Eine Sprache frei von Unterdrückung
Originelle Gesichtspunkte
Eigentlich hat dieses Heft nicht einen, sondern gleich mehrere Schwerpunkte, die wir mit ›Weltbuchhaltung und Akasha-Chronik‹ cum grano salis zusammengefasst haben. Da ist zunächst das Thema des Geldes. Hier entwirft Marc Desaules das Zukunftsbild einer sachgemäßen Entwicklung des Geldes als ›Erwachen zur Weltbuchhaltung‹, während der ehemalige Investment-Banker Christian Kreiß schlagend darlegt, weshalb eine solche Entwicklung dringend nötig ist, um verhängnisvolle soziale Verwerfungen zu vermeiden. Stephan Eisenhuts grundlegender Artikel ›Geldalterung und Kapitallenkung‹ erläutert anschließend Rudolf Steiners Beitrag zur Frage der Geldwertstabilität aus dessen ›Nationalökonomischen Kurs‹.
Was passiert, wenn Geld nicht altern kann
Unser gegenwärtiges Geldsystem verbirgt verschiedene Zahlungsströme, die gewissermaßen unterirdisch, unbewusst in unserem täglichen Wirtschaftsleben stattfinden. Der folgende Artikel zeigt einen Teil dieser Zahlungsströme auf, die – ob wir es wissen oder nicht, ob wir es wollen oder nicht – durch jeden Kaufvorgang ausgelöst werden und langfristig immer in Wirtschaftskrisen enden.
Im folgenden Artikelwird beschrieben, wie Geld und Buchhaltung in der Gegenwart immer mehr zusammenfallen und dadurch zu einem Wahrnehmungsorgan für das Wirtschaftsleben werden können. Dazu ist aber ein qualitatives Verständnis der zentralen Elemente der doppelten Buchhaltung notwendig. Wird erkannt, wie sich darin das Verhältnis von Ich und Welt spiegelt, so kann dies zu einer ganz neuen Form der Gewinnverwendung führen.
Rudolf Steiners Beitrag zur Geldwertstabilität
Der Wert des Geldes wird maßgeblich durch die Lenkung des Kapitals bestimmt. Das moderne Banksystem gestaltet die Kreditvergabe vollkommen unabhängig von der Mittelherkunft über Geldschöpfungsprozesse. Zudem wird gegenwärtig kein Unterschied gemacht, in welchem Sektor der Wirtschaft ein Gewinn erzielt wird. Investoren erzielen ihre Gewinne in der Landwirtschaft, der Automobilindustrie oder in der Rüstungsindustrie. Ihr Geld ist überall gleich viel wert. Das führt zur Chaotisierung des Wirtschaftslebens mit gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt. Rudolf Steiner zeigt im 12. Vortrag des ›Nationalökonomischen Kurses‹ einen Weg, wie auf eine Stabilisierung des Wirtschaftslebens hingearbeitet werden kann, wenn dem Geld eine Lebensdauer gegeben wird.
Aus der Akasha-Chronik erzählen
Der Ausdruck »Akasha-Chronik« (engl. akashic records) erscheint bei Rudolf Steiner als terminologischer Import aus der anglo-indischen Theosophie des 19. Jahrhunderts im Sinne eines überpersönlichen Weltgedächtnisses, als »das Geistig-Bleibende des Weltgeschehens«. Die geläufige Bezeichnung für den Zugang zu diesem Gedächtnis lautet »Lesen in der Akasha-Chronik«. Der Ausdruck selbst und das entsprechende »Lesen« werden von Steiner nicht systematisch begrifflich entwickelt, und oft ist dies »Lesen« mit anderen Weisen der spirituellen Erkenntnis austauschbar und wird auch schon einmal »Lesen im Chaos« genannt. In seinen Vorträgen erzählte Steiner vielfach darüber, im schriftlichen Werk taucht der Ausdruck zentral nur in der frühen Aufsatzreihe ›Aus der Akasha-Chronik‹ (1904 bis 1908) auf, in der ›Geheimwissenschaft im Umriss‹ (1910) wird er lediglich noch beiläufig – und dies nur in Anführungsstrichen – erwähnt. Da diese Aufsatzreihe von der Darstellungsweise her die erzählerischste Schrift Steiners ist, liegt es nahe, sie unter dem Gesichtspunkt der Narrativität auch eigens zu betrachten. Als Rezipienten seiner Schriften sind wir überdies nicht eigentlich Zeugen seines Zugangs zur Akasha-Chronik. Vielmehr sind es seine Mitteilungen, ist es sein Erzählen, sind es die »Ausdrucksformen«, wovon wir Kenntnis nehmen, weshalb es naheliegt, weniger von einem Lesen, als vielmehr von einem »Erzählen aus (oder von) der Akasha-Chronik« zu sprechen.
