Die ein Jahrhundert lang gepflegten zahlreichen Reflexionen zur Weihnachtstagung, die in so manchen Interessierten eher Widerwillen als Interesse hervorgerufen haben, beginnen meist mit dem angenommenen »Höhepunkt« dieser Tagung: mit der viel gepriesenen »Grundsteinlegung«. Ich selbst gehöre zu diesen Widerwilligen; die veröffentlichten Schriften und Aussagen dazu erinnerten mich allzu sehr an die inhaltsleeren Partei-Reden in der DDR, die ich einen Großteil meiner Jugend über mich hatte ergehen lassen müssen. Wie eine Ansammlung von leeren, nichtssagenden Worten erschienen mir die Berichte und Darstellungen der Weihnachtstagung, die mit Vehemenz vorgetragen wurden. Erst als ich entdeckte, dass der am 25. Dezember 1923 einsetzenden Grundsteinlegung ein Eröffnungsvortrag am 24. Dezember voran gegangen war, und ich in diesem die geistig-seelische Grundlegung der darauffolgenden Ereignisse erkennen durfte, begann sich mein Interesse für die Weihnachtstagung zu regen.
Zwei Findlinge in der deutschsprachigen Literatur und der Mysterienhintergrund ihrer Werke – Teil III
Kleist und Büchner sind Solitäre in ihrer Zeit und ihrer kulturellen Umgebung, zwei Unangepasste, zu früh Inkarnierte. Beide sind intelligente, wortgewandte Genies, sind 1,72 m groß und haben – wenn man der Schwester Büchners glaubt und nicht der Polizei – kastanienbraune Haare, beide sind im Oktober geboren, sind ungewöhnlich jung verlobt mit einer Wilhelmine, die sie nicht heiraten werden, und beide sterben früh. Aber damit ist es mit den Gemeinsamkeiten auch schon ziemlich am Ende. Bleiben die Gegensätze.
Über Jahrhunderte hinweg wurden die Alpen als schreckliche, angsterregende Gegenden erlebt, als Stücke eines über einen Haufen geworfenen großen Gebäudes, Ruinen einer zertrümmerten Welt, ohne jede Regularität, wo die Natur alle ihre übriggebliebene, unnütze Materie auf einen Haufen geschüttet hatte. Wie gelang nun die Wende zum Erleben des Schönen und Erhabenen? Wie kam es, dass man das Gebirge mit anderen Augen anzusehen in der Lage war? Durch neue Horizonte im Naturerleben, die Jean-Jacques Rousseau, aber auch Edmund Burke eröffnet hatten – und durch die Taten Goethes.
Der Philosoph Johannes Kreyenbühl (1846–1929) gehört zu den vergessenen Denkern der Geistesgeschichte. Rudolf Steiner rechnete seinen Aufsatz ›Die ethische Freiheit bei Kant‹ »zu den bedeutsamsten Erzeugnissen der gegenwärtigen Philosophie, namentlich der Ethik.« Denn in diesem sah er eine sachge mäße Beschreibung des reinen Denkens als Triebfeder unsers Wollens gegeben. Bei der Behandlung der praktischen Vernunft im IX. Kapitel seiner ›Philosophie der Freiheit‹ weist er auf Kreyenbühl mit folgenden, seine Hochschätzung ausdrückenden Worten hin: »Am klarsten hat von dieser Triebfeder des Wollens Kreyenbühl [...] gehandelt. […] Kreyenbühl bezeichnet die in Rede stehende Triebfeder als praktisches Apriori, d.h. unmittelbar aus meiner Intuition fließender Antrieb zum Handeln.«
Bilder einer gegenwärtigen Alchemie
Die mittelalterliche Kirche der Heiligen Gervasius und Protasius in Nimis - in der Provinz Udine, unweit von Cividale, der Hauptstadt des ersten langobardischen Herzogtums in Italien - birgt ein sehr bemerkenswertes Bild Michaels aus dem 14. Jahrhundert. Deshalb sehr bemerkenswert ist das Bild, weil es, soweit mir bekannt, einmalig in so wirksam verdichteter Form die zwei Hauptmotive der Michael-Ikonografie in einer einheitlichen Komposition zusammenklingen lässt: Der Kampf gegen den Drachen bzw. Teufel und die Seelenwägung (Psychostasia), die das Schicksal der Seele im nachtodlichen Leben entscheidet. Die intime geistige Verbindung der zwei Motive wird in diesem Bild durch die Tatsache offenbar, dass Michaels Speer und der Balken der Waage Michaels zusammen ein Andreas-Kreuz, ein X bilden, was wiederum auf eine tiefe alchemistische Symbolik hinweist: Auf das bis ins Physische offenbare geistige Licht, das durch das vollkommene Maß der pythagoreischen Vierheit bzw. Zehnerschaft offenbar wird, sowie auf jene Substanz, Sal Ammoniacum, die als Vermittlerin zwischen Wasser und Feuer, Himmel und Erde, Geist und Leib wirkt, ferner auf das Glas als kristallklarem Stoff, der sich der Vollkommenheit am stärksten annähert.
