Artikel von Claudia Törpel
Zu zwei restaurierten Bildern von Caspar David Friedrich – Teil I
Zu William Turners ›Schneesturm im Meer‹
Als William Turner 1803 sein Seestück ›Pier in Calais‹ ausstellte, erntete er reichlich Lob, vor allem wegen der realistischen und detaillierten Ausführung. Und dennoch musste sich Turner auch Kritik gefallen lassen – Kritik, die nicht völlig von der Hand zu weisen ist: Es wurde behauptet, das Wasser sei wie aus Stein und gleiche den Adern einer Marmorplatte. Hatte Turner also doch nicht exakt genug beobachtet? Oder macht sich hier ein anderes, ein grundsätzliches Problem bemerkbar? Besteht nicht stets ein Widerspruch zwischen einem zeitlich verlaufenden Geschehen und dem faktischen Stillstand des Bildes? Ist eine gemalte Welle nicht immer statisch? Kann eine bildliche Darstellung überhaupt etwas anderes vermitteln als einen angehaltenen, quasi zu Stein erstarrten Augenblick?
Zu Rembrandts ›Isaak und Rebekka‹
Ein dramatischer Augenblick: Abraham hat gerade den Arm erhoben, um seinen Sohn Isaak mit dem Messer zu töten. Da erscheint ein Engel, ergreift Abrahams Arm und das Messer fällt herab. Ein Messer im freien Fall! Rembrandt hätte den szenischen Moment nicht günstiger wählen können. Es ist, als würde man eine Tür öffnen und plötzlich Zeuge eines Geschehens werden, das man mit einem Blick erfasst. Allerdings währt die Illusion nur kurze Zeit, dann wird klar: Hier bewegt sich nichts, alles bleibt starr und das Messer hängt weiterhin in der Luft. Bei längerem Anschauen mag das grotesk anmuten, doch wozu sollte man das tun? Man hat ja erkannt, um welche Geschichte es geht. Und so wendet man sich dem nächsten Gemälde zu, um sich erneut in einen wohligen Schrecken versetzen zu lassen, denn man weiß ja: Es ist bloß ein Bild! Und als Bild repraÅNsentiert es eine Wirklichkeit, an der man nicht teilhat.
Zu zwei restaurierten Bildern von Caspar David Friedrich – Teil II