systematischen« (S. 65) Beitrag zum Thema Wiederverkörperung zu leisten. Und in einem zweiten Brief, wenig später, macht Lauer sogar einen besonnenen Vermittlungsvorschlag – den Ballmer indessen auf sich beruhen lässt. Es scheint Ballmer vielmehr nötig, weiter aus seiner eigenen Perspektive zu sprechen und zu versuchen, trotz aller erlebten und vollzogenen Zurückweisung verständlich zu werden. Und d.h. bei ihm: durch seine Begriffsbewegungen und denkerischen Ansatzpunkte, durch seine Schreibpraktiken und Ungehörigkeiten sichtbar und nachvollziehbar zu machen, was sein Erkenntnisethos antreibt und welche Wege es sich bahnt. Es kommt also zu keinem Austausch, wie wir ihn uns als Vertreter einer rationalen Diskursgemeinschaft wünschen würden. Lauer wird sich nach seinem zweiten, von Ballmer nur beiseite geschobenen Brief nicht mehr äußern.
Zu Lorenzo Ravagli: ›Selbsterkenntnis in der Geschichte – Anthroposophische Gesellschaft und Bewegung im 20. Jahrhundert. Band 2‹
Um zu verstehen, wie der Gründungsmythos der Anthroposophischen Gesellschaft entstanden ist und fortwirkte, muss einleitend kurz an den ersten Band des Gesamtwerks, der die Zeit ›Von den Anfängen bis zur zweiten Sezession 1875–1952‹ darstellt, angeknüpft werden. Die Anthroposophische Gesellschaft verselbstständigte sich zunächst aus der ›Theosophischen Gesellschaft‹ (Adyar) im Februar 1913. Die elf Jahre von 1913 bis 1923 erscheinen in der Rückschau – abgesehen von der Geistesforschung Rudolf Steiners – wie eine Vorgeschichte der später entstandenen ›Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft‹.
Zur dritten Meditationstagung zum Werk von Georg Kühlewind
Der Geist des Übens war anwesend, als nun zum dritten Mal in Stuttgart von der Akanthos Akademie eine Meditationstagung in Anknüpfung an den Ansatz von Georg Kühlewind veranstaltet wurde. Alle Vortragenden waren ihm mit ihrer eigenen Biografie eng verbunden. Diesmal stand der therapeutische Aspekt im Vordergrund. Hauptredner waren der Arzt und Psychotherapeut Hartwig Volbehr, der amerikanische Psychotherapeut und Autor Michael Lipton und der Hochschullehrer István Székely aus Budapest. Als Leiter von Arbeitsgruppen waren außerdem Rudi Ballreich, Salvatore Lavecchia und Laszlo Böszörmenyi an der Gestaltung der Tagung beteiligt. Etwa 80 Menschen waren der Einladung gefolgt.
Zwei neue Bücher von und über Albert Steffen
Es mag übertrieben sein, von Albert Steffen als einem Unbekannten innerhalb der anthroposophischen Bewegung zu sprechen. Doch angesichts der Tatsache, dass Steffen nicht nur ein enger Mitarbeiter Rudolf Steiners war, sondern nach dessen Tod fast vierzig Jahre lang als Erster Vorsitzender die Anthroposophische Gesellschaft prägte, ist es eine höchst eigentümliche Tatsache, dass erst jetzt eine umfassende biografische Darstellung in Angriff genommen wird. Und auch sonst ist die Literatur dünn gesät. Seit 1984, als Steffens 100. Geburtstag mit mehreren Publikationen begangen wurde, sind ihm ganze drei Bücher gewidmet worden, von denen zwei sich mit den ›Kleinen Mythen‹ beschäftigen. Peter Selgs Studie: ›Albert Steffen – Begegnung mit Rudolf Steiner‹ (Dornach 2009) greift immerhin jenen Aspekt in Steffens Leben und Werk heraus, den dieser wohl auch selbst als zentral bezeichnet hätte.
