Wissenschaft und Leben

Über zwei Versuche, Freiheit ernst zu nehmen

»Wenn Wesen denken und folglich Personen sind, dann können sie abwägen, was sie tun sollen. Dann gehen sie über biologische Bedürfnisse und Neigungen hinaus. Sie können überlegt handeln, statt einfach ihren biologischen Neigungen folgen zu müssen. Wenn sie anders handeln können, als sich lediglich von ihren biologischen Bedürfnissen und Neigungen bestimmen zu lassen, dann sind sie frei in ihrem Handeln.« Das obige Zitat von Michael Esfeld, Professor für Wissenschaftsphilosophie in Lausanne und Mitglied der Leopoldina, stammt aus seinem Buch ›Wissenschaft und Freiheit. Das naturwissenschaftliche Weltbild und der Status von Personen‹, das die neueste monografische Verdichtung des akademischen Diskurses zu diesem Thema darstellt. Erschienen ist es 2019, also kurz bevor ein – durchaus ernst zu nehmendes, jedoch sich nicht als die schlimmste Seuche der Weltgeschichte erweisendes – Virus viele politischen Akteure dazu (ver-)führte, durch die enge Einbindung ausgewählter Teilnehmer des wissenschaftlichen Diskurses unsere Gesellschaften so umgestalten zu wollen, als ob die zitierte Formulierung uns menschliche Wesen nur kaum bis überhaupt nicht betreffen könnte. Esfeld ist inzwischen wegen seiner diesbezüglichen kritischen Stellungnahmen bekannt, die er in verschiedenen Medien formuliert hat. Umso anregender ist die Lektüre des genannten Buchs, da Esfeld hier eine souveräne Darstellung des wissenschaftstheoretischen Hintergrundes bietet, von dem ausgehend sich seine Kritik an den Corona-Schutzmaßnahmen als bewunderungswürdig konsequent erweist.

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die Drei 4, 2021

Natur / Geister