Wer durch die grauenvollen Berichte aus dem bald zwei Jahre andauernden Russland-Ukraine-Krieg nicht gänzlich abgestumpft ist, dem muss es ungemein schwer fallen, die Möglichkeit und Legitimität eines »gerechten« Krieges grundsätzlich für denk- und rechtfertigbar zu halten. Erschwert wird eine rechtsethische Legitimation »gerechter« Kriege dadurch, dass unter den Bedingungen einer modernen Kriegsführung mehr denn je zwangsläufig das unerwünschte Phänomen des »Fog of war« auftritt, sich also als empirische Tatsache zeigt, dass
1. allen Parteien der Kriegsverlauf entgleitet und prinzipiell keine Kontrolle über die Entwicklung eines Krieges gegeben ist,
2. immer unvermeidbare, erhebliche sogenannte Kollateralschäden gegenüber Unschuldigen und Zivilisten entstehen und
3. mit dem Einsatz moderner Waffen das prinzipielle Dilemma einhergeht, dass diese - insbesondere Flächenbomben und Minen - grundsätzlich keine Unterscheidung von Feind und Freund, von Soldat und Zivilist ermöglichen.