Wege zu einer spirituellen Psychologie
In der heutigen universitären Psychologie stellt die Frage nach Seele und Geist ein grundlegendes Problem dar. Eine wissenschaftlich fundierte spirituelle Psychologie existiert bisher erst in Anfängen, ebenso eine Methodologie zur Erforschung des Bewusstseins aus einer Ersten-Person-Perspektive. Rudolf Steiner hat es gegenüber Franz Löffler als»eine anthroposophische Aufgabe« bezeichnet, »eine neue Psychologie zu schaffen«, die vor allem eine »spirituelle Betätigung« sein werde. Darin liegt bis heute eine wichtige Zukunftsaufgabe. Der vorliegende Artikel soll zeigen, ob und in welcher Weise Anthroposophie bereits eine spirituelle Psychologie in sich enthält und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, um eine wissenschaftliche Anschlussfähigkeit zu erreichen.
Mit seinem erkenntniswissenschaftlichen Grundwerk hat Rudolf Steiner die Basis der Anthroposophie in Form einer immanenten, spirituell orientierten Bewusstseinsforschung gelegt. Diese Tatsache ist für ein zeitgemäßes Verständnis der Anthroposophie notwendig, kann aber auch für eine Weiterentwicklung heutiger Wissenschaft relevant werden. Anhand des Philosophen Jean Gebser und der Introspektionsforscherin Claire Petitmengin wird skizzenhaft gezeigt, wie zentrale Motive von Steiners Ansatz in nicht-anthroposophischen Kontexten anfänglich realisiert worden sind. Es wird die These entwickelt, dass sich die fehlende Brücke zwischen solchen Ansätzen und Steiners Anthroposophie statt durch ein Tradieren und simplifizierendes Popularisieren ihrer Wissensbestände nur durch eine Neurealisierung ihres methodischen Fundaments bauen lässt. Den methodischen und damit zugleich konzeptionellen Grundzug in Steiners Werk hat Herbert Witzenmann in seiner Strukturphänomenologie explizit gemacht. Allerdings fehlen auch hier noch weitgehend Bezüge zu anderen zeitgenössischen Forschungsansätzen, zum Teil auch, weil letztere zu Witzenmanns Lebzeiten erst im Entstehen waren. Ein Weg, das schlummernde Potenzial der Anthroposophie für eine moderne Bewusstseinsforschung zu entfalten, wären das Studium und eine meditativ-beobachtende Praxis der Strukturphänomenologie, weil von hier aus die Bemühungen und Ergebnisse aktueller Forschungsansätze in ihrem Zusammenhang begriffen und kooperativ gebündelt werden können.
Wirkungen auf die Wesensglieder des Menschen
Die Wirkung der Meditation auf die Gesundheit des Meditierenden ist zwar bekannt, jedoch noch weitgehend unerforscht. Gesundheitsfördernde Wirkungen werden in verschiedenen Meditationsrichtungen propagiert; doch läuft die meditative Praxis auf diese Weise Gefahr, ihrem spirituellen Kontext entfremdet zu werden. Dieser spirituelle Zusammenhang ist bei der anthroposophischen Meditation indes entscheidend. Auf der Basis eines spirituellen Menschenbildes lassen sich dann verschiedene Wirkungen auf die Wesensglieder des Menschen aufzeigen.
Horizonte wissenschaftlicher Anthroposophie-Forschung
Der vorliegende Beitrag setzt sich kritisch mit Christian Clements Einleitung des von ihm heraugegebenen Band 5 ›Rudolf Steiner – Schriften Kritische Ausgabe‹ auseinander. Die Autorin erkennt in seiner Position einen psychologistischen Reduktionismus, wie ihn schon Edmund Husserl kritisiert hat. Aus der reduktionistischen Perspektive werden Clement die geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse Steiners zu Vorstellungen und Projektionen des eigenen Ich. Die Autorin zeigt, dass die von Clement aufgestellte Hypothese eines ›ideogenetischen Grundgesetzes‹ von Grundannahmen über das Erkennen ausgeht, die von Rudolf Steiners anthroposophischer Geisteswissenschaft eher weg- als zu ihr hinführen.
