»Über das sprechen, was Zeit eigentlich ist, kann er wahrscheinlich am besten mit denen, die aus ihr herausgefallen sind« denkt der emeritierte Altphilologe in Jenny Erpenbecks neuem Roman Gehen, ging, gegangen (Albrecht Knaus Verlag, München 2015). Zwei Welten treffen darin aufeinander: Europa, die alte Welt, und Afrika, vertreten von mittellosen jungen Männern. Vor dem Roten Rathaus in Berlin begegnen sie einander zum ersten Mal. Der Professor sieht eine Demonstration von zehn schwarzhäutigen jungen Männern. Sie sagen nicht, wer sie sind. »Sie sind einfach da.« Sie wollen bleiben, und sie wollen Arbeit. Das Bild geht dem Professor nicht mehr aus dem Sinn. Abends imFernsehen erfährt er, dass es sich um Flüchtlinge handelt, die in einen Hungerstreik getreten sind. Er beschließt, die Männer zu befragen, nach ihrer Herkunft, ihrer Kindheit, ihren Vorstellungen und ihren Wünschen. Tag für Tag sucht er sie in ihren Unterkünften auf. Er wird Zeuge ihrer unwürdigen Unterbringung, ihres Hin- und Hergeschoben-Werdens und der Perspektivlosigkeit ihres Daseins. Und überdeutlich wird ihm bewusst, »dass er zu den wenigen Menschen auf dieser Welt gehört, die sich die Wirklichkeit, in der sie mitspielen wollen, aussuchen können«.