Zu ›CaRabA – #LebenohneSchule‹ von Joshua Conens
So also soll es aussehen und sich anfühlen, wenn die leidige deutsche Schulpflicht aus dem 19. Jahrhundert, die in unserer zopfigen Form nur in wenigen Ländern existiert, endlich ausgehebelt ist – nicht etwa durch Revolution oder Subversion, sondern durch das Bundesverfassungsgericht. Bei dem legt eine Schülerin eine Beschwerde ein und bekommt im Jahr 2020 recht. Sämtliche Schulen werden daraufhin mit Stumpf und Stiel abgerissen. Was übrig bleibt, ist eine wohltuend grüne Wiesenwüste. Auf der beginnt ›CaRabA – #LebenohneSchule‹ – nach den Worten seines Initiators Bertrand Stern ein Film, der die Frage nach der Schule überwunden haben will und Möglichkeiten für Menschen aufzeigt, sich frei zu bilden.
Rembrandt zum 350. Todestag
Zum 400. Geburtstag Rembrandts im Jahr 2006 hat der Verfasser zwei ausführliche Beiträge zu Rembrandts Leben und Werk in dieser Zeitschrift veröffentlicht. Das 350. Todesjahr ruft eher die Frage nach dem Weiterwirken des Lebensimpulses dieses Giganten der Malkunst wach.
Eine Spurensuche
Geht man auf die Suche nach den Rosenkreuzern in den Niederlanden des siebzehnten Jahrhunderts, dann trifft man zunächst auf eine Fülle von Hinweisen, von denen sich die wenigsten konkretisieren lassen. Eine gewisse Klarheit bringt die als Buch publizierte Dissertation von Govert Snoek: ›De Rozenkruisers in Nederland‹. Dieser hat mit unendlicher Geduld die entlegensten Ecken der Archive durchsucht, alte Nachlassverzeichnisse durchstöbert sowie Briefe und Biografien studiert, um die Fäden des verworrenen Gewebes zu ordnen.
Zu Rembrandts letztem Gemälde
»Nun entlässt du, o Gebieter, deinen Knecht in Frieden, wie du es verheißen. Denn meine Augen haben dein Heil gesehen.« (Lk 2,29-30) So lauten die Worte des alten Simeon, die er angesichts des Jesuskindes ausspricht, denn ihm wurde geweissagt, dass er erst sterben werde, wenn er Christus1 gesehen habe. Erlöst im Anblick des Erlösers darf er nun in Frieden aus dem Leben scheiden. Rembrandt malte dieses Erlösungsgeschehen, bevor er selbst – am 4. Oktober 1669 – in die geistige Welt einging. Das Gemälde soll auf seiner Staffelei gestanden haben, als er starb. Obwohl es eine Auftragsarbeit war, wirkt es wie eine Art Vermächtnis; nicht nur wegen des Motivs, sondern vor allem wegen der ganz eigenen anschaulichen Wirkungsgestalt des Bildes.
Zwei Ausstellungen im Museum Wiesbaden
Eine seltene Symbiose wird im Museum Wiesbaden dargeboten, das diese Zuschreibung bereits in seinem offiziellen Namen trägt: ›Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur‹. Im Sommer dieses Jahres wurde dort ein neuer Ausstellungsbereich eröffnet, der das Haus zu einem herausragenden Ort in der europäischen Museumslandschaft werden lässt. Er ist einer Schenkung des Wiesbadener Mäzens Ferdinand Wolfgang Neess gewidmet, der eine der bedeutendsten Privatsammlungen des Jugendstils und des Symbolismus zusammengetragen hat: mehr als 500 Objekte, darunter Möbel, Gemälde sowie Werke aus Glas, Porzellan und Keramik. Die Sammlung bietet einen Querschnitt durch alle Gattungen und stilistischen Positionen dieser Kunstrichtung, außerdem werden die Objekte in geografischer und thematischer Hinsicht miteinander in Bezug gesetzt. Die Ausstellungsräume im Südflügel wurden dafür zum Teil wie regelrechte Wohnungen eingerichtet. So ist ein Gesamtbild entstanden, das in dieser Form wohl einmalig ist. Als Besucher tritt man dadurch in eine Lebenswelt ein, wie sie befremdlicher nicht sein könnte.
