Zur Ausstellung ›Emy Roeder. Das Kosmische allen Seins‹ im Landesmuseum Mainz
Mit einer Sonderausstellung würdigt das Landesmuseum Mainz aktuell eine der profiliertesten Bildhauerinnen des 20. Jahrhunderts – für die meisten dürfte sie jedoch eine Unbekannte sein. ›Emy Roeder. Das Kosmische allen Seins‹ zeigt mit rund 140 Exponaten eine umfassende Werkschau dieser Künstlerin.
Zu einem Gemälde von Liane Collot d’Herbois
Dieses etwas über 66 cm breite Aquarell zeigt eine Küstenszene, und es lässt sich vermuten, obwohl es nicht von der Natur gemalt wurde, dass Liane Collot d’Herbois solche Szenen sehr gut aus eigenem Erleben kannte.1 Collot d’Herbois, die 1907 geboren wurde, lebte die ersten fünf Jahre ihres Lebens und dann wieder nach ihrer Rückkehr aus Australien bei der Großmutter in Camelford. Nicht weit entfernt liegt Tintagel, jenes keltische Gebiet an der Südwestküste Englands, das eng mit der Artussage verbunden ist. Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre hat Collot d’Herbois diese Artusburg immer wieder in ihren Bildern thematisiert. Von Cornwall aus ging sie zum Studium an die Birmingham Academy of Arts, das sie mit 20 Jahren abschloss. Es muss um diese Zeit gewesen sein, d.h. kurz nach Rudolf Steiners Tod, dass sie die Anthroposophie kennenlernte.
Zu E. Leonora Hambrecht: ›Elisa Métrailler – Ein Leben im Dienste von Kunst und Therapie‹
Dieser Band zu Leben und Wirken von Elisa Métrailler kann als eine Art später Nachruf auf die Malerin und Maltherapeutin gelesen werden, die in ihren Impulsen eng mit der Malerin Liane Collot d’Herbois verbunden war. 1921 in Wien geboren, starb Elisa Métrailler im Jahre 1999 in Owingen am Bodensee.
Ende März 2019 erreichte uns eine Anfrage unserer Kollegen von der Zeitschrift ›Info 3‹, wie wir es mit der Frage nach einer gendersensiblen Sprache halten. Nachdem wir dieses Thema auf der nächsten Redaktionssitzung besprochen hatten, entwarf ich folgende Antwort: »Unsere Redaktion besteht aus drei Männern und zwei Frauen. Der Chefredakteur ist ein Mann, die Herausgeberin eine Frau. Wir sind einmütig gegen das Gendern, weil wir finden, dass es sich dabei um eine äußerliche und intellektualistische Art des Umgangs mit der Sprache handelt. Gendern macht die Sprache sperrig, weil es den Schwerpunkt vom Bezeichneten auf das Zeichen verschiebt. [...]«
Vom Wagnis einer Innenschau
Auf der Suche nach einer ansprechbaren Wirklichkeit
Zu ›Metamorphose Mensch & Tier‹ von Christoph Hueck in die Drei 5/2019
100 Jahre Waldorfpädagogik sind ganz gewiss ein Grund zu feiern! Doch einfach in den Chor der Gratulanten einzustimmen kam uns bei der Planung des vorliegenden Heftes nicht sonderlich interessant vor. Also beschlossen wir, einige der Herausforderungen und Probleme zu thematisieren, vor denen die Waldorfschulbewegung heute steht, und zugleich an ihre Verwurzelung in der Anthroposophie zu erinnern, die zunehmend vernachlässigt wird.
Zu Theodor W. Adorno: ›Aspekte des neuen Rechtsradikalismus‹
Gleichsam als Vorgeschmack auf die Gesamtausgabe der Nachkriegsvortr.ge Theodor W. Adornos hat der Suhrkamp-Verlag den Vortrag ›Aspekte des neuen Rechtsradikalismus‹ herausgebracht, den der große Philosoph am 6. April 1967 vor dem Verband Sozialistischer Studenten Österreichs in Wien hielt. Adorno verfolgte damit, wie er einleitend kundgab, nicht die Absicht, »eine Theorie des Rechtsradikalismus zu geben, sondern in losen Bemerkungen einige Dinge hervorzuheben, die vielleicht Ihnen nicht allen so gegenwärtig sind.« (S. 9). Dass sich die Lektüre dennoch lohnt, liegt daran, dass dem heutigen Leser die meisten dieser Dinge erst recht nicht gegenwärtig sind.
