Artikel von Claudius Weise
Wie angekündigt steht auch in diesem Heft die Weihnachtstagung 1923/24 im Mittelpunkt der Betrachtung - die durchaus kritisch ausfällt, was die Umsetzung der damals von Rudolf Steiner gesetzten Impulse betrifft. Günter Röschert, seit 1975 Autor dieser Zeitschrift, gibt in seiner ›Besinnung nach 100 Jahren‹ den Takt vor: aus seiner Sicht ist die Weihnachtstagung ein gescheiterter Aufbruch geblieben, weil insbesondere die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft dem Auftrag, eigenständige geistige Forschung zu betreiben, nicht gerecht geworden sei. Dadurch habe die ganze anthroposophische Bewegung den sektiererischen Charakter, dessen Überwindung Rudolf Steiner ein Anliegen war, bis heute nicht abstreifen können.
Um Auferstehung geht es in diesem Heft – fast ein Klischee zur Osterzeit. Doch Auferstehung setzt den Tod voraus, das milde Osterlicht folgt den trüben Wochen des ausklingenden Winters. Und so beginnen auch wir mit ein paar düsteren, dissonanten Akkorden. Zunächst kommentiert Udi Levy die jüngsten Ereignisse in Israel und den Gebieten der Palästinenser mit angemessener Verzweiflung und Ratlosigkeit, bevor Ute Hallaschka den desolaten Zustand unserer Welt zum Anlass nimmt, uns die Lektüre von Franz Kafka als Heilmittel nahezubringen.
Der Abschied unserer Herausgeberin Angelika Sandtmann löst bei mir und meinen Kollegen aufrichtiges Bedauern aus. Anders als ihre beiden Vorgänger Karl-Martin Dietz und Justus Wittich, die stets eine gewisse Distanz hielten, hat sie während ihrer Amtszeit an fast jeder Redaktionskonferenz teilgenommen: nie bestimmend, stets aufmerksam zuhörend, nachdenklich, humorvoll, behutsam, um Differenzierung bemüht und dennoch klar in ihrem Urteil, ermahnend und ermunternd, wo dies nötig war. Wie ohne ihre vermittelnde Stellung die Verbindung zum Arbeitskollegium der Anthroposophischen Gesellschaft gehalten werden kann, gehört zu den Entwicklungsaufgaben, die in den nächsten Monaten gelöst werden müssen. Doch was Angelika Sandtmann durch ihre Persönlichkeit für diese Zeitschrift bedeutet hat, wird durch nichts zu ersetzen sein.