Freies Geistesleben in der DDR – Teil I
Bei den Worten ›Aufmerksamkeit und Hingabe‹ mögen viele Leser an das gleichnamige Buch von Georg Kühlewind denken. Der Ausdruck ist aber auch schon fast ein Jahrhundert früher bei Rudolf Steiner zu finden. Er steht in seinem Buch ›Die Rätsel der Philosophie‹ als eine Art eitmotiv in dem abschließenden Kapitel ›Skizzenhaft dargestellter Ausblick auf eine Anthroposophie‹. Dieses Motiv sei nachfolgend in seinem Zusammenhang zitiert. Denn es ist auch zu einem Leitmotiv für unsere anthroposophische Arbeit in der DDR geworden, über die hier berichtet werden soll: »Wenn der Mensch denkt, so ist sein Bewußtsein auf die Gedanken gerichtet. Er will durch die Gedanken etwas vorstellen; er will im gewöhnlichen Sinne richtig denken. Man kann aber auch auf anderes seine Aufmerksamkeit richten. Man kann die Tätigkeit des Denkens als solche in das Geistesauge fassen. Man kann zum Beispiel einen Gedanken in den Mittelpunkt des Bewußtseins rücken, der sich auf nichts Äußeres bezieht, der wie ein Sinnbild gedacht ist, bei dem man ganz unberücksichtigt läßt, daß er etwas Äußeres abbildet. Man kann nun in dem Festhalten eines solchen Gedankens verharren. Man kann sich ganz einleben nur in das innere Tun der Seele, während man so verharrt.
Zu Rolf Henrich: ›Ausbruch aus der Vormundschaft. Erinnerungen‹*
Was da am 24. Februar 1944 im sächsischen Werdau begann, hätte eigentlich eine, wenn schon nicht typische, so doch im Wesentlichen konforme DDR-Biografie werden können, trotz des dunklen Flecks, der die familiäre Erinnerung belastete: der von einem alliierten Henker 1947 als Kriegsverbrecher hingerichtete Onkel. Der früh vaterlose Rolf Henrich durfte die Erweiterte Oberschule besuchen, blies im FDJ-Fanfarenzug und errang mehrmals Sportmedaillen. Aber da war eben auch (erste geistige Korrektur sozusagen) die so scheinbar aus der Zeit gefallene Lateinlehrerin, die seine tieferen Interessen mit Shakespeare, Seneca, Kant und Nietzsche förderte und ihn auf das Studium der Jurisprudenz lenkte – eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft.
Zur Ausstellung: ›Ich bin Ich – Paula Modersohn-Becker. Die Selbstbildnisse‹ im Paula Modersohn-Becker Museum zu Bremen
Ihr Blick lässt mich nicht los. Nach dem Besuch dieser Ausstellung stelle ich fest, dass mich ihre weiten Augen offenbar stark beeindruckt haben. Ihr Blick ist aber ganz unterschiedlich: mal neugierig fragend, mal selbstbewusst geradeaus und sogar stolz, oder wie hinter einer Maske verborgen. Zwischen Eindruck und Ausdruck, zwischen Selbstbefragung und Selbstgewissheit. Zum ersten Mal ist eine Ausstellung ausschließlich den Selbstbildnissen Paula Modersohn-Beckers (1876–1907) gewidmet. In elf intensiven Schaffensjahren hat sie die beachtliche Zahl von über 60 Selbstdarstellungen geschaffen, von denen jetzt alle verfügbaren in der Bremer Böttcherstraße ausgestellt werden, das sind rund 50 Gemälde, Zeichnungen und Monotypien. Hinzu kommen einige Fotodokumente. Erstmals kann so ihre biografische und künstlerische Entwicklung in einer Ausstellung an den Bildern ihrer selbst abgelesen werden – wobei sich gleich die Frage stellt, wie weit beides in Deckung ist, anders ausgedrückt: Wieviel Wahrheit enthalten diese Selbstdarstellungen?