Zu Rudolf Steiner: ›Schriften zur Anthropogenese und Kosmogonie‹, Schriften, Kritische Ausgabe (SKA) Band 8,1-2, hrsg. von Christian Clement
Mit den vorliegenden beiden Bänden 8,1-2 der SKA hat Christian Clement neben der Aufsatzreihe ›Aus der Akasha-Chronik‹ Steiners zentrales Hauptwerk ›Die Geheimwissenschaft im Umriß‹ in der nunmehr bewährten Art kritisch bearbeitet und kommentiert herausgegeben. Zur Bearbeitung der Texte gehört – wie auch in den bereits erschienenen Bänden, den ›Philosophischen Schriften‹ (SKA 2), den ›Schriften über Mystik, Mysterienwesen und Religionsgeschichte‹ (SKA 5), den ›Schriften zur Anthropologie‹ (SKA 6) und den ›Schriften zur Erkenntnisschulung‹ (SKA 7) – vor allem die Sichtbarmachung der Textgenese durch alle zu Lebzeiten Steiners erschienenen Auflagen der betreffenden Schriften hindurch. Die Kommentierung versucht vor allem den historischen Kontext von Steiners Werk aufzuzeigen und außerdem durch Stellenkommentare auf einzelne werkimmanente Aspekte hinzuweisen.
Martina Maria Sams Studie zur Kindheit und Jugend Rudolf Steiners
Der doppelte Zeitenstrom erschließt sich nicht zuletzt durch das Rückblicken auf das eigene Leben – in der Erkenntnis, wie das, was mir geschehen ist, nicht einfach eine Summe ausmacht, die mich geprägt hat, sondern seine Erfüllung erst im Hier und Jetzt findet. Mir kommt in den Schicksalsereignissen stets meine eigene Zukunft entgegen. Martina Maria Sam schreibt in ihrer Monografie über die Kindheit und Jugend Rudolf Steiners in Bezug auf die Fichte-Studien des achtzehnjährigen Jünglings, auf welche dieser mit dem vorangestellten Zitat 1907 zurückblickt: »Es war ihm aufgefallen, dass das Ich ›jener Brennpunkt‹ sei, ›welchen zu ergreifen unmöglich ist, da er immer nach rückwärts entschlüpft, wenn wir ihn ins Auge fassen wollen‹. Dieses ›rückwärts entschlüpfende‹ Ich nennt er das ›reine Ich‹ im Gegensatz zum Alltags-Ich. – Im Zusammenhang mit Überlegungen über die Natur des ›reinen Ich‹ kam er also erstmals auf die Idee eines rückwärts verlaufenden Stroms.« (zitiert S. 232)
Ingolf Lindel im Gespräch mit Benedikt Zweifel und Severin Fraser
Zur neuen Spielzeit des Stuttgarter Else-Klink Ensembles ist die Leitung der Eurythmeum-Bühne von Benedikt Zweifel auf Severin Fraser übergegangen. Ingolf Lindel traf beide zu einem Gespräch über die Vergangenheit, gegenwärtige Aufgaben und künftige Herausforderungen.
Eurythmie als ein Weg zu einem erweiterten Sprach- und Lautverständnis
Nach Jahren der toneurythmischen Dominanz auf der Bühne wächst derzeit wieder ein neues Interesse an der Sprache in der Eurythmie: Rechtzeitig zur Dornacher Eurythmietagung ›Sprach-Bewegung‹ zu Ostern 2018 (mit über 700 Teilnehmern aus über 40 Ländern) waren zwei neue Bücher zum Thema erschienen. Beide suchen und finden ihr Material in der Vergangenheit, in der Entstehungszeit der Eurythmie – es entwickeln sich daraus aber erstaunlich moderne und zeitgemäße Perspektiven für den Umgang mit eurythmischen Angaben.
