Artikel von Johannes Roth
Zu Michael Debus: ›Das Rätsel der Trinität‹
Es gibt eine jahrhundertealte schematische Darstellung der göttlichen Dreieinigkeit, in welcher sich in der Mitte Gott befindet und um ihn herum in einem gleichseitigen Dreieck angeordnet Vater, Sohn und Geist. Alle drei sind auf die beiden jeweiligen »Nachbarn« in der Darstellung bezogen durch die Worte »ist nicht« – und auf Gott in der Mitte bezogen durch das Wort »ist«. – Diese Darstellung veranschaulicht die Schwierigkeit, die sich auftut, wenn man sich dem Problem der Trinität definitorisch mit den Kategorien »Sein« und »Nicht-Sein« nähern will: Klare und abgrenzende Aussagen sind wohl möglich, werden aber letztlich allzuschnell Selbstzweck und damit inhaltsleer. – So erschöpft sich vieles, was in neuerer Zeit zu diesem Thema veröffentlicht worden ist, entweder in Abstraktionen oder in Analogien. Und wer es unternimmt, Neues dazu vorbringen zu wollen, steht zunächst vor der Frage, welches die angemessene Kategorie, welches die angemessene Forschungsmethode sei.
Zu Wolf-Ulrich Klünker: ›Alanus ab Insulis‹
»[E]s ist ein groß Ergetzen, / Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen; / Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht, / Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht.« So charakterisiert Fausts Famulus Wagner die Beschäftigung mit alten Schriften als eine Art Selbstzweck - und die skeptische Antwort seines Meisters ist hinlänglich bekannt ... Es ist schwerlich ein Verkaufserfolg zu erwarten, wenn man heutzutage eine vor 30 Jahren erstmals erschienene Studie über einen wenig bekannten Philosophen und Theologen des 12. Jahrhunderts neu herausgibt: Alanus ab Insulis. Umso mehr ist dem Verlag Freies Geistesleben für diesen Schritt zu danken, der durch das Jubiläum der Alanus-Hochschule im vergangenen Jahr veranlasst wurde.
Notizen einer Krakau-Reise
Besuch der Wawel-Kathedrale; der Wawel-Hügel war schon vor Jahrtausenden besiedelt, das Schloss in langen Jahrhunderten polnischer Geschichte Königssitz, später nur noch Krönungsort. Wir betreten die Kathedrale durch das Haupttor; der prunkvolle silberne Sarg des Stanisław von Krakau (11. Jahrhundert) zieht den Blick auf sich, mehr noch: blockiert die Aussicht durch das Kirchenschiff zum eigentlichen Zielort, dem Altar … Eine Chronik aus dem 12. Jahrhundert berichtet, der Bischof Stanisław habe den seinerzeit herrschenden König Bolesław II. des Ehebruchs geziehen, dieser habe freilich alle Ermahnungen ignoriert und im Gegenzug kirchliche Besitzungen beschlagnahmt. Daraufhin habe Stanisław ihn von der Kommunion ausgeschlossen, wodurch der Streit eskaliert sei; Bolesław II. habe das Todesurteil über den Bischof verhängt und schließlich sogar persönlich vollzogen, indem er während einer Messe erschienen sei und den Bischof am Altar hingerichtet habe.
Neues von und zu Jürgen Habermas
Am 18. Juni begeht der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas seinen 95. Geburtstag. Ihm, der seit rund sieben Jahrzehnten Umgang mit Medien aller Art hat, wird sehr wohl bewusst sein, dass viele Redaktionen längst Nachrufe für ihn in Vorbereitung haben werden … Was für ein Lebensgefühl mag das für diesen Menschen sein?
Zu Frank Hörtreiter: ›Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus‹
Zu einer Selbstbesinnung, wie sie einer Unternehmung wie der Christengemeinschaft angesichts ihres bevorstehenden 100. Gründungstages verstärkt ein Anliegen sein kann, gehört unbedingt eine nüchterne und schonungslose Auseinandersetzung mit früheren Epochen, die sich naturgemäß mit Abstand und sicherer Quellenlage gründlich und umsichtig aufarbeiten lassen. So liegt seit wenigen Wochen die Studie ›Die Christengemeinschaft im Nationalsozialismus‹ von Frank Hörtreiter vor.
Das Verschwinden als Motiv
Endlich wieder erhältlich
Zur bayerisch-tschechischen Landesausstellung 2016/17 über Karl IV.