Die Marienfenster im Dom zu Linköping
Zur Ausstellung ›Van Dyck‹ in der Alten Pinakothek in München
Zur Ausstellung ›Impressionismus – Meisterwerke aus der Sammlung Ordrupgaard‹ in der Hamburger Kunsthalle
Zur Ausstellung ›Van Gogh. Stillleben‹ im Museum Barberini Potsdam
Zur Ausstellung ›Moderne Jugend? Jungsein in den Franckeschen Stiftungen 1890–1933‹ in den Franckeschen Stiftungen in Halle a.d. Saale
Zum Film ›Becoming Animal‹ von Emma Davie und Peter Mettler
Sie ist lang, die Nacht in der Hütte des Bergregenwaldes – je nach Wolken über elf Stunden lang, viel länger jedenfalls, als ein Mensch zum Schlafen braucht. Und sie ist dunkel, dunkler, als es das Wort für gewöhnlich meint, wenn man vielleicht den unbeleuchteten Garten vom hellen Wohnzimmer aus betrachtet. Denn trätenwir da hinaus, könnten wir durch entfernte Straßenlaternen oder die nächtlich erleuchteten Nachbarfenster uns doch problemlos orientieren. Die Dunkelheit aber in den tropischen Wäldern ist total. Keine Stadt erleuchtet von ferne die Wolken. Selbst wenn der Mond senkrecht herunterscheint, verschlucken die Bäume fast alles Licht. Wegen der zu Hause vergessenen Taschenlampe vermag nur eine flackernde Kerzenflamme mühsam das Dunkel zu verdrängen und den Weg zur Schlafkammer zu erleuchten, um eine eventuelle Korallenschlange oder eineebenfalls hochgiftige Lanzenotter vom alten Laub unterscheiden zu können.
Zur zweiten Transhumanismus-Tagung der Sektion für Schöne Wissenschaften
Johannes Rudbeck (*1581 in Ormästa/Örebro – †1646 in Västerås)
Der Mälarsee verbindet Stockholm mit der 80 km entfernten, mehr als tausendjährigen Stadt Västerås. Mit einer schwedischen Reisegruppe besichtige ich die 1271 erbaute riesige Domkirche, deren Turmspitze 100 m hoch in den Himmel strebt. 1417 erhielt sie mit rotem und weißem Backstein ihr heutiges Aussehen. Der Innenraum wirkt intim. Besonders fallen das große Kruzifix auf, das schon 700 Jahre auf dem Lettner steht, der Sarkophag von König Erik XIV. (1533–1577) – einem Sohn Gustav I. Wasas, der von seinen Halbbrüdern Johann und Karl entmachtet wurde – und die drei farbigen Glasfenster der Künstlerin Randi Fisher (1920–1997) aus dem Jahr 1961 ›De tre stegen‹ (Die drei Stufen), deren Licht eine fast überirdische Stimmung hervorruft. Doch mahnt die Reiseleiterin zur Eile, und beim Heraustreten auf den Domvorplatz erst bemerke ich die Bronzeskulptur einer offenbar bedeutenden Persönlichkeit. Darunter steht der Name »Johannes Rudbeck«. Ein kleiner Engel auf seiner Schulter spricht zu ihm und weist auf die Sonne. Mit halbem Blick sehe ich noch die langgestreckten Gebäude hinter dem Dom und den Biskops gård, den Bischofshof. Der Bus wartet schon, und so bleibt nur die Frage: Was habe ich da eigentlich gesehen?
Zur Ausstellung ›Elementarteile‹ im Sprengel Museum Hannover
Was ist Kunst? Wie entsteht sie? Woraus besteht sie? Worauf bezieht sie sich? Wovon erzählt sie? – Diese Ausstellung wirft unzählige Fragen auf und gebiert mit jedem Versuch einer Antwort doch nur neue Fragen. Der Titel ›Elementarteile‹ allerdings könnte zu einer falschen Antwort verleiten – als ob Kunst aus der Summe der Teile erklärbar wäre. Das ist sie eben nicht. Es gehört vielmehr zu ihrem Wesen, dass künstlerische Werke als Ganzes wirken und sich nicht durch Zerpflücken erklären lassen.