»In die Lage kommen muss der Mensch, hinzuschauen auf den Baum, auf den Fels, auf dieQuelle, auf den Berg, auf die Sterne, in die Lage kommen muss er, hinzuschauen und in derErkraftung seiner eigenen Seelenkräfte, in der Verstärkung seiner eigenen Seelenkräfte esdazu zu bringen, dass ihm erscheint aus jeglichem physischen Dinge die dahinterstehendegeistige Tatsache oder geistige Wesenheit.«
Die Erneuerung der westlichen Mysterien durch die Michael-Kultur
Als »Saturnweg« kann der Weg zur Ausbildung der Erkenntnisse der höheren Weltenverstanden werden, der sich den äußeren Erscheinungen zuwendet. Es ist ein Weg, der inbesonderer Weise dem Wesen der westlichen Mysterien entspricht. Der vorliegende Artikelbeschreibt diesen Weg im Gegensatz zu dem »Mondenweg«, der mehr den östlichenMysterien entspricht. Der Autor arbeitet als besonderes Charakteristikums dieses Wegesheraus, dass er auf der Gemeinschaftsbildung beruht. Die Erlangung der Erkenntnisse dergeistigen Welten ist von dem Zusammenwirken der Menschen abhängig. Der Artikel istim Hinblick auf das bevorstehende ›Summercamp Iona and Isle of Mull‹1 und die dortigeBearbeitung der westlichen Mysterien verfasst worden.
»Das Licht kommt nicht von außen; es ist in uns, selbst wenn wir keine Augen haben.« Jacques Lusseyran beschließt mit diesem Satz sein Werk ›Das wiedergefundene Licht‹ – die Autobiografie eines Menschen, den seine Blindheit sehen lehrte. Sein Todestag jährt sich bald zum 45. Mal – er starb am 27. Juli 1971 bei einem Autounfall. Es war ihm vergönnt, trotz (oder gerade wegen) seiner vollständigen Erblindung ein inneres Licht zu erleben, und hierin eine Quelle von Kraft, Orientierung und Initiative zu finden. In der vorliegenden Skizze sei – auch in Erinnerung an Jacques Lusseyran – auf Fährten hingewiesen, das Licht in einem größeren Zusammenhang als dem der bloßen Beleuchtung zu sehen.
Eine einführende Betrachtung zur Kymatik
Der folgende Artikel geht von der Gestaltungskraft der Töne aus, die seit mehr als 200 Jahren erforscht wird. Er widmet sich insbesondere dem Maler, Arzt und Naturwissenschafter Hans Jenny (1904 -1972), der eine feine Beobachtungsgabe für diese Gestaltungskraft in der Natur ausgebildet hatte und ein Phänomen entdeckte, welches er als ›triadisches Urphänomen‹ bezeichnete. Sowohl beim mechanisch als auch beim elektronisch und bei vom menschlichen Kehlkopf erzeugten Ton tritt immer eine Dreiheit von Gestalt, Rhythmik und Dynamik in Erscheinung. Diese Erscheinungen sind jedoch von ganz unterschiedlicher Qualität. Die von Hans Jenny begründete Wissenschaft der Kymatik erforscht diese Qualitäten. An dieser Forscherpersönlichkeit wird sichtbar, wie Wissenschaft und Kunst sich für ein lebendiges Erfassen der Welt gegenseitig befruchten können.
Der Dichter Fercher von Steinwand (1828 –1902) war dem deutschen Geist innig verbunden. Es ist, wie wenn er ihn selber in seinen Dichtungen sprechen lassen möchte, so wie ein Gesandter die Botschaft eines anderen überbringt. Einmal sagt er das mit den Worten: »Gesandt bin ich als Rufer dieser Tage, / Dass meines Volks Propheten ich erfülle / Und wie der Flammenruf im Dornenhage, / Mein eifernd Mahnwort heute sich enthülle: / Wie hast du dich, mein Volk, verlassen schnöde! / Wie hast du in Verzweiflung dich vermessen! / Wie machte dich der Zeiten Ungunst blöde! / Wie hast du deinen Wert so ganz vergessen ...«
im Zusammenhang mit Imagination, Inspiration und Intuition
Zur zentralen Stellung von ›Theosophie‹ und ›Wie erlangt man …?‹ im Werk Rudolf Steiners
Klaus J. Bracker im Gespräch mit Karl-Heinz Ohlig
Seit der Jahrtausendwende sind einige Publikationen historisch-kritischer Art zu den Anfängen des Islam erschienen, namentlich Christoph Luxenbergs Abhandlung ›Die syro-aramäische Lesart des Koran‹ (Schiler-Verlag, Berlin 2000). Seither wird öffentlich die These diskutiert, dass das heilige Buch des Islam ursprünglich nicht das Produkt einer wie auch immer gearteten Inspiration, sondern eine Sammlung frühchristlicher Texte gewesen sei, deren Entstehung sich über Jahrhunderte hingezogen habe. Diese auch in der Fachwelt sehr umstrittene These wird seit einigen Jahren von der ›Inârah‹-Forschungsgruppe – einem internationalen Zusammenschluss von Islamologen, Religionswissenschaftlern, Linguisten und Philologen – bearbeitet. Für die Drei sprach Klaus J. Bracker exklusiv mit Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig, einem der profiliertesten Vertreter dieser Gruppe.