Goetheanistische Betrachtungen aus Afrika IV
Die 7-jährigen Zwillinge Fynn und Orin aus unserer kleinen Reisegruppe wissen immer, wie alt die hinterlassenen Bollen der Elefanten sind. Je dunkler, feuchter und verbackener, desto jünger; je heller, trockener und auseinandergefallener, desto älter. Trotz vieler Mopane-Bäume – der Hauptnahrung der Wüstenelefanten – und der Losungen, denen wir fast überall begegnen, bekommen wir aber keine Elefanten zu Gesicht. Das Flussbett weitet sich, größere Bäume gesellen sich dazu und der Mopane weicht dichtem, struppigem Gebüsch.
für die waldorfpädagogische Bewegung
Von Anfang an war der waldorfpädagogische Impuls ein doppelter: ein pädagogischer und ein sozialer. Als die Gründung der ersten Waldorfschule im Laufe des Jahres 1919 vorbereitet wurde, war die Dreigliederungsbewegung in vollem Gange. Im Süden Deutschlands, aber auch in anderen Regionen, lebte nach dem Ende des desaströsen Ersten Weltkriegs und inmitten von Ruinen und Hunger eine starke Sehnsucht nach gesellschaftlicher Erneuerung. Damals gab es noch ein großes Proletariat, und gerade in diesem formierten sich lautstarke Intentionen auf mehr Beteiligung und Mitwirkung am gesellschaftlichen Prozess. Rudolf Steiner war sich dieser Intentionen bewusst und nahm in Stuttgart immer wieder Gelegenheiten wahr, vor großen Arbeitergruppen in den Produktionshallen von Bosch, Daimler oder der Waldorf-Astoria, vor Arbeitern von Delmonte oder in der Brauerei Wulle zu sprechen und seine Überlegungen zur gesellschaftlichen Neugestaltung darzulegen.
Schritte zur »sinnlich-übersinnlichen« Anschauung der kindlichen und jugendlichen Entwicklung
Rudolf Steiner wollte eine Erziehung »aus echter Menschenerkenntnis« anregen. Seine grundlegende Idee für die Waldorfpädagogik lautet: Erst wenn man weiß, wie sich Kinder und Jugendliche entwickeln, kann man gesund erziehen und unterrichten. Jedes einzelne Lebensalter, so Steiner, erfordere eine »ganz andere« Erziehung, die jeweils auf einem tiefen Verständnis der kindlichen Entwicklung beruhen müsse: »Daß wir das Wesen des Kindes in jedem einzelnen Jahre, ja jeder einzelnen Woche in unserer eigenen Seele lebendig machen, das ist dasjenige, was spirituelle Basis für die Erziehung bilden muß.«
Schulführungsfragen nach 100 Jahren
Am Abend vor meinem 9. Geburtstag hatte ich Angst zu sterben. Ich hatte meinem älteren Bruder eine Tintenpatrone weggenommen, und als er ins Zimmer kam, war ich so erschrocken, dass ich die Patrone in den Mund steckte und aus Versehen herunterschluckte. Ich wagte nicht, mich meinen Eltern anzuvertrauen, denn mein Diebstahl war mir peinlich und ich fand es gerecht, dafür an Tintenvergiftung zu sterben. In meinem Abendgebet zum lieben Gott bat ich ihn deshalb nur darum, mich noch meinen Geburtstag erleben zu lassen. Dann schlief ich ein.
In der letzten Reihe des Deutschkurses der 12. Klasse sitzt eine Schülerin, die sich grundsätzlich am Unterricht nicht beteiligt, immer gelangweilt und abwesend wirkt, desinteressiert und überfordert. Die Klassenarbeit fällt unterdurchschnittlich aus. Es ist ganz deutlich: Diese Schülerin kann mit Gedichten nichts anfangen, sie sitzt hier in der falschen Veranstaltung. Dann kommt der letzte Tag der Unterrichtseinheit, ich verabschiede mich vom Kurs (es war während meines Referendariats an einem Gymnasium), alle gehen hinaus, da steht plötzlich diese Schülerin vor mir. Sie fragt mich etwas zögerlich: »Sie mögen doch Gedichte?« Das muss ich nicht mehr extra bestätigen, und dann fährt sie fort: »Ich hab’ da was für Sie – können Sie da mal hineinschauen?« Sie übergibt mir eine Mappe und es stellt sich heraus, dass sie Gedichte enthält – von ihr selbst geschrieben. Ich bedanke mich und verspreche, mich bald wieder zu melden.
oder: Zurück in die Zukunft
Im Gegensatz zur erfolgreichen Science Fiction-Filmtrilogie ›Back to the Future‹, in der ein Akteur die Vergangenheit zu seinen Gunsten verändern will, haben wir keinen Anlass, eine Zeitreise zu unternehmen, um die hundert Jahre alten Ausführungen und Anregungen Rudolf Steiners aus der Gründungszeit der Waldorfpädagogik zu verändern. Im Gegenteil: Er hat damals zukunftsträchtige Hinweise gegeben, die gegenwärtig in eine neue Diskussionsrunde einmünden.