Die große bayerisch-tschechische Landesausstellung, die am 15. Mai pünktlich zum 700. Geburtstag Karls IV. in Prag eröffnet wurde und nun bis zum 5. März 2017 in Nürnberg zu sehen ist, wird mit sparsamen Worten angekündigt: »1316 | *700 | 2016 | Karl IV. | Prag/Nürnberg«. Wer auf der Autobahn zwischen diesen Städten unterwegs ist, wird immer wieder auf die ›Via Carolina‹ hingewiesen, welche die enge Verbindung beider Orte im Leben und Wirken dieses spätmittelalterlichen Herrschers symbolisiert. Indessen wird gerade im Vergleich dieser Orte ein großer Unterschied deutlich, denn wer durch Prag geht, wird vielfach – und nicht nur an den einschlägigen tourist spots – mit dem bedeutenden Kaiser konfrontiert; doch einer wie geringen Zahl von Menschen bei uns in Deutschland ist Karl IV. geläufig! Am Ende der Ausstellung wird das sogar thematisiert: Ganz unterschiedliche Narrative sind hierzulande und in Tschechien mit seiner Person verbunden. Wäre es nicht – wenn es doch das Ziel sein muss, viele Menschen zu erreichen – sinnvoll gewesen, sich von vornherein etwas mehr Gedanken über eine angemessene, ja volkspädagogische Präsentation zu machen?
Andere Muskeln trainieren
Was folgt aus der modernen Physik – und was nicht?
Ein Weg zur Welt durch Selbstbildung
Aus dem Umkreis der Christengemeinschafts-Gründung
Die dicht gedrängte Folge von Hundertjahrfeiern einiger bedeutender Gründungen, welche durch die Anthroposophie Rudolf Steiners ermöglicht worden sind, schärft den Blick für allfällige Gefahren, denen man als Beteiligter ausgesetzt ist.
Zu Rudolf Steiner: ›Wege zur Erkenntnis der ewigen Kräfte der Menschenseele‹ (GA 70b)
Ein neuer, sehr umfangreicher Band in der Gesamtausgabe Rudolf Steiners ist erschienen, der 17 öffentliche Vorträge enthält, die während des Ersten Weltkriegs zwischen November 1915 und März 1916 in insgesamt zehn verschiedenen Städten in Deutschland und der Schweiz gehalten wurden. Diese Vorträge waren bislang nur vereinzelt in verschiedenen Zeitschriften und Büchern zu finden.
Nützliche Irrtümer – und »schädliche« Wahrheiten
In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Anlass, Fragen der Wahrhaftigkeit und der Glaubwürdigkeit zu erwägen; längst ist die Methode des »Fakten-Checks« in aller Munde. In einigen Fällen sind die Widersprüche augenfällig, in anderen Fällen kommt man erst durch Nachsinnen darauf, wo sich hinter zunächst harmlos anmutenden Formulierungen schwerwiegende Fehlleistungen verbergen.
Alexander von Humboldt (* 14. September 1769; † 6. Mai 1859)
Durch den erstaunlichen Erfolg von Daniel Kehlmanns 2005 erschienenem Roman ›Die Vermessung der Welt‹ rückte die Gestalt Alexander von Humboldts neuerlich in den Vordergrund. Ob irgendjemand, der durch dieses Buch erstmals mit Humboldt in Berührung gekommen ist, dadurch seiner Größe und, vor allem, seinem Streben hat nahe kommen können, muss bezweifelt werden. Zu einfach, ja geradezu einfältig wurden die Charaktere gezeichnet: Humboldt als ein beinahe seelenlos wirkender Mensch, der zwanghaft Daten akkumuliert; der französische Naturforscher Aimé Bonplond (1773–1858), sein Reisegefährte in Südamerika, als unzuverlässiger Hemmschuh, der von kaum einem anderen Gedanken als dem an die nächste Frau umgetrieben wird; schließlich Carl Friedrich Gauß (1777–1855) als unerträglicher Zyniker. Was konnte von der auf Kehlmanns Roman basierenden Verfilmung von Detlev Buck (2012) anderes erwartet werden, als dass sie das Zerrbild des Zerrbildes, die Reduktion der Reduktion bieten würde?
Die Wiedergewinnung von Epiphanias
Gemeinsame Vergangenheit und heutige Konflikte