Letzten Herbst, zu Allerheiligen, war ich endlich einmal wieder
in München, für ein langes Museumswochenende. Vor allem hat
mich das erweiterte und umgestaltete Lenbachhaus gelockt, das
bereits seit dem 8. Mai 2013 wieder geöffnet ist. Vor bald 40 Jahren,
noch während der Schulzeit in Hamburg und anlässlich des
Besuches bei einer damals in München lebenden Cousine, hatte
ich dort ein »Erweckungserlebnis« in Sachen Entwicklung: Ich
war schon als Schüler an Kunst interessiert, und damals hatten
mich besonders die Maler der Brücke fasziniert – Heckel, Pechstein,
Kirchner, Schmidt-Rottluf, Mueller und auch Nolde –mit
ihren kräftigen Farben und oft sehr markanten herben Formen.
Hier in München begegnete mir, dem etwa 17-Jährigen, in den
zeitgleichen Bildern der Blauen Reiter Wassily Kandinsky, Franz
Marc und Alexej Jawlensky eine ganz neue Welt. Ich sah anhand
der vielen dort gezeigten Werke (das Lenbachhaus beherbergt
die weltweite größte Sammlung zum Blauen Reiter und seinem
Umkreis), wie sich ein jeder dieser Künstler auf seine je eigene
Weise aus dem Naturalismus des 19. Jahrhunderts und aus dem
Jugendstil zu einer neuen, freieren Formensprache in immer
kräftigeren und leuchtenderen Farben entwickelte, und wie sich
darin zugleich ein Weg nach innen zeigte, ein Ringen um neue
Ausdrucksformen für die in der Seele ebenso wie im Inneren
der Welt lebenden Kräfte. Das berührte mich zutiefst. Damals
war ich noch nicht entschieden, ob ich Kunstgeschichte oder
Biologie studieren wollte. Das Pendel schlug dann zunächst hin
zur Biologie, aber dieses Entwicklungs- und Wandlungserlebnis
nahm ich mit und fand es letztlich in der Metamorphosenlehre
Goethes wieder, die mich bis heute begleitet. (Fortsetzung-Download)