Freies Geistesleben in der DDR – Teil II
Bückware. Wer in der DDR aufgewachsen ist, kennt diesen Begriff. Sie war nicht so leicht zu haben, oft eben nur unterm Ladentisch. Dass sich der damit angezeigte Mangel auch auf Bücher bezog, und nicht nur auf Bananen etc., verweist auf einen aus heutiger Sicht nachgerade beneidenswerten Bedarf der Bürger dieses Leselandes (wie es sich, übrigens nicht zu Unrecht, offiziell gern nannte). Die seit den 70er Jahren in regelmäßigen Abständen erscheinenden literarischen Tagebücher Hanns Cibulkas (1920–2004) gehörten zu dieser so begehrten Bückware. Ihre Titel verweisen meist auf ihre landschaftliche Bezogenheit, auf Rügen und Hiddensee sowie die thüringische Wahlheimat des in den Nachkriegswirren aus dem sudetischen Altvatergebirge Ausgesiedelten: ›Sanddornzeit‹, ›Dornburger Blätter‹, ›Seedorn‹, ›Swantow‹ ... Diese schmalen Büchlein haben auf eine stille und konsequente Weise vorbereiten geholfen, was heute mit Recht als friedliche Revolution gerühmt wird. Worin aber bestand die ganz besondere Brisanz dieser Bücher? Was war ihre Botschaft und wie war sie »verpackt«, damit sie im zensierten Buchmarkt der DDR überhaupt erscheinen konnte?
Das theosophische Fotoalbum Wilhelm von Hübbe-Schleidens
Fotoalben sind zumeist höchst persönliche Sammelstellen für Dokumente eines individuellen Lebensganges. Vom Reisebericht bis zur Familienchronik machen sie private – und oft auch mehr als nur private – Geschichte sichtbar. Das Rudolf Steiner Archiv beherbergt mehrere eigens angelegte Fotoalben mit thematischer oder personeller Orientierung, etwa solche mit historischen Aufnahmen vom Bau des ersten Goetheanums oder mit Bildern ehemaliger Mitarbeiter der Nachlassverwaltung. Ein ganz besonderes, schon als Objekt historisch wertvolles Exemplar ist ein 2009 an das Archiv gekommenes Fotoalbum aus dem Nachlass Wilhelm von Hübbe-Schleidens, einem der Pioniere der theosophischen Bewegung in Deutschland, das insgesamt über fünfzig Fotografien und Postkarten der bekanntesten Persönlichkeiten dieser Bewegung enthält, immer wieder mit handgeschriebenen Widmungen, etwa für den »lieben [theosophischen] Bruder« (dear brother) Hübbe-Schleiden versehen.
Zum 11. Forschungskolloquium Meditationswissenschaft am 9. November 2019 in Stuttgart
Am 9. November 2019 veranstaltete die Akanthos Akademie im Rudolf Steiner Haus in Stuttgart das 11. Forschungskolloquium Meditationswissenschaft zum Thema ›Von der Natur zur Geisterkenntnis – ein methodischer Vergleich zwischen Goetheanismus und Bildekräfteforschung‹. Durch die Beiträge von Laurens Bockemühl, Ulrike Wendt, Markus Buchmann und dem Verfasser sowie in Gesprächsgruppen und einer Podiumsdiskussion wurden etliche Gemeinsamkeiten, aber auch einige wesentliche Unterschiede zwischen diesen beiden Forschungsmethoden deutlich. Weitere Fragen zu diesem Thema wurden in einer intensiven Nachbesprechung aufgegriffen.