Rudolf Steiner ging allem Anschein nach von der historischen Existenz des Propheten Mohammed aus.
Ein Beitrag zum Verhältnis zwischen den Religionen
In diesem Beitrag wird versucht, die Aktualität, die Brisanz und das Potenzial eines Begriffs zumindest anfänglich herauszuarbeiten, der hinsichtlich unserer Urteilsbildung eine beträchtliche Relevanz beansprucht: das Wahrheitsgefühl. Der Begriff kommt nicht allzu häufig und dezidiert im Werk Rudolf Steiners vor, und doch war dieser sich bewusst, dass die Rezeption der Anthroposophie auf ein »gesundes Wahrheitsgefühl« bzw. auf rückhaltloses, freies Wahrheitsgefühl« angewiesen sein würde und dass sie letztlich darauf setzt.
Zu einem Gedicht von Admiel Kosman
Admiel Kosman spricht nicht gerne über Politik. Öffentliche Kritik an der Regierungspolitik Israels? Wer sie angesichts der bedrohlich nach rechts rückenden Entwicklung von ihm erwartet, kann enttäuscht werden. Sie kommt wohl kaum aus seinem Mund – eher aus der Hand des Dichters. Mit Feder und Pinsel schafft er ein poetisches Gemälde, das – wie im nachfolgenden Gedicht – verhängnisvolle politische Entwicklungen reflektiert.
Israel von innen gesehen
Kaum ein anderes Land ist so heftig umstritten und ruft bei vielen Menschen derart reflexhafte Reaktionen hervor wie Israel. Und kaum ein Konflikt scheint so heillos verworren und von einer friedlichen Lösung so weit entfernt zu sein wie der zwischen Israelis und Palästinensern. Doch erst ein Verständnis der vielschichten Wirklichkeit Israels und der spirituellen Hintergründe dieses Konflikts kann dessen Lösung ermöglichen. Der folgende Beitrag versucht, Israel im doppelten Sinne des Wortes von »innen« heraus begreiflich zu machen: aus der Sicht eines Israelis und der eines Anthroposophen.
Das Transfigurative in der byzantinischen Spiritualität
Der 6. August ist der Tag, an dem die Transfiguration, die Verwandlung – metamórphôsis im Griechischen – Jesu Christi am Berg Tabor gefeiert wird. Immer wieder, wenn ich an dieses Ereignis denke, erlebe ich im Gedächtnis mein Gespräch mit dem 2010 unerwartet verstorbenen Pater Kosmas, das ungeplant während einer Exkursion in Kalabrien stattfand. Pater Kosmas war ein Mönch vom Berg Athos, der nach einem Auftrag seines spirituellen Lehrers – des in der orthodoxen Welt berühmten Pater Paisios – das halb verfallene byzantinische Kloster des Heiligen Johannes Theristís (des Schnitters bzw. Mähers) in Bivongi (Süd-Kalabrien) wieder beleben wollte. Während unseres Gesprächs sagte er, dass er diesen Schritt wagen wollte, damit Ost und West durch die Wirkung einer noch lebendigen Spiritualität sich wieder begegnen können. Das ionische Meer solle Europa nicht mehr trennen, sondern verbinden, so wie es jahrhundertelang durch die griechische Kultur geschah.
Eine kurze Begegnung mit Rudolf Steiner
Je länger man lebt, desto mehr denkt man über seine Vergangenheit nach; immer mehr hat man das Bedürfnis, seine Erinnerungen, seine Erfahrungen mit anderen zu teilen. Eric Kandel, Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger für Medizin, schreibt: »Die Persönlichkeit ist die Erinnerung. Wir sind, was wir sind, auf Grund unserer Erinnerungen«. Und Erinnerungen müssen – das sollte man nicht vergessen – an kommende Generationen weitergegeben werden. Dies ist wichtig für die Kultur und Entwicklung der ganzen Menschheit, der einzelnen Nationen und des einzelnen Menschen.