Eine Midsommar-Reise
In Schweden sind die meisten Fahrten weit. Von Helsingborg nach Stockholm sind es allein schon 500 km, nach Falun noch etliche mehr, aber da ist man noch lange nicht in Nordschweden, sondern erst in der Hauptstadt der schwedischen Provinz Dalarna. »Dalarna« heißt übrigens nichts weiter als »Täler«. Ich war auf einer Reisebüro-Reise nach Falun, von wo aus die Häuser der bekannten Maler Anders Zorn in Mora und das von Carl Larsson in Sundborn besucht werden sollten. Am meisten freute ich mich auf die Teilnahme an einem echt schwedischen Midsommarfest, wie man es heute noch am schönsten in Dalarna feiern kann.
Zur Ausstellung ›Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht‹ im Frankfurter Städel Museum
Sie gehört zu der sogenannten verschollenen Generation der Künstler aus der Zeit der Weimarer Republik: Lotte Laserstein, deren Werk das Frankfurter Städel Museum nun in einer umfassenden Einzelausstellung präsentiert. Es ist mehr als eine Wiederentdeckung, was die Frankfurter Schau ermöglicht – man könnte es eine künstlerische Rehabilitation nennen.
Zur Ausstellung ›Paula Becker & Otto Modersohn. Kunst und Leben‹ im Paula Modersohn-Becker Museum zu Bremen
Schützenfest in Worpswede, mit einem Karussell im Mittelpunkt. Aus der Ferne schon sind die Musik und das Gelächter der Menschen zu hören, in der Abenddämmerung ist das Karussell von weitem als warmer Lichtpunkt vor dunklen Bäumen sichtbar. Wer näher herangeht oder sich gar in den Trubel stürzt, erlebt das Fest ganz anders, das Karussell mit den vergnügten Menschen auf den sich drehenden Pferden rückt in den Vordergrund. Distanz oder Nähe: Paula und Otto Modersohn haben 1904 in ihren Gemälden unterschiedliche Sichtweisen eingenommen, um die Stimmung des Schützenfestes zum Ausdruck zu bringen. ›Schützenfest mit Karussell in Worpswede‹ (Abb. 1) von Otto Modersohn ist im Grunde ein Landschaftsbild mit Karussell; in Paula Modersohn-Beckers ›Schützenfest mit Karussell II‹ (Abb. 2) füllt das Karussell fast zwei Drittel des Bildes aus, die Landschaftselemente treten in den Hintergrund. »In der Grundanschauung verwandt – kunstdurchglühtes Leben –, in den Äußerungen verschieden. Sonst [wäre es] langweilig« – so hat Otto Modersohn in einer Tagebuchnotiz ihre künstlerischen Positionen gekennzeichnet (8. Dezember 1900). Immer wieder haben die beiden seit Mai 1901 verheirateten Partner sich dasselbe Motiv vorgenommen. Beispielsweise sind sie beide zum nahegelegenen Armenhaus gegangen und haben die alte Anna Schröder porträtiert, die wegen ihres Gehstocks »Dreebeen« genannt wurde. So können in dieser Ausstellung mehrfach Bilder der beiden Künstler, die demselben Motiv gewidmet sind, miteinander verglichen werden
Mariano Pensottis ›Diamante‹ auf der Ruhrtriennale 2018 in Duisburg
Ruhrtriennale 2018. In der riesigen, 170 Meter langen Halle der früheren Kraftzentrale des einstigen Hüttenwerks in Duisburg-Meiderich wird ›Diamante. Die Geschichte einer Free Private City‹ uraufgeführt. Wir wollten eigentlich nicht hingehen. Zu überspannt schien uns das, was im Programmheft der Ruhrtriennale darüber zu lesen war: Das Stück sei ein sechsstündiger »Parcours« durch den Nachbau dieser fiktiven utopischen Stadt im argentinischen Urwald, ein »bizarres Dschungel-SiliconValley«, geschrieben und inszeniert von dem argentinischen Schriftsteller, Filmregisseur und Theatermacher Mariano Pensotti.