Zu Markus Sommer u.a.: ›Plastisch-therapeutsches Gestalten‹
In seinen Händen lebt der Mensch von Anbeginn so, wie er die Welt ergreift und begreift. In unserer Zeit, in der die Menschen mit ihren Fingerspitzen Glasscheiben betasten, um durch elektrisch leuchtende Zeichen ihre Wege, ihre Heilmittel und ihre Orientierung zu finden, tritt ein schweres, gewissermaßen aus feuchtem Ton geborenes, aber hellwach und einfühlsam geschriebenes Buch ans Licht und sagt: »Ergreife Erde und gestalte sie!« Gegen Ende des Buches heißt es zusammenfassend: »Schon das bloße Ergreifen und plastische Gestalten von Substanz kann therapeutisch wirksam sein. So wurden schwer beeinträchtige, neurologisch erkrankte, an Schlaganfällen sowie an Epilepsie leidende Patienten im Rahmen einer Studie gebeten, einen Klumpen Ton frei zu gestalten. Dabei zeigte sich, dass allein durch ein solches unsystematisches schöpferisches Tun und das Erfahren von Selbstwirksamkeit eine signifikante und anhaltende Besserung ihres Befindens bewirkte, was auf der Beck Hopelessness Scale (BHS) als signifikanter Therapieeffekt dokumentiert werden konnte.« (S. 294)
Zur Pfingsttagung ›Neue Wege‹ in Budapest anlässlich des 100. Geburtsjahres von Georg Kühlewind
Man traf sich vom 17. bis zum 19. Mai 2024 in Budapest, der Geburtsstadt Georg Kühlewinds, in den großzügigen Räumen einer Schule an einem grünen Hang über der lebhaften Stadt. Eine pfingstliche »hohe Zeit« war es, ein wahres Fest – des gemeinsamen Übens, der Begegnungen mit alten Freunden, des Entstehens neuer Freundschaften und der Besinnung auf di zukunftsweisenden Impulse, die Georg Kühlewind mit seinem Lebenswerk gegeben hat. Und der »Zufall« wollte es, dass wir uns dabei in der Nähe des Hauses befanden, wo er über etliche Jahre mit Freunden meditiert hatte.
Über den »Lichtseelenatem« als Pendelschlag zwischen Wahrnehmen und Denken und eine Tagung in Stuttgart
Was ist Meditation? Herbert Witzenmann arbeitete in einer gleichnamigen Schrift die zwei »Grundformen« aller modernen, auf die menschliche Freiheit und Entwicklung der Individualität gegründeten Meditation (im Vergleich zu den östlichen Meditationsformen) heraus und kennzeichnete diese wie folgt: »Denn Meditation kann einerseits nichts anderes sein als das Erlangen der Einsicht, wie sich die geistige Welt mit der Sinnenwelt verbindet, – andererseits das Erlangen der Einsicht, wie wir uns selbst mit der geistigen Welt, wie wir diese mit uns verbinden.« Diese zeitgemäße Form der Meditation könne prinzipiell an jedem Gegenstand, in der Natur, aber auch ausgehend von geeigneten Kunstwerken oder Sinnbildern durchgeführt werden. Eine Hauptmethode der Meditation sei dabei – so Witzenmann mit Referenz auf Rudolf Steiners ›Philosophie der Freiheit‹ – »die Beobachtung der Wirklichkeitsentstehung durch unsere geistige Aktivität«
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, dann hat es ein natürliches Vertrauen, ein »Urvertrauen« zu seinen Eltern. Das kleine Kind kennt eine Zeit lang noch keine Angst. In ihm tritt ein geistiges Wesen in die geformte Welt seines Leibes, lebt aber noch im Urvertrauen zu seinem Ursprung, zur geistigen Welt. Erst durch die Bildung der Seele, dem Bindeglied zwischen Leib und Geist, lernt es die Angst und später auch den Zweifel kennen.
