Artikel von Ronald Templeton
Zweite Betrachtung zu den Fenstermotiven im Großen Saal des Goetheanums
Wir lassen den Bereich der grünen Fenster hinter uns und öffnen uns dem Blau. Würde man sich mit dieser Farbe identifizieren, sagt Rudolf Steiner, »so würde man durch die Welt gehen, indem man das Bedürfnis empfindet, mit dem Blau immer weiter und weiter fortzuschreiten, den Egoismus in sich zu überwinden, gleichsam makrokosmisch zu werden, Hingabe zu entwickeln. [...] Wie begnadet von göttlicher Barmherzigkeit würde man sich fühlen, wenn man also durch die Welt geht.« Derart gestimmt können wir in das innige, schöne und ausgewogene Blau – das durch Kobalt und Kupferoyxyde gefärbt wurde – eintauchen.
Erste Betrachtung zu den Fenstermotiven im Großen Saal des Goetheanums
Betritt man den Großen Saal des Goetheanums, so fallen einem sofort die Fenster auf, die alles in farbiges Licht tauchen. Bei näherer Betrachten beginnen diese sich zu offenbaren und zeigen Erlebnisse und Stationen auf dem Weg, der von der physischen in die geistige Welt führt. Hier wird in künstlerischer Form viel mehr gesagt, als ein ganzes Buch beschreiben könnte, denn man sieht schon auf Anhieb nicht nur verschiedene Gestalten mit ihrem individuellen Ausdruck, sondern auch ihre Anordnung, ihre Beziehungen untereinander, sowie die Unterschiede zwischen Nord- und Südseite. In diesem und drei kommenden Heften wird der Versuch unternommen, eine Beschreibung der Fensterbilder selbst und der bei ihrer Betrachtung möglichen Erlebnisse vorzunehmen. Jeder Artikel ist so aufgebaut, dass die Beschreibung zuerst den Skizzen Rudolf Steiners nachspürt, die er für jene Künstler gezeichnet hat, die mit der künstlerischen Ausführung der Fenster des ersten Goetheanums beauftragt waren. Dafür durfte ich die Originale im Rudolf Steiner Archiv studieren. Die Erkenntnisse, die mir daraus entstanden sind, habe ich anschließend in einem interpretatorischen Teil dargestellt. Denn einerseits geht es mir um die genaue Wahrnehmung, und andererseits bin ich mir sehr bewusst, dass jeder Interpret das Wahrgenommene nur durch seine eigene, persönliche Sicht zu erhellen versucht. Insofern kann meine Interpretation nur ein Angebot sein.