Zu Ulrich Meier (Hrsg.): ›Ethik des Anleitens‹
Ulrich Meier, der das Hamburger Priesterseminar der Christengemeinschaft leitet, hat ein Buch herausgegeben, das vom Anleiten handelt. Es versammelt vier Beiträge – von dem Organisationsberater Adriaan Bekman, dem Unternehmer Erich Colsman, der Prozessbegleiterin Jutta Hodapp und Meier selbst –, die das Ideal einer Führung von Menschen und Gemeinschaften verbindet, »das sich auf die Liebe zum Individuum und das Vertrauen in das Potential von Zusammenarbeit gründet«.
Zur Internationalen Jahreskonferenz ›Living Light – Licht wirkt‹ der Medizinischen Sektion am Goetheanum
Will man heute erleben, was die Anthroposophie zu sagen hat und bewirken kann, dann besuche man eine der großen internationalen Tagungen der verschiedenen Sektionen der Freien Hochschule am Goetheanum. Wie auch schon auf der Tagung der Eurythmisten und Sprachgestalter zu Ostern, wurde auf dieser Jahreskonferenz der Medizinischen Sektion ganz deutlich, dass die Anthroposophie heute vor allem durch die Lebensfelder in der Welt wirksam ist. Etwa 800 Ärzte, Therapeuten, Pflegende und am Thema Interessierte aus etwa 30 Nationen hatten sich vom 13. bis 16. September 2018 am Goetheanum versammelt, um nach der Wärme, die im letzten Jahr Thema war, sich dem Licht und seinen Wirkungen zuzuwenden.
Der Goetheanumbau – eine Feuerprobe?
Kann das Nichtseiende uns strafen?
Ein Weg zur Welt durch Selbstbildung
Der freie Mensch als Sinn und Ziel der Erdenentwicklung steht im Mittelpunkt dieses Heftes. Dabei folgen wir zunächst einer höchst interessanten Spur ins Moskauer Darwin-Museum, dessen Begründer Alexander Kohts stark von Goethe und Rudolf Steiner beeinflusst war. Die von ihm vertretene, durchaus spirituelle Auffassung der Evolution kommt in einem Triptychon des bedeutenden Tiermalers Wassilij Watagin zum Ausdruck, dessen Bewandtnisse Antonina Nefedowa in einem von Christoph Hueck eingeleiteten Aufsatz beschreibt.
Eine (nicht nur) politische Betrachtung zur Jahreswende
Es ist jetzt sechs Jahre her, dass Siegfried Woitinas (1930–2014) seinen letzten Leitartikel für das Programmheft des von ihm mitbegründeten Forum 3 in Stuttgart verfasste, der den aufrüttelnden Titel ›Zeit der Entscheidung‹ trug. Obwohl ich diesen Essay damals – ich arbeitete selbst im Forum 3 und konnte mich mit Siegfried unmittelbar austauschen – durchaus mit eigenen Beobachtungen in Verbindung zu bringen vermochte, hatte ich keine Ahnung, als wie prophetisch er sich noch erweisen sollte. Das hatte auch damit zu tun, dass die weltpolitische Lage zu jener Zeit vergleichsweise idyllisch wirkte: Barack Obama war gerade wiedergewählt worden, Angela Merkels zweite Legislaturperiode neigte sich ihrem einschläfernden Ende zu, im Elysée-Palast residierte ein farbloser Sozialdemokrat namens François Hollande und in der Downing Street führte mit David Cameron ein europafreundlicher Konservativer die Geschäfte. Auch Wladimir Putin hatte soeben eine weitere Amtszeit als Präsident angetreten, doch mit der Krim verband man damals allgemein nicht mehr als Sekt.