Zu Michael Debus: ›Maria-Sophia. Das Element des Weiblichen im Werden der Menschheit‹
Das vom Rezensenten in dieser Zeitschrift zuletzt besprochene Buch handelte vom ›Urbeginn christlicher Esoterik‹. Darin wird ausführlich das einzigartige Verhältnis ausgeleuchtet, das zur Zeitenwende durch das Kreuzeswort »Siehe, dein Sohn! Siehe, deine Mutter!« gestiftet wurde: das Verhältnis zwischen der Mutter Jesu und dem Jünger, den der Herr liebhatte. In jenem Buch wird dieses mehr von Johannes her untersucht; in der vorliegenden Arbeit erfolgt dies stärker von Maria bzw. von Maria Sophia ausgehend. Bei den Autoren handelt es sich jeweils um Priester der Christengemeinschaft, das erstgenannte Buch erschien 2021, die hier besprochene Schrift bereits im Jahr 2000, in der durchgesehenen Neuausgabe 2020.
Zur vollständig revidierten Neuausgabe von Rudolf Steiner: ›Aus der Akasha-Chronik‹ (GA 11)
Der nun vollständig revidierte Band 11 der Gesamtausgabe enthält die frühen, von 1904 bis 1908 in der Zeitschrift ›Lucifer-Gnosis‹ veröffentlichen Aufsätze Rudolf Steiners zur Erdgeschichte und Vorgeschichte der Menschheit. Im Jahr 1939, also lang nach Steiners Tod, waren sie von Marie Steiner zu einem eigenständigen Band der Gesamtausgabe zusammengefasst, kommentarlos redigiert und mit Ergänzungen herausgegeben worden. Auch die späteren Herausgeber griffen bei Neuauflagen nach eigenem Ermessen stillschweigend in den Text ein. Jahrzehntelang bot die Gesamtausgabe damit ein Buch, das in scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten nicht mehr dem entsprach, was und wie Rudolf Steiner geschrieben hatte. Ist die Textgrundlage bei den vielen mündlichen Vorträgen wegen möglicher Hör-, Übertragungs- und Verständnisfehler mit einem unvermeidbaren Maß an Ungewissheiten belastet, so bieten die schriftlichen Texte wie dieser eine Verlässlichkeit, die in der Edition auch zur Geltung kommen muss. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil Rudolf Steiner ein Autor war, der seinen Texten peinlich genaue Sorgfalt zukommen ließ und der darauf baute, dass auch die Form seiner Aussagen – bis hin zu einem Satzzeichen – von Bedeutung für den Inhalt ist.
Ein Dialog zum richtigen Verhältnis von »geistigem Goetheanum« und irdischer Konstitution der Anthroposophischen Gesellschaft
In seinem Beitrag ›Die Zukunft der Michaelschule‹ in die Drei 1/2024 hat Stephan Eisenhut dargestellt, wie sich nach dem Tod Rudolf Steiners ein Gründungsmythos herausgebildet hat, der auch durch bestimmte Auffassungen Sergej O. Prokofieffs Nahrung bekommen habe. Ralf Gleide, einer der besten Kenner von Prokofieffs Werk, stellt dies in Frage.
Ein Beitrag zur Frage der »Entkolonialisierung« des Waldorf-Lehrplans
In der Gestalt von »Leitsätzen« hat Rudolf Steiner gegen Ende seines Wirkens das Wesen und die Aufgabe der Anthroposophie in äußerster Verdichtung zum Ausdruck gebracht. So heißt es im ersten Leitsatz: »Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte.« Es gilt aber auch, was Rudolf Steiner ebenfalls sehr verdichtet formuliert hat, »dass im Jahre 869 auf dem achten allgemeinen ökumenischen Konzil von Konstantinopel der Geist abgeschafft worden ist.« Nach tausend Jahren, im Zeitalter Michaels, soll nun in unserer Zeit der Geist ganz neu zum Wegleiter der Menschheit werden. Eine neue Erde wird so entstehen, eine Schule, in der die Menschheit strebend und lernend immer mehr ihre eigene Entwicklung mit verantwortet.