Ein Bekenntnis
Seit Jahrzehnten dasselbe Erlebnis: Ich schaffe es nicht, die sogenannte Willensübung durchzuführen. Warum? Weil mir das Gleiche widerfährt wie im Sportstudio auf Laufbändern, Fahrrädern oder anderen Ertüchtigungsgeräten. Ich leide am Stumpfsinn der Tätigkeit, sie langweilt mich in ihrer Routine. Über kurz oder lang fühle ich mich wie in einer Warteschleife, gebannt in einen sinnlosen, künstlichen Ablauf.
in zwei Bildern von Giotto di Bondone
»Das Was bedenke, mehr bedenke Wie« – dieses Motto aus Goethes ›Faust‹ kann auch für die Kunstbetrachtung gelten. Mit dem »Was« des Bildes, seiner gegenständlichen Ausdeutung, beschäftigt sich die Ikonografie und Ikonologie, die Erwin Panofsky (1892–1968) begründete. Doch muss jede Interpretationsmethode, welche die spezifische Gestaltung des Werkes außer Acht lässt, rein spekulativ bleiben. Ein Kunsthistoriker, der sein Augenmerk auf das »Wie« lenkte, war Max Imdahl (1925–1988). Die Ansätze von Panofsky und von Imdahl lassen sich an zwei Fresken erläutern, die Giotto zu Beginn des 14. Jahrhunderts schuf und die in der Scrovegni-Kapelle in Padua übereinander angeordnet sind: die ›Darbringung Jesu im Tempel‹ und die ›Gefangennahme Christi‹.
Ein Symposion zum 100-jährigen Bestehen der Eurythmieformen zum ›Traumlied des Olaf Åsteson‹
Es war 1910 anlässlich des in Oslo gehaltenen Vortragszyklus’ über die ›Mission einzelner Volksseelen‹, dass Rudolf Steiner durch die norwegische Schriftstellerin und Anthroposophin Ingeborg Möller-Lindholm vom ›Traumlied des Olaf Åsteson‹ erfuhr. Er ließ es sich von ihr aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen und übertrug diese Prosafassung dann anschließend in eine rhythmische Form. In mehreren Vorträgen zwischen 1911 und 1914 erläuterte Steiner den Mysteriengehalt und die Inhalte des ›Traumliedes‹ für die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft und schuf 1920 Eurythmieformen für das ›Traumlied‹, die in den Jahren 1921 bis 1922 insgesamt sechzehnmal von verschiedenen Ensembles zur Aufführung gebracht wurden.
Anmerkungen zum ›Museu Oscar Niemeyer‹ in Curitiba/Brasilien
Mitten im Häusermeer der Millionenstadt Curitiba in Südbrasilien erhebt sich das Oscar Niemeyer Museum, das im Volksmund »Olho« (= »Auge«) genannt wird, weil es wie die Pupille des menschlichen Auges auf seinen seitlichen Glasflächen Himmel, Wolken und umgebende Gebäude spiegelt. Die aus zwei geometrischen Baukörpern, dem Auge und dem Sockelbau, zusammengefügte gelbe Skulptur wirkt monumental. Vom Ausgang im oberen Sockelbereich windet sich eine Rampe über ein Wasserbecken hinweg nach unten auf den Museumsvorplatz. Der von dem Stararchitekten Oscar Niemeyer entworfene und 2002 eröffnete Museumskomplex birgt heute eine Gemälde- und Skulpturensammlung, die zu großen Teilen Kunstwerke südamerikanischer Provenienz umfasst, die andernorts, vor allem in Europa, so nicht bekannt sind, sich aber mit Ausstellungsstücken weltbekannter Museen messen können. Überhaupt ist es zunehmend das Kennzeichen zeitgenössischer Kunst, dass viele Installationen, Videoarbeiten, Skulpturen und Bilder eine globale künstlerische Sprache sprechen. So könnte auch das »Olho« an irgendeinem anderen Ort der Welt stehen. Die Polarisierung der Ost- und Westkunst, wie sie noch im figurativen und abstrakten Expressionismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Ausdruck kam, wurde inzwischen von vielfältigen künstlerischen Positionen überlagert und aufgelöst. Schließlich bürgt die bereits 1979 von Jean-François Lyotard angekündigte Postmoderne für das »Ende der großen Erzählungen«, an deren Stelle ein durch technische Medien vermitteltes Wissen getreten sei.
