In zwei Artikeln aus den Jahren 1905/06, die später unter dem Titel: ›Geisteswissenschaft und soziale Frage‹ veröffentlicht wurden, machte Rudolf Steiner deutlich, dass die Beschäftigung mit der Anthroposophie eine praktische Konsequenz für das soziale Leben haben müsse, wenn sie ihrem Anspruch gerecht werden wolle. Nur könne sie diesen Anspruch für das äußere Leben nicht unmittelbar einlösen. Denn um eine echte Praxis zu begründen, müsse erst ein Umweg gegangen werden. Die menschliche Seele habe die Möglichkeit, sich durch Ausbildung eines »lebensvollen Denkens, Urteilens und Empfindens« zu den »ewigen Gesetzen des Daseins« zu erheben. Die Fähigkeiten, die sie dabei entwickelt, ermöglichten es ihr dann, mit einem tieferen Verständnis in das Leben herauszutreten. Im sozialen Leben werde erst dann etwas wahrhaft Gutes bewirkt werden können, wenn solche Fähigkeiten vorhanden seien. Rudolf Steiner konnte damals nur einen Entwicklungsweg skizzieren und war darauf angewiesen, dass zunächst eine Anzahl von Menschen sich findet, die auf diesem Weg die notwendige Reife entwickelt, um die großen sozialen Herausforderungen bewältigen zu können. Er wusste nur zu gut, dass jeder, der die soziale Frage durch äußere Initiativen lösen will, mit Notwendigkeit scheitern wird, wenn nicht zuvor eine solche Erkenntnis errungen wurde.