Grundlegendes zur Waldorfpädagogik
Die Waldorfpädagogik kann nicht ohne Anthroposophie sein. Denn ihr Herzstück, die Menschenkunde, bleibt unverständlich und muss deshalb letztlich verkümmern, wenn die kindliche und jugendliche Entwicklung nicht vor spirituellem Hintergrund verstanden wird. Hier sollen zwei der wichtigsten geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkte, die zugleich reale Entwicklungsrichtungen bedeuten, kurz skizziert werden.
Erkenntnis und soziale Ordnung
Die Christenheit hat im Laufe der Geschichte an zwei bedeutsamen Jahresschwellen des Erzengels Michael gedacht. So wird berichtet, dass auf dem Monte Gargano in Süditalien drei Erscheinungen des Erzengels stattgefunden haben: am 8. Mai 492, am 19. September desselben Jahres und am 29. September 493. Also im Frühling und im Herbst. Man erlebte, dass er in dieser Zeit der Menschheit besonders nahe ist. Auch am 8. Mai 590, als in Rom die Pest ausgebrochen war und Papst Gregor I. der Große eine Bußprozession angeordnet hatte, die betend und lamentierend durch die Stadt zog. Zum Zeichen, dass die Pest zu Ende gehen würde, erschien Michael dem Papst in einer Vision, auf dem Mausoleum des Kaisers Hadrian stehend, sein blutiges Schwert in die Scheide zurückschiebend. Seitdem heißt diese Stätte die »Engelsburg«: Castel Sant’Angelo.
Ohne Michaelsfeste keine soziale Dreigliederung
Interessante Anregungen für den Aufbau einer neuen Mysterienkultur gab Rudolf Steiner 1923 in zwei Vortrags-Zyklen, die unter dem bescheidenen Titel ›Der Jahreskreislauf‹2 erschienen sind – »bescheiden«, weil es hier um wesentlich mehr geht, nämlich um die Rettung der Erdenzivilisation. Dafür wollte Steiner eine neue Mysterienkultur inaugurieren, inspiriert und durchkraftet von geistigen Mächten wie dem Sonnen-Erzengel Michael. Schon in vorchristlichen Mysterienkulturen wurde der Sonnengott unter Namen wie Helios oder Apollon verehrt und der Kontakt mit ihm in kultischen Feiern gepflegt. Steiner regte eine zeitgemäße Wiedergeburt solcher und ähnlicher Mysterien-Feste an: »Aber wenn mit demselben Enthusiasmus, mit dem einmal in der Welt Feste eingeführt worden sind, als man die Kraft hatte, Feste zu gestalten, wiederum so etwas geschieht, dann wird es inspirierend wirken. Dann wird es aber auch inspirierend wirken für unser ganzes geistiges und für unser ganzes soziales Leben.«
Alexander von Humboldt (* 14. September 1769; † 6. Mai 1859)
Durch den erstaunlichen Erfolg von Daniel Kehlmanns 2005 erschienenem Roman ›Die Vermessung der Welt‹ rückte die Gestalt Alexander von Humboldts neuerlich in den Vordergrund. Ob irgendjemand, der durch dieses Buch erstmals mit Humboldt in Berührung gekommen ist, dadurch seiner Größe und, vor allem, seinem Streben hat nahe kommen können, muss bezweifelt werden. Zu einfach, ja geradezu einfältig wurden die Charaktere gezeichnet: Humboldt als ein beinahe seelenlos wirkender Mensch, der zwanghaft Daten akkumuliert; der französische Naturforscher Aimé Bonplond (1773–1858), sein Reisegefährte in Südamerika, als unzuverlässiger Hemmschuh, der von kaum einem anderen Gedanken als dem an die nächste Frau umgetrieben wird; schließlich Carl Friedrich Gauß (1777–1855) als unerträglicher Zyniker. Was konnte von der auf Kehlmanns Roman basierenden Verfilmung von Detlev Buck (2012) anderes erwartet werden, als dass sie das Zerrbild des Zerrbildes, die Reduktion der Reduktion bieten würde?
