Artikel von Raphael Kleimann
Impressionen von den ›Sommerwochen spirituelle Ökologie‹ 2019 in Russland
Ikonen seien Fenster zu einer anderen Wirklichkeit, heißt es. Als Bausteine einer Ikonostase verbinden sie die Gefühle der Gläubigen im Kirchenraum mit dem Mysteriengeschehen hinter der Altarwand. Einzelnen, herausgehobenen Ikonen darf man auch seine Ehrerbietung mit einer Verneigung und einem Kuss erweisen, um sich mit der Präsenz des Heiligen zu verbinden. So vermitteln die Ikonen das Erlebnis der Durchsichtigkeit (Diaphanie) für das Geistgebiet. Sie sind Fenster zur Wirklichkeit der werdenden Christussubstanz.
Russische Oster-Impressionen
Ein Grundklang in der russischen Seele ist der Reflex gegen die Invasoren aus dem Westen, genährt von traumatischen Erlebnissen der letzten zwei Jahrhunderte. In diesem Jahr fiel das orthodoxe Osterfest (19. April) in die Zeit des Lockdown. Das unsichtbare, scheinbar allgegenwärtige Virus macht nicht Halt vor dem, was das russische Volk immer wieder am Abgrund hat aushalten lassen: der Zusammenhalt in der Opferkraft und die johanneische Spiritualität der Ostkirche. Der folgende Beitrag stellt Eindrücke vom russischen Osterfest in einen größeren historischen Zusammenhang.
Ein paar Thesen vorweg: Die Erde ruft heute nach einem bewussten Dialog mit ihren Bewohnern. Die Zeit ist reif für eine spirituelle Ökologie – eine Ökologie der Wahrhaftigkeit (im Zeitalter medialer Manipulation) und des Gewahrseins (im Zeitalter virtueller »Realitäten«). Sie soll konkret und persönlich sein, erwachsend aus einer »Ökologie der Sinneswahrnehmungen«, einem Erfassen des Wechselspiels zwischen Kräften und Wesen. Den Resonanzboden hierfür schaffen wir durch die seelische Beobachtung der Natur, d.h. durch Aufmerksamkeitsschulung im Inneren und am Äußeren. Dies übt man überall da, wo es (Jahres-)Zeit gibt: Sie öffnet sich dadurch zum Raum. Ein ideales Feld für diese Kunst bietet uns die elementarkräftige norwegische Natur mit ihrer menschenbezogenen Lichtoffenheit.