Zur Ausstellung ›Monet. Orte‹ im Museum Barberini Potsdam
›Monet. Orte‹ – hinter diesem Titel verbirgt sich eine der größten Monet-Ausstellungen, die es bislang in Deutschland zu sehen gab. Rund 110 Gemälde auf drei Etagen des Potsdamer Museum Barberini zeigen Orte in Frankreich, England, Holland und Italien, die Claude Monet (1840–1926), einen der Hauptmeister des Impressionismus, inspirierten und künstlerisch voranbrachten. »Sie ist die erste Ausstellung, die Monets künstlerischen Werdegang im Hinblick auf seine Ortswahl und sein Ortsbewusstsein in den Blick nimmt«, vermerkt die Pressemitteilung des Museums: »Wir zeigen, wie wichtig bestimmte Landschaften an den Wendepunkten seiner Karriere waren, und untersuchen, wie und warum diese Orte die Entwicklung seiner Malerei beeinflusst haben.«
Zur Ausstellung ›Fantastische Frauen‹ in der Frankfurter Schirn
Wäre ich unmittelbar nach dem Besuch der Ausstellung nach meinen Empfindungen gefragt worden, hätte ich es schwer gehabt, die richtigen Worte zu finden. Offenbar haben mich die vielen Bilder, die bei den Künstlerinnen aus dem Unterbewussten emporgestiegen sind und die vielleicht ein Tor zur geistigen Welt aufgestoßen haben, sehr berührt und auch bei mir selbst Unbewusstes aufscheinen lassen. Ich war verwirrt – nein, das trifft es nicht ganz, es klingt zu negativ. »Gefesselt« wäre richtiger, aber auch das könnte negativ, als einengend verstanden werden. Doch ist das Gegenteil der Fall: Wer sich darauf einlässt, in Ruhe die ausgebreitete Fülle der Bilder zu betrachten, mit Interesse im Sinne des inneren Dabeiseins, wer sich der Fantasie der Künstlerinnen und der eigenen öffnet, dabei ab und zu eine Pause zum Durchatmen einlegt – die oder der wird zwar angestrengt sein, aber dennoch ein Gefühl der Freiheit empfinden. Die ganze Ausstellung wirkt wie vom Atem der Freiheit durchweht.
Freies Geistesleben in der DDR – Teil III
Es mag ihn geben, den einsamen Denker, dem sich zuhause, alleine am Schreibtisch, das Wesen der Dinge erschließt. Aber häufig geschieht auch das, was Heinrich von Kleist in seinem Essay ›Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden‹ geschrieben hat: »Es liegt ein sonderbarer Quell der Begeisterung für denjenigen, der spricht, in einem menschlichen Antlitz, das ihm gegenübersteht; und ein Blick, der uns einen halbausgedrückten Gedanken schon als begriffen ankündigt, schenkt uns oft den Ausdruck für die ganze andere Hälfte desselben.« Oder, etwas weniger feierlich formuliert, Maxie Wander: »Das ist ja der Trick. Mit dir allein fällt dir meist gar nichts ein, und du versinkst in Trübsal. Guckt dir aber jemand offen ins Gesicht und zeigt auch noch Interesse, da klopft dein Puls auf einmal stärker und du entdeckst in dir Abgründe von nicht gelebtem Leben.«
Ein anthropologischer Gesichtspunkt zur gegenwärtigen Lage
Die nachhaltigen Einschnitte, von denen unser gesellschaftliches Leben seit Mitte März betroffen ist, werden derzeit noch mit sehr unterschiedlichen, teilweise betont drastischen Schlagworten belegt; wir wollen für diese kleine Auseinandersetzung das eher allgemeingültige und abstrakte Wort Krise gebrauchen, freilich nicht ohne den Verweis auf die weitsichtige Charakterisierung im Wörterbuch der Brüder Grimm: »die entscheidung in einem zustande, in dem altes und neues, krankheit und gesundheit u.ä. mit einander streiten«.
Am 19. Mai 2020 wäre die anthroposophische Ärztin und Schriftstellerin Lore Deggeller 100 Jahre alt geworden. Sie verstarb im hohen Alter am 8. Mai 2016.