Als sich im Jahre 1989 die Möglichkeit ergab, die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten zu erreichen, war für viele deutsche Politiker damit auch die moralische Aufgabe verbunden, ein neues, friedvolles Verhältnis zu den Staaten des ehemaligen Ostblocks einschließlich der Sowjetunion herzustellen. Die Gestaltung des »gemeinsamen Hauses Europa«, von dem Michail Gorbatschow damals sprach, wurde ihnen zum Herzensanliegen. Dabei war man sich bewusst, dass die Sowjetunion auf keinen Fall als Verlierer des Kalten Krieges behandelt werden durfte, sondern dass die Neuordnung der europäischen Verhältnisse für dieses Land, das im Zweiten Weltkrieg so viel Leid durch Deutschland erfahren hatte, ohne Gesichtsverlust möglich sein müsse. Insbesondere wollte man es wirtschaftlich stabilisieren, da dies als eine zentrale Grundlage für ein friedvolles Zusammenwirken betrachtet wurde. Es kam aber ganz anders als erhofft. Russland gilt heute in der öffentlichen Meinung als Unruhestifter, der völkerrechtswidrig die Krim annektiert hat, im Donbass verdeckte Kriegsführung gegen die Ukraine betreibt und jederzeit auch das Baltikum zurückerobern könnte. Und sein Präsident Wladimir Putin gilt als ein Machtpolitiker, der den Untergang der Sowjetunion bedauert und Russland seine alte Weltmachtstellung zurückgeben möchte.