Der Mensch am Abgrund

Eine Betrachtung des Bildes ›Sisyphos‹ von Tizian

Sisyphos ist eine der wenigen Figuren aus der griechischen Mythologie, die seit der Renaissance im kollektiven Bewusstsein haften geblieben sind. Bekannt ist etwa, dass er einen schweren Stein zu schleppen hatte. Man weiss auch noch, dass er seine Arbeit immer wieder von vorne beginnen musste, weil der Stein immer wieder den Berg hinunterrollte. So ist die Sisyphos-Arbeit immer noch der Inbegriff für ein mühsames und sinnloses Unterfangen. Unbekannt ist hingegen meistens, wie Sisyphos seine berühmte Strafe verdiente. – Das Bild ›Sisyphos‹ von Tizian entstand 1548-49 im Auftrag der Königin Maria von Ungarn für ein Lustschloss in der Nähe von Brüssel. Der Künstler hatte vermutlich noch ein Verständnis für die Untergründe und die Aktualität dieses archetypischen Schicksals, das im folgenden Beitrag als Beispiel eines verlorenen, vom Kosmos abgeschnürten Menschen begriffen wird, für den der Christus zum Erlöser werden kann.

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Erschienen in



die Drei 3, 2016

Über das Ich hinausdenken

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