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Die vier Stufen der christlich-mystischen Meditation
»Meditation« ist heute weltweit zu einem Schlagwort geworden, unter dem sich die meisten Menschen etwas vorstellen, das im östlichen Buddhismus seinen Ursprung hat. Dass es aber ebenso in der westlichen Tradition, insbesondere im christlichen Mittelalter bereits sehr differenzierte Meditationsanweisungen und Methoden gegeben hat, ist nur wenigen Menschen bekannt. Der folgende Beitrag soll einen Einblick in eine sehr gut dokumentierte Meditationsweise geben, die in ihrem vierstufigen Aufbau eine deutliche Verwandtschaft zu den ›Stufen der höheren Erkenntnis‹ Rudolf Steiners zeigt.
Bausteine zu einer anthroposophisch inspirierten Psychotherapie
Juni 2013 erschien in der anthroposophischen Zeitschrift ›Merkurstab‹ ein Artikel von mir zu Wegen für Psychotherapeuten, die eine meditativ orientierte Vertiefung ihrer therapeutischen Arbeit im Sinne des gegenwärtig wirkenden Christuswesens suchen wollen. Während ich in diesem Artikel umfassend und grundsätzlich auf Meditation als Therapieinstrument zu schauen versuchte, stelle ich hier eine Form meditativ orientierter Diagnostik vor. Sie ist von mir zwar ursprünglich für psychotherapeutische Klienten angewandt worden, kann aber, so denke ich, auch anderen Therapeuten hilfreich sein, die helfend und heilend mit der Beziehung der menschlichen Seele zwischen Körper und Geist umgehen.
Eine Korrektur
Rudolf Steiner gibt im II. Teil seiner ›Philosophie der Freiheit‹ – auf der Grundlage der vor allem erkenntnistheoretischen Überlegungen des I. Teils, die zur Einsicht in den universellen Charakter des reinen Denkens1 und zum zentralen Begriff der Intuition führen – eine Beschreibung dessen, was ihm als menschen- und zeitgemäße Ethik vorschwebt. Er nennt sie den »Ethischen Individualismus«. Steiner hielt seine ›Philosophie der Freiheit‹ für so grundlegend und bedeutsam, nicht zuletzt als Fundament der Anthroposophie, dass er sein Leben lang an ihr festhielt. Deshalb ließ er 25 Jahre nach ihrem ersten Erscheinen auch eine zweite Auflage folgen und bereits 1921 noch eine dritte. Und deshalb hat Steiner in seinem Gesamtwerk auch mehr als 200-mal auf die ›Philosophie der Freiheit‹ verwiesen, was die Bedeutung, die er ihr beimaß, eindrücklich unterstreicht.
Über das Verhältnis von Wissen, Wahrnehmung und Handlung vom Gesichtspunkt der Waldorfpädagogik
In der Rezeption der Waldorfpädagogik spielen deren charakteristische Methoden, die Verwendung spezifischer Materialien und wohl auch die Haltung der Pädagogen eine überragende Rolle. Dies gilt nicht minder für die − von Rudolf Steiner als Vertiefung der Pädagogik verstandene – Heilpädagogik. Die anthropologischen Grundlagen bleiben in der Rezeption demgegenüber zurück. Dennoch konstatieren waldorfpädagogisch orientierte Forscher und Praktiker seit langem, dass nicht nur zahlreiche Praxiselemente der WaldorfpaÅNdagogik ins allgemeine Schulsystem übernommen werden, sondern sich auch genuine und grundlegende Gedanken der anthroposophischen ›Menschenkunde‹ in zeitgenössischen Konzepten wiederfinden, welche zudem durch empirische Ergebnisse bestärkt werden.
Zur Skalierbarkeit von Imagination, Inspiration und Intuition
Die höheren Erkenntnisstufen sind nicht nur für Eingeweihte erreichbar. Die damit verbundenen Erfahrungen können unter bestimmten Bedingungen schon im alltäglichen Leben eintreten, nur werden sie dort oft nicht bemerkt, weil sie sehr unscheinbarer Natur sind. Man muss gewissermaßen seine Denkaktivität auf die richtige Größenordnung einstellen, um sie zu bemerken. Anders gesagt: Die Begriffe Imagination, Inspiration und Intuition lassen sich skalieren.