Notizen einer Krakau-Reise
Besuch der Wawel-Kathedrale; der Wawel-Hügel war schon vor Jahrtausenden besiedelt, das Schloss in langen Jahrhunderten polnischer Geschichte Königssitz, später nur noch Krönungsort. Wir betreten die Kathedrale durch das Haupttor; der prunkvolle silberne Sarg des Stanisław von Krakau (11. Jahrhundert) zieht den Blick auf sich, mehr noch: blockiert die Aussicht durch das Kirchenschiff zum eigentlichen Zielort, dem Altar … Eine Chronik aus dem 12. Jahrhundert berichtet, der Bischof Stanisław habe den seinerzeit herrschenden König Bolesław II. des Ehebruchs geziehen, dieser habe freilich alle Ermahnungen ignoriert und im Gegenzug kirchliche Besitzungen beschlagnahmt. Daraufhin habe Stanisław ihn von der Kommunion ausgeschlossen, wodurch der Streit eskaliert sei; Bolesław II. habe das Todesurteil über den Bischof verhängt und schließlich sogar persönlich vollzogen, indem er während einer Messe erschienen sei und den Bischof am Altar hingerichtet habe.
Renate Riemeck und das passive Wahlrecht
Am 12. November 1918 rief der Rat der Volksbeauftragten das Wahlrecht für Frauen in Deutschland aus. Der Zusammenbruch des Kaiserreichs am Ende des Ersten Weltkriegs und die Novemberrevolution machten es möglich. Am 30. November 1918 wurde das neue Wahlrecht mit einer Verordnung gesetzlich fixiert. Bereits am 19. Januar 1919 konnten Frauen die Deutsche Nationalversammlung mitwählen, was über 90% wahrnahmen. 37 Frauen erhielten einen Sitz im Parlament. Aber die von den Feministinnen erhoffte Gewichtsverlagerung zugunsten jener Parteien, die für die Gleichberechtigung der Frau eintraten, blieb aus: Das Wahlverhalten der Frauen war überwiegend gemäßigt bis konservativ ausgerichtet. Die Machtverteilung blieb beim Alten.
Das Moskauer Darwin-Museum, Goethe und die Anthroposophie
Manchmal kann man darüber verzweifeln, wie wenig sich Naturforscher für Goethes und Rudolf Steiners Ideen zur Erneuerung der organischen Wissenschaft interessieren. Das kann wohl gegenwärtig noch nicht anders sein. Umso größer ist die Freude, wenn man einmal auf solches Interesse stößt – selbst dann, wenn es nur historisch ist. In dem hier zu beschreibenden Fall handelt es sich um eine frühe Verbindung zwischen Darwinismus, Goetheanismus und Anthroposophie.
Der Einfluss anthroposophischer Ideen auf das Triptychon von Wassilij Watagin: ›Die Evolution der Weltanschauungen‹
Wassilij Alexejewitsch Watagin (1884–1969) ist in erster Linie als Begründer der zeitgenössischen russischen Tiermalerei bekannt. Das künstlerische Erbe des Meisters ist sehr vielfältig: Er war als Bildhauer, Grafiker und Maler tätig, schuf Illustrationen zu Büchern und monumentale Skulpturen. Zu Recht gilt er als einer der Mitbegründer des Staatlichen Darwin-Museums (Gosudarstwennyj Darwinowskij musej = GDM), wo er 45 Jahre lang arbeitete – von 1908 bis 1953. Mit dem ersten Direktor des Museums, Alexander Fjodorowitsch Kohts (1880–1964), war er seit der Schulzeit im Gymnasium bekannt. Aus dieser Bekanntschaft der Kinderzeit erwuchsen eine langjährige Freundschaft und Jahre fruchtbarer Zusammenarbeit, dank derer eine einzigartige Kollektion von Kunstwerken geschaffen wurde. Aktuell bewahrt der Fond des GDM 158 Skulpturen, 372 Gemälde und 136 Grafiken von Watagin. Das Darwin-Museum verfügt also über eine stattliche Sammlung der Werke des Meisters. Neben den Tierdarstellungen Watagins befindet sich in der Kollektion ein Triptychon mit dem Titel ›Die Evolution der Weltanschauungen‹, das aus der naturwissenschaftlichen Ausrichtung des übrigen Werks herausfällt.