Artikel von Ronald Richter
Blumen von der Himmelswiese
Die Frage nach dem Sinn der Erde
Zu ›Lebenslang für die Wahrheit‹ von Can Dündar
Hier schreibt einer, angetrieben durch einen unbestechlichen Gerechtigkeitswillen, einen Gerechtigkeitsmut, wie ihn die meisten von uns vielleicht nur sehr jung an sich selbst erfahren. Doch außergewöhnliche Zeiten und Umstände schaffen außergewöhnliche Menschen, wobei die Anforderungen an den Mut exponentiell steigen. Can Dündar selbst hatte sich immer als vorsichtigen Menschen angesehen, bis er beschloss, dem »Imperium der Angst« und der Unterdrückung in der Türkei auch im Gefängnis die Stirn zu bieten.
Ein Theaterprojekt mit Geflüchteten im Berliner Theater im Delphi
Wir treten ein in den dicht gefüllten Zuschauerraum, klemmen uns hinter einen der Tische. Im Hintergrund – gegenüber von Bühne und Leinwand – liegt die Bar. Das klingt nach Luxuskino und tatsächlich ist dies ein früher 870 Plätze fassender Kinosaal, das ›Ehemalige Stummfilmkino Delphi‹ in Berlin-Weissensee – jenem Bezirk, der seit der gleichnamigen Fernsehserie deutschlandweit bekannt ist.
Ein Theaterprojekt mit Geflüchteten in der Berliner Ufa-Fabrik
Heimat – gibt es die noch? Was ist Heimat? »Das Thema Heimat geht uns alle an«, lesen wir in der Ankündigung zum Stück: »Die einen verlieren sie durch Flucht und Krieg, die anderen durch Entfremdung und Beschleunigung in einer globalisierten Welt.« Im Varieté-Salon der Berliner Ufafabrik erleben wir in dem Theaterprojekt ›Deine Heimat. Meine Heimat‹ jene, die ihre Heimat durch Flucht und Krieg verloren haben. Sie erinnern sich noch ganz unmittelbar, an früher wohl einfach hingenommene Qualitäten, die erst im Verlust den süßen Geschmack der Herkunft entfalten.»Ich vermisse im Schatten unter dem Feigenbaum zu sitzen.« – »Meine Heimat ist die Weinlaube. Die Heimat sind die Steine.« – »Ich vermisse den Sommer, die Wärme, dass alles braun ist.« – »Ich verspreche, dass ich mein Heimatland nie vergesse, ich werde immer über es schreiben!«
Zu ›CaRabA – #LebenohneSchule‹ von Joshua Conens
So also soll es aussehen und sich anfühlen, wenn die leidige deutsche Schulpflicht aus dem 19. Jahrhundert, die in unserer zopfigen Form nur in wenigen Ländern existiert, endlich ausgehebelt ist – nicht etwa durch Revolution oder Subversion, sondern durch das Bundesverfassungsgericht. Bei dem legt eine Schülerin eine Beschwerde ein und bekommt im Jahr 2020 recht. Sämtliche Schulen werden daraufhin mit Stumpf und Stiel abgerissen. Was übrig bleibt, ist eine wohltuend grüne Wiesenwüste. Auf der beginnt ›CaRabA – #LebenohneSchule‹ – nach den Worten seines Initiators Bertrand Stern ein Film, der die Frage nach der Schule überwunden haben will und Möglichkeiten für Menschen aufzeigt, sich frei zu bilden.