Zu Frank Hörtreiter: ›Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus‹
Zu einer Selbstbesinnung, wie sie einer Unternehmung wie der Christengemeinschaft angesichts ihres bevorstehenden 100. Gründungstages verstärkt ein Anliegen sein kann, gehört unbedingt eine nüchterne und schonungslose Auseinandersetzung mit früheren Epochen, die sich naturgemäß mit Abstand und sicherer Quellenlage gründlich und umsichtig aufarbeiten lassen. So liegt seit wenigen Wochen die Studie ›Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus‹ von Frank Hörtreiter vor.
Über zwei Tagungen zur Neuimpulsierung des Wirtschaftslebens
Zwei unterschiedliche Blicke auf das Wirken von Daniel Nicol Dunlop (1868-1935) vermittelten zwei Tagungen, die im August und September dieses Jahres in Berlin und Dornach stattgefunden haben. Während beim Symposium des Instituts für soziale Gegenwartsfragen der Blick auf die ökonomischen Grundfragen im Vordergrund standen, war der Ausgangspunkt beim >World Goetheanum Forum< in Dornach die Inititiative, mit der neue Impulse in die Welt getragen werden können. Durch die Impulsreferate leuchteten aber auch die spiritutellen Hintergründe dieser eigentlich noch sehr unbekannten Persönlichkeit hindurch, die 1924 ein bis heute wichtiges Organ an der Schnittstelle zwischen Geistesleben und Wirtschaftsleben begründet hat.
Die Fähigkeit des Denkens, die sich der Mensch in langen Zeiten der Entwicklung mit der Unterstützung geistiger Wesen aneigenen konnte, ist nicht erst ernsthaft bedroht, seit es neue Formen der sogenannten Künstlichen Intelligenz – wie das Programm ChatGPT – gibt. Ein Denken, das sauber vorgeht und dabei ein menschliches Antlitz trägt, war auch vorher keineswegs selbstverständlich. Ahrimanische wie luziferische Wesen bemühten sich stets, ein solches Denken zu korrumpieren.
Zu Eva Kovacheva: ›Die Weiße Bruderschaft des Peter Danov‹
Mit der hier besprochenen Arbeit promovierte die bulgarische Autorin Eva Kovacheva 2010 an der Universität Marburg im Fachbereich Evangelische Theologie. Ihre Schrift ›Die Weiße Bruderschaft des Peter Danov‹ verdient Aufmerksamkeit nicht allein vor dem akademischen Forum. Insbesondere gibt es Bezüge zwischen dem Exponenten des Buches, Peter Danov, dessen spiritueller Name Beinsa Duno lautet, und Rudolf Steiner bzw. der anthroposophischen Bewegung. Kovacheva ist seit ihrer Schulzeit an einem deutschsprachigen Gymnasium mit der deutschen Kultur vertraut und seit ihrer Jugend interessiert an Esoterischem – Rosenkreuzertum, Theosophie und Anthroposophie.
Zu Sergej O. Prokofieff: ›Rudolf Steiner – Fragment einer spirituellen Biografie‹
Wie das vor zwei Jahren hier ebenfalls besprochene Buch ›Rudolf Steiner und die Meister des esoterischen Christentums‹1 erschien im vergangenen Jahr posthum ein weiterer Titel von der Hand Sergej O. Prokofieffs: ›Rudolf Steiner – Fragment einer spirituellen Biografie‹. Fragment blieb diese 1984 begonnene Arbeit über frühere Inkarnationen Rudolf Steiners, weil der Autor die geplanten Kapitel über Ephesos, Athen, die Gralszeit und das scholastische Hochmittelalter zu Lebzeiten nicht hatte ausführen können. Zu den erhaltenen drei Kapiteln über die Menschheitslehrer und die Mission Rudolf Steiners, über das Gilgamesch-Epos sowie über Enkidu und die nathanische Seele fügte er im Jahr 2014, kurz vor seinem Tod, ein viertes Kapitel hinzu, in dem er den karmischen Werdegang Rudolf Steiners zusammenfassend betrachtet – anstelle der ungeschriebenen Teile. Dieses letzte Kapitel verfasste er in deutscher Sprache, während die drei zuerst genannten Kapitel von Hans Hasler aus dem Russischen übersetzt wurden. Das ist erwähnenswert, weil die durch Hasler erreichte deutsche Sprachform dem Leser erfreulich entgegenkommt.