Zur phänomenologischen Bildbetrachtung
Die Bezeichnung »Phänomenologie« stammt aus der Philosophie und umfasst eine Vielzahl zum Teil sehr komplexer theoretischer und methodischer Ansätze, die sich mit Namen wie Edmund Husserl, Martin Heidegger, Maurice Merleau-Ponty und vieler anderer verbinden. Auf diese philosophischen Strömungen werde ich hier nicht eingehen. Es scheint mir jedoch gerechtfertigt, von »phänomenologischer Bildbetrachtung« zu sprechen, wenn ich eine Vorgehensweise meine, die von den sichtbaren Phänomenen ausgeht und die Aufmerksamkeit zudem auf die anschauende Erfahrung richtet. Dass eine Bildbetrachtung vom Sichtbaren ausgehen sollte, scheint selbstverständlich zu sein, und doch fällt es vielen Menschen schwer, sich auf dieses Sichtbare tatsächlich einzulassen. Wenn wir einem Gemälde gegenüberstehen, wollen wir es verstehen; wir heben es, Bilder zu interpretieren und ihre »Hintergründe« - ob historische, biografische, symbolische oder weltanschauliche - zu beleuchten. Hierbei gehen wir häufig von der Prämisse aus, dass das Bild eine begrifflich fassbare »Botschaft« vermittelt, und so setzen wir all unsere gedanklichen Bemühungen ein, um diese Botschaft zu entschlüsseln.
Eine Betrachtung des Bildes ›Merkur und Argus‹ von Peter Paul Rubens
Argos (lat. Argus), ein Riese der griechischen Mythologie, ist noch heute aufgrund seines scharfen Blickes im Volksmund lebendig. Weniger bekannt ist Io, die Tochter des Flussgottes Inachos, obwohl die hundert Argusaugen auf sie gerichtet waren. Interessant ist dieses Paar, weil es scheint, dass sich Io der erwachenden Gemütsseele zuwandte, während Argos diese durch seinen übersteigerten Sinnesprozess unterdrückte. Diese Polarisierung führte zu einer Blockade, die Hermes zu überwinden vermochte. Peter Paul Rubens zeigt uns in seinem großformatigen Gemälde ›Merkur und Argus‹ diese Schlüsselszene. In der hier vorgelegten Betrachtung wird ein faszinierendes Übereinstimmen von Inhalt und Form in diesem Bild vermutet. Die Vertiefung in das Kunstwerk kann zu einem erweiterten Erleben und Verstehen des Hermes-Mysteriums führen.
Zur Erinnerung an Paul Klein (1871–1957)
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Christengemeinschaft sollte auch an Paul Klein erinnert werden, der als einflussreicher evangelischer Stadtpfarrer in Mannheim und persönlicher Schüler Rudolf Steiners der jungen Gemeinschaft die Wege ebnete. Zugleich sei einiges aus seinem Wirken für die anthroposophische Gesamtbewegung mitgeteilt, wobei hier nur einzelne Aspekte und Ereignisse aus seinem Leben berührt werden können.
Anthroposophische Bewegung und Bewegung für religiöse Erneuerung als die Pole des freien Geisteslebens
Die Gründung der Christengemeinschaft bezeichnete Rudolf Steiner als »wichtigstes Ereignis der anthroposophischen Geschichte«. Allerdings wusste er, dass dadurch die Gegner der anthroposophischen Bewegung noch weiter herausgefordert werden würden. Der vorliegende Artikel untersucht, wie die beiden großen Gegenimpulse der Verstandes- oder Gemütsseelenepoche mit den unterschiedlichen Aufgaben der Bewegung für religiöse Erneuerung und der anthroposophischen Bewegung in der Gegenwart zusammenhängen. Der Goetheanumbrand erscheint wie ein Bild dafür, dass diese Aufgabe noch nicht gelöst werden konnte.
