Ich lese: »Wenn der Mensch / ans letzte Ende seines Weges kommt, / blickt er sich um nach der Erde / und, erfüllt von allem Menschlichen, / sagt er:/ Einmal lebten hier Vögel, / die Menschen waren.« An anderer Stelle lese ich: »Ich weiß, dass ich sterben werde beim Himmelsrot! / Bei welchem, mit welchem – das ist nicht auf Wunsch zu entscheiden. / Ach, käm meine Fackel löschen doch zweimal der Tod, / Beim Morgenrot und beim Abendrot ging ich mit beiden!« Die Verse sind nicht von Elke Erb – und ein bisschen doch. Das erste Zitat stammt von dem Weißrussen Ales Rasanaŭ (*1947), das zweite von der russischen Dichterin Marina Zwetajewa (1892–1941). Elke Erb (*1938) hat die Verse ins Deutsche übertragen oder besser: nachgedichtet. Wieviel Elke Erb in den deutschsprachigen Zeilen steckt, kann ich nicht beurteilen, da ich die Originalsprache nicht lesen kann – eine Verwandtschaft empfinde ich jedoch, besonders mit Rasanaus Kurzgedichten, die er »Punktierungen« nennt. Auch Elke Erb schreibt teilweise sehr knappe Gedichte – eines der kürzesten lautet: »Das Aus hat (wie / der Laut sagt) // keinen Garten.«3 Elke Erb hat zahllose Übersetzungen geschrieben, die Liste ist imponierend lang – vielleicht, weil das auch eine Ausweichmöglichkeit in DDR-Zeiten war? Wie viele Gedichte mag sie selbst seit etwa 1968 bis heute geschrieben haben?