Rainer Maria Rilke: Dichter der Verwandlung

Zum 150. Geburtstag am 4. Dezember 2025

Als mir der Name Rilke erstmals begegnete, war ich noch ein Kind. Zu Hause las man keine Gedichte und auch in der Volksschule nicht, wo es nur diese Sprüche und Liedtexte gab, die im Lesebuch standen. Grund genug, mich für Gedichte zu interessieren. Rilke, Trakl, Hölderlin – das war ein poetisches Dreigestirn im unsichtbaren Himmel über mir, in den nach und nach weitere Sterne einzogen, und es bestand zunächst tatsächlich nur aus diesen Namen und der Magie, die von ihnen ausging. Anders als die Namen im Alltagsleben bargen die der drei Dichter eine Poesie, die von anderswoher kam, durchlässig für eine Wirklichkeit, die nicht vor Augen lag. Zugleich waren sie von einer intensiven Sinnlichkeit durchdrungen. Ich schmeckte ihr unvergleichliches Aroma auf der Zunge, sog ihren Duft ein, strich über ihre filigrane und markige Oberfläche, ließ mich verzaubern und mitnehmen von ihnen. Eine innere, tanzgleiche Bewegung, die mich in eine Welt versetzte, die doch nur Schöpfung meiner Einbildungskraft sein und mit dem eigentlichen, mir noch unbekannten Werk nichts zu tun haben konnte.

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