Die Impulse zur Gründung der Christengemeinschaft
Der Beginn der Impulse, die zur Gründung der Christengemeinschaft führten, bestand in einer Frage. Eine richtig gestellte Frage trägt die Kraft ihrer Beantwortung in sich. Auf das Stellen solcher Fragen kommt es an, wenn sich etwas ändern soll in der Welt. In der Zeit vor rund 100 Jahren, als Rudolf Steiner jene Kurse und Vorträge über verschiedene Lebensgebiete hielt, die durch die Anthroposophie eine Erneuerung und Befruchtung erfuhren, wurden zahlreiche solcher Fragen gestellt.
Die Soziale Dreigliederung als Mysterienweg – Teil II
Der erste Teil bestätigte die Aussage Rudolf Steiners beim ›West-Ost-Kongress‹ in Wien, dass eine auf Allmacht des Geisteslebens begründete Gesellschaft auch in der Gegenwart auf die Herausbildung von Klassen oder Schichten hinauslaufen muss. Der zweite Teil untersucht die Wege, wie diese Niedergangskräfte in Aufgangskräfte verwandelt werden könnten. Diese Niedergangskräfte haben ihren Ursprung im alten Mysterienwesen, das in der Gegenwart in unzeitgemäßer Weise weiterwirkt. Eine Verwandlung kann eintreten, wenn das, was im mitteleuropäischen Geistesleben der Goethezeit veranlagt wurde, wieder aufgegriffen wird und sich mit dem verbindet, was in den anglo-amerikanischen Volksgewohnheiten als Zukunftskeim liegt. Für diese zukünftige Wirtschaftskultur hat Rudolf Steiner im ›Nationalökonomischen Kurs‹ eine gedankliche Grundlage gelegt.
Die Soziale Dreigliederung als Mysterienweg – Teil I
Vor genau 100 Jahren beschrieb Rudolf Steiner auf dem ›West-Ost-Kongress‹ in Wien, wie das soziale Denken der Vergangenheit eine Allmacht des Geisteslebens begründete. Das moderne Geistesleben darf diesen Allmachtsanspruch nicht aufrechterhalten. Andernfalls entstehen neue Formen der alten Ständegesellschaft. Der erste Teil des Artikels zeigt, wie sich im Osten und im Westen polare ständische Strukturen entwickelt haben, die heute unvermittelt aufeinandertreffen. Es ist das der Ausdruck eines alt gewordenen Geiseslebens, welches mit Notwendigkeit Niedergangskräfte hervorbringen muss. Ein den Bedürfnissen der Gegenwart angepasster sozialer Organismus gliedert sich in drei relativ selbstständige Glieder. Das bedeutet, dass das Geistesleben seine Impulse nicht mit Macht innerhalb des Rechts- und Wirtschaftslebens durchsetzt.
Wo westliches und östliches Licht einander begegnen
Einmal erzählte mir ein Bekannter, der in Triest arbeitet, jedoch von Turin, seiner Heimatstadt, pendelt, er würde bei jeder Rückkehr den Eindruck empfinden, in Turin wäre der Himmel im Vergleich mit Triest dunkel, und alles gleichsam im Abendlicht umhüllt, gleichgültig wie hoch und klar die Sonne strahlen würde. Dies charakterisierte er überhaupt nicht im Sinne einer negativen Bewertung, sondern einfach als unbefangen beobachtetes Phänomen – Turins klares voralpines Licht ist übrigens zutiefst berührend, schön und aufrichtend.
Die »Russische Welt« und das geistige Russland
Unter dem Titel ›Darf es eine freie Ukraine geben?‹ versuchte der Verfasser im März/April-Heft dieser Zeitschrift – noch ganz unter dem Schock des russischen Überfalls auf die Ukraine stehend – dem Grund des Handelns von Präsident Wladimir Putin nachzuspüren. Ausgangspunkt war die Analyse seiner Kriegserklärung, der langen »historiosophischen« Ansprache vom 21. Februar 2022. Umrisshaft trat als Ergebnis das Bild eines – bei aller mörderischen Aktualität – atavistischen, autokratischen, russisch-ostslawischen Staates in Erscheinung, der sich die Rettung, Verteidigung und Ausbreitung der »russkij mir«, der »Russischen Welt« – auf die Fahnen geschrieben hatte.Wenn wir von »Putins Krieg« oder »Russlands Krieg« sprechen, dann sind das Abstraktionen, hinter denen als Konkretum der Begriff (oder das »Wesen«) dieser »Russischen Welt« steht. Was aber ist die »russkij mir«? (Wobei »mir« ja im Russischen doppeldeutig ist und sowohl »Welt« als auch »Frieden« bedeuten kann.
