Artikel von Karsten Massei
Gedanken zur geistigen Forschung
Solche Ereignisse, wie wir sie jetzt erleben, welche die Welt und jeden Einzelnen in einer Weise in Atem halten, derer er sich kaum zu erwehren weiß, ist ein Hinweis darauf, dass sich im Innern der menschlichen Seele bedeutungsvolle Entwicklungen vollziehen. Eine zunehmende Dramatik im äußeren, gesellschaftlichen und politischen Leben weist immer auf innere Dramen hin, die nur weniger offensichtlich sind, weil sie sich im geheimen Licht der Seele ereignen. Dieser Zusammenhang zwischen den Ereignissen der inneren, seelischen Welt und der äußeren wird dadurch verschleiert, dass die Trennung, die wir zwischen innerem und äußerem Leben ziehen, eine künstliche ist, die aber mit großer Schärfe gezogen ist. Das menschliche Subjekt wird so betrachtet, als hätten seine inneren Erlebnisse, seine Motive, Gefühle und Gedanken keine konkrete Wirkung auf die äußeren sozialen Lebenszusammenhänge; das ist aber eine Einengung und Missachtung der seelisch-geistigen Wirkungen, die von jeder Individualität ausgehen.
Mit dem Wissen und den Kenntnissen, die wir uns erworben haben, ist es so eine Sache. Was wir erlebt, erfahren, gehört und gelesen haben, ist ein wesentliches Fundament unserer Identität. Es stellt eine verlässliche Größe dar. Wir können uns darauf berufen, abstützen und fühlen uns darin gegründet. Das Stoßende ist nun, dass sich erworbenes Wissen als ein Störenfried erweist, sobald wir uns der wesenhaften, der übersinnlichen Erfahrung hingeben. Jeder kennt den hemmenden Einfluss erworbenen Wissens auf wesenhafte Erfahrungen und Einsichten. Sobald sich dasjenige, was man schon weiß, hervortut, wird jede tiefere und übersinnliche Erkenntnis überschattet. Das liegt offenbar daran, dass sich unser Wissen auf etwas bezieht, das bereits vergangen ist. Wissen beruht auf vergangenen Erfahrungen. Wesenhaften Erkenntnissen ist aber Unmittelbarkeit eigen. Sie ereignen sich jenseits der Zeit. In ihnen ist Zeit überwunden. Unmittelbarkeit heißt, dass die Unterschiede zwischen mir und dem anderen Wesen schwinden. Ich löse mich in das andere Wesen auf und umgekehrt. Vergangenes hat da nichts zu suchen. Das soll nicht heißen, dass das bereits Gewusste in einem späteren Schritt nicht hinzutritt. Zu früh darf es sich aber nicht einmischen, weil sonst die Unmittelbarkeit der Wesenswahrnehmung beeinträchtigt wird.