Ein großes Geschenk hat mir das Schicksal senden wollen: Schon als Jugendlicher und Student hatte ich die Möglichkeit, im ganzen Europa zu reisen. Ich war ein leidenschaftlicher Interrailer, allein wie in Gemeinschaft, und noch heute bereise ich am liebsten Europa, obwohl ich schon als Kind aussereuropäische Abstecher erleben durfte. Denn eines begeistert mich immer wieder, in der russischen wie in der portugiesischen, in der norwegischen wie in der süditalienischen Provinz, vom abgelegenen, dorfähnlichen Bauernhof in der goldenen Abendsonne des norwegischen Sommers bis zum stolzen, winzigen Städtchen im kargen Innenland Siziliens oder am leuchtend grünen Ufer der Elbe, vom versteckten Abteidorf in Portugal bis zu den strahlenden Kremls der russischen Ebene: die Begegnung mit unendlich vielen kleineren Orten, die so gebaut sind, als ob sie für das wahrnehmende Ich eine geistige Mitte der Welt bilden moÅNchten. Nicht ein weltenloses Zentrum, das einschüchtert, scheinen sie bilden zu wollen, sondern eben eine Mitte, wo ich – tätig-ruhig – gleichsam in einem tiefen Gespräch meinem eigenen Ich wie einem Gesicht begegnen kann, das sich ohne das mich ansprechende Antlitz dieser Orte nicht hätte offenbaren können.