Zur Dreigliederung bei Mensch, Tier und in der Kulturgeschichte Ägyptens
Betrachtet man das menschliche Skelett, seine Formen und die Gestalt der einzelnen Knochen, so trifft man auf bemerkenswerte Verhältnisse. Einerseits finden sich flache Knochen, welche eine sphärische Gestalt zeigen, also kugelartige Formen oder Segmente von Kugeln. Am deutlichsten ist dieses Gestaltelement am Gehirnschädel ausgebildet, welcher aus zahlreichen Knochen besteht, die unbeweglich miteinander verwachsen sind und zusammen eine Kugelform bilden. Aber auch Becken und Schulterblätter bestehen aus flachen Knochen, welche Kugelsegmenten ähneln. Andererseits finden sich stangenförmige, axial gestreckte Knochen, die durch Gelenke beweglich miteinander in Verbindung stehen. Diese Röhrenknochen bilden die Gliedmaßen. Sie strahlen in die Peripherie aus, wobei mit zunehmender Distanz vom Zentrum die Anzahl ihrer Strahlen von eins auf fünf zunimmt. Allein schon durch diese Formgebung zeigen sich hier echte Polaritäten, wie man sie zeichnerisch beispielsweise als Kugel und Linie bzw. Kreis und Radius festhalten kann.
Hegels Christusbegriff
Als Hegel mit 18 Jahren in das Tübinger Stift eintrat, um dort Theologie zu studieren, begann er bald, mit dem dort gelehrten Protestantismus zu hadern. Es war die Rede von der Theologie als einem hundertköpfigen Ungeheuer, das aus jedem Rachen Feuer speit, und der obligatorischen Sonntagspredigt wurde vielfach mit entschiedener Gleichgültigkeit begegnet.1 Gemeinsam mit Hölderlin und Schelling bewohnte er zeitweise ein Zimmer, und zusammen formulierten sie ihr Ideal einer »unsichtbaren Kirche«2. Die Französische Revolution war Vorbild und eine willkommene Gelegenheit, Freiheit in den Mittelpunkt allen Strebens zu stellen. Hegels Jugendschriften beinhalten noch eine Auseinandersetzung mit Theologie und Christentum, die dann in seinen Hauptwerken, der ›Phänomenologie des Geistes‹, der ›Wissenschaft der Logik‹ und der ›Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften‹ zurücktritt. Immer wieder betont Hegel, dass Philosophie und Religion denselben Inhalt haben, die Religion sich diesem jedoch mehr mit schlichten Vorstellungen des Glaubens, die Philosophie dagegen mit dem begreifenden Denken, das allein Freiheit ermöglicht, nähere. Das Ziel von Hegels Philosophieren ist der absolute Geist, und dieser wiederum ist Inhalt der wahrhaften, geoffenbarten Religion. Im reinen Wissen offenbart sich der Geist als Geist, dem Wesen einer absoluten Religion entsprechend. Hegel geht in diesem Zusammenhang auch auf die verschiedenen Manifestationen des Religiösen in der Kulturgeschichte der Menschheit ein, eine tiefere Auseinandersetzung mit dem realen Wirken des Christus findet sich dann in seinen ›Vorlesungen über die Philosophie der Religion‹, die er erstmals 1821 und dann erneut 1824, 1827 und in seinem Todesjahr 1831 in Berlin hielt.