Zum Buch ›Auferstehung denken‹ von Matthias Remenyi
In die Drei 3/2016 findet sich eine ausführliche Besprechung des kurz vorher erschienenen dreibändigen Werkes ›Auferstehung. Die Auferstehung im Werk Rudolf Steiners‹ von Frank Linde. Wenige Monate später kam das Buch ›Auferstehung denken‹ von Mathias Remenyi heraus. Für die Leserschaft dieser Zeitschrift stehen sich damit ein anthroposophisches und ein theologisches Werk zum selben Thema gegenüber, letzteres als Teil einer ausgedehnten Fachliteratur. Beide Bücher sind dem Themenkreis »Eschatologie« zuzurechnen.
Annäherung an ein Grundlagenwerk
Der Glaube an die leibliche Auferstehung Jesu Christi nach dem Tod am Kreuz ist der Ursprungsimpuls zur Entstehung des Christentums als heiliger Gemeinschaft. Der Auferstehungsglaube begründet sich aus den Erscheinungen des Auferstandenen vor einer Reihe von Zeugen und aus dem Aufleben der Auferstehungskraft in Einzelnen oder in Gruppen im Laufe der Geschichte, schließlich aus dem Überzeugungspotenzial der christlichen Philosophie und Theologie. Die Wirkung dieser Glaubensbestätigungen ist in neuerer Zeit stark zurückgegangen.
oder: Geistiger Widerstand als Kapitulation
In letzter Zeit wird die Anthroposophie von Kritikern wieder verstärkt in die Nähe rechtsextremistischer Bestrebungen gerückt. Dass das nicht nur mit böswilliger Ignoranz zu tun hat, sondern mit einer echten Herausforderung des Unterscheidungsvermögens, an der auch Anthroposophen scheitern können, zeigt ein symptomatischer Fall, der im Folgenden geschildert werden soll.
Antwort auf Eva-Maria Begeer-Klare
Causa efficiens und Wille zum Dasein
Dieser Beitrag zur Debatte um das Buch Evolution im Doppelstrom der Zeit von Christoph Hueck (vgl. auch die Drei 5,6,11/2013 und 1/2014) leuchtet die vier Ursachen des Aristoteles und ihre möglichen Beziehungen zu den Bereichen Erkenntnis, menschlicher Organismus und Schicksal weiter aus. Im Vorfeld wurde von Martin Basfeld die Frage aufgeworfen, inwieweit sich das darauf bezugnehmende sogenannte »Zeitkreuz« Rudolf Steiners (vgl. Psychosophie (GA 115)) auf die Evolution von Mensch und Natur übertragen lässt.
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Chancen und Hemmnisse
Unter dem propädeutischen Motto: »Vorstudium der Geisteswissenschaft« beschäftigt sich ein Kreis Berliner Forscherinnen und Forscher seit über zwei Jahrzehnten mit der Frage, wie das heutige, an der Gegenstandswelt geschulte naturwissenschaftliche Bewusstsein in der Auseinandersetzung mit der Anthroposophie eine Steigerung und Fortbildung erfahren könnte, ohne dass wissenschaftsferne Verhaltensweisen – wie das Suchen nach religiöser Befriedigung auf Kosten des kritischen Erkenntnisstrebens, das politische Taktieren auf der Suche nach Mehrheiten und »Erfolg« oder das operationale Schielen nach Honorierung seitens der Vertreter des akademisch-universitären Mainstreams – diesen Anspruch überlagern oder sogar gänzlich zunichte machen. Die kürzlich erschienene Studie ›Zurüstungen‹ von Lutz Liesegang erwuchs aus der intimen Arbeit dieses Kreises, an der auch der Rezensent in bestimmten Abständen mitgewirkt hat. Im Folgenden sei dieses Buch ausführlicher besprochen, da es meiner Ansicht nach eine Reihe bedeutsamer Fragen im Hinblick auf das Selbstverständnis und die Zukunft einer Hochschule für Geisteswissenschaft (d.h. Anthroposophie) aufwirft.