Zur Ausstellung ›Clara Schumann – Eine moderne Frau im Frankfurt des 19. Jahrhunderts‹ im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main
Am 13. September 1819 kam Clara Schumann, geborene Wieck, in Leipzig zur Welt. Bereits als Zwölfjährige ging sie auf Konzertreise bis nach Paris. Eine Station war Weimar und ein Besucher war Goethe in seinem letzten Lebensjahr. »Dieses Mädchen hat mehr Kraft als sechs Knaben zusammen«, soll er gesagt haben. Was der Dichter empfand, lässt sich für den Besucher der Ausstellung ›Clara Schumann. Eine moderne Frau im Frankfurt des 19. Jahrhunderts‹ unmittelbar nachvollziehen, präsentiert vom Institut für Stadtgeschichte im ehemaligen Karmeliterkloster in Frankfurt am Main.
Zur Ausstellung ›fontane.200/Brandenburg – Bilder und Geschichten‹ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam
Der 200. Geburtstag Theodor Fontanes (*30. Dezember 1819; † 20. September 1898) wird gegenwärtig in Berlin und Brandenburg unter der Überschrift ›fontane.200‹ mit einer Fülle von Veranstaltungen begangen, darunter die am 7. Juni eröffnete Ausstellung ›fontane.200/Brandenburg – Bilder und Geschichten‹ im ehemaligen Kutschstall am Neuen Markt in Potsdam, der heute als Haus der Brandenburgisch- Preußischen Geschichte dient. Sie ergänzt die seit dem 30. März 2019 laufende Leitausstellung ›fontane.200/Autor‹ in Neuruppin und eine Reihe kleinerer Ausstellungen.
Zu Albert Schmelzer & Jan Deschepper: ›Menschenkunde verstehen‹
Wie macht man heute, hundert Jahre nach der Gründung der ersten Waldorfschule, werdende Lehrer mit dem erstaunlichen Einführungskurs bekannt, den Rudolf Steiner für die zwölf ersten Lehrerinnen und Lehrer der Schule kurz vor ihrer Eröffnung im Herbst 1919 gehalten hat? Total immersion nennt man heute ein Lehrprogramm für eilige Fremdsprachenlerner, das die Teilnehmer vom Morgen bis zum Abend dem Leben einer fremden Sprache aussetzt, von deren Grammatik sie keine Ahnung haben. Etwas Ähnliches hat das Mannheimer Lehrerseminar – das heute als ›Institut für Waldorfpädagogik, Inklusion und Interkulturalität‹ der Alanus Hochschule firmiert – jahrelang in Gestalt eines vierzehntägigen Kompaktkurses für seine Studienanfänger praktiziert: ein Ritual des Eintauchens in einen Kosmos neuer Ideen, das sich ganz am Wortlaut der Nachschriften entlangbewegte, die aus dem Gründungskurs erhalten geblieben sind. Vielleicht ist das noch heute ein bedenkenswerter Weg, die in anthroposophische Pädagogik Einzuweihenden der ganzen moralischen Wucht auszusetzen, mit der einst, nach der Weltkriegskatastrophe, eine heute weltweit verbreitete Schulbewegung begründet wurde. Nun hat sich aber die Situation der Waldorfbewegung seither in vieler Hinsicht geändert. Das erfordert einen neuen Griff.
Zu ›CaRabA – #LebenohneSchule‹ von Joshua Conens
So also soll es aussehen und sich anfühlen, wenn die leidige deutsche Schulpflicht aus dem 19. Jahrhundert, die in unserer zopfigen Form nur in wenigen Ländern existiert, endlich ausgehebelt ist – nicht etwa durch Revolution oder Subversion, sondern durch das Bundesverfassungsgericht. Bei dem legt eine Schülerin eine Beschwerde ein und bekommt im Jahr 2020 recht. Sämtliche Schulen werden daraufhin mit Stumpf und Stiel abgerissen. Was übrig bleibt, ist eine wohltuend grüne Wiesenwüste. Auf der beginnt ›CaRabA – #LebenohneSchule‹ – nach den Worten seines Initiators Bertrand Stern ein Film, der die Frage nach der Schule überwunden haben will und Möglichkeiten für Menschen aufzeigt, sich frei zu bilden.
Schulung der Herzenslogik
Zu ›Metamorphose Mensch & Tier‹ von Christoph Hueck in die Drei 5/2019 und zum Leserforum in die Drei 7-8/2019