S. begrüsst uns auf dem Bahnsteig von Grosny. Ein großer, etwas stämmiger, leicht untersetzter, aber agiler und fröhlicher Endvierziger, mit schwarzer Fellmütze, Jeans und einem schwarzen Anorak; leger, normal, und doch sofort mit Lokalkolorit. Als er mich sieht, freut er sich und sagt, dass er sich geehrt fühle: Für uns habe er den landestypischen Bart abgeschnitten – und nun hätte ich solch einen Bart! Ich sähe aus wie ein Tschetschene. S. strahlt meinen Bart an und hat fast Tränen in den Augen. Er wird mich in den nächsten Tagen immer wieder auf Tschetschenisch ansprechen, da er es nicht hinzubekommen scheint, mich nicht als Tschetschenen anzusehen. Marija, die mit mir reisende Führerin und Übersetzerin, muss ihn dann gelegentlich daran erinnern, dass ich ihn nicht verstehe, und dass sie Pausen braucht, um zu übersetzen. Aber auch, wenn ich ihm auf Englisch etwas erwidere, scheint ihn das glücklich zu machen. S. wird sich während unseres Besuchs um uns kümmern. Stolz scheint ihn das zu machen. Zuerst förmlich und etwas steif, dann zunehmend herzlich. Jetzt steht er noch gewissermaßen dienstlich da – am Ende, gleicher Bahnsteig, vier Tage später, verabschiedet S. uns als Privatmensch, der Freunden schweren Herzens gute Reise wünscht.