Eine Betrachtung zum Impuls des Johannes-Markus
Am 20. Januar 1479 begibt sich der berühmte Diplomat Giovanni Emo nach Udine, um dort als Statthalter von Venedig zu wirken. Mit sich bringt er das Geschenk, das er von Sultan Mehmed II. dem Eroberer am Ende von nicht so glücklichen Friedenverhandlungen bekommen hat, die zwischen 1474/75 stattgefunden haben: Der legendenhaft gewordene Eroberer von Konstantinopel hat ihm eine Marien-Ikone geschenkt, die im Kaiserpalast von Konstantinopel aufbewahrt wurde und Mariens Gesichtszüge getreu darstellen soll. Zunächst bewahrt Giovanni Emo die Ikone bei sich im Schloß von Udine, dem Sitz des Statthalters, nach einem mit ihr verbundenen Wunder lässt er sie jedoch am 8. September 1479 - am Fest von Mariens Geburt - zur Kirche der Heiligen Gervasius und Protasius verlegen. Die intensive devotionale Bewegung, die sich um dieses Bild rasch entwickelt, führt dazu, eine größere Kirche zu bauen, und diese größere, Madonna delle Grazie (Maria der Gnaden) genannte Kirche bewahrt noch heute die Ikone aus Konstantinopel. Die hier betrachtete, vielleicht im 14. Jahrhundert gemalte Ikone ist nicht nur deshalb eine besondere, weil sie aus dem Kaiserpalast in Konstantinopel stammt. Eine viel wichtigere Besonderheit liegt darin, wie sie - als älteste und in dieser Form womöglich einzig erhaltene - die Maria darstellt. Das sonst verbreitete Motiv der Maria als stillende Mutter (griech. galak-totmphousa, latein. lactans), welches an das ägyptische Bild der den Horusknaben stillenden Isis ankniipft - wird hier nämlich dadurch vertieft, dass Maria in der linken Hand eine goldene Kose hält. Diese Kose in der Herzenshand hebt genau die Herzgegend Mariens hervor und wirkt gleichsam als Urbild der auf derselben Linie liegenden rechten Brust, an der das Kind trinkt, die eigene Herzenshand der Kose entgegenstreckend.
Eine tiefe Wahrheit unserer Zeit hat mit dem Ereignis zu tun, von dem Rudolf Steiner sagte, es sei das wichtigste für die gegenwärtige Menschheit. Wenn sie es verschlafen würde, müsste sie sehr, sehr lange warten, bis es wieder eintreten könnte -eine ganze Menschheitsentwicklung lang! Dieses Ereignis ist das Wiedererscheinen des Christus in der ätherischen Welt. Zu Beginn der Offenbarung des Johannes wird dieses Ereignis bereits angekündigt: »Siehe, er kommt mit den Wolken, und schauen wird ihn jedes Auge, auch alle, die ihn durchstochen haben; und wehklagen werden um ihn alle Geschlechter auf Erden. Ja, Amen. Ich bin das Alpha und das Omega, Urbeginn und Ziel, spricht Gott der Herr der ist und der war und der kommt, der Alldurchwalter.« (Offb 1,7f.)
Die Umwandlung des Bewusstseins
Die illusionäre Welt der Wohlstandsgesellschaft zerbricht gerade vor unseren Augen. Corona-Krise, Umweltkrise, Bildungskrise, Wirtschaftskrise ... Die Auswahl ist groß. Was geschieht da mit uns? Hat das alles eine Bedeutung? Ich behaupte: Ja. Das eigentliche Geschehen ist, dass die Umwandlung des menschlichen Bewusstseins durch innere Arbeit schon längst fällig ist, wir uns aber mit allem anderen beschäftigen, nur damit nicht.
Warum Wirtschaftssanktionen kein sinnvolles Instrument der Politik sein können
Der für viele Beobachter völlig überraschende Einmarsch Russlands in die Ukraine hat eine Welle von Wirtschaftssanktionen ausgelöst. Insbesondere glaubt man, Russland dadurch hart treffen zu können, dass die meisten russischen Bankhäuser aus der ›Society for Worldwide Interbank Financial Telecommuni-cation‹ (SWIFT) ausgeschlossen werden sollen. Diese Einrichtung leitet Finanztransaktionen zwischen ca. 11.000 Banken, Brokerhäusern, Börsen usw. in etwa 200 Ländern über SWIFT-Nachrichten weiter und wickelt damit den Nachrichten- und Zahlungsverkehr der angeschlossenen Firmen und Institutionen ab. Da ein juristisch abgesicherter Zahlungsverkehr über Ländergrenzen hinweg heute praktisch nur noch mit SWIFT möglich ist, glaubt man, mit dieser Maßnahme Russland ökonomischen Schaden zufügen zu können. Schließlich hatte man mit ähnlichen Maßnahmen schon den Iran empfindlich getroffen. Eine weiterer finanzieller »Nuklearschlag« gegen Russland soll das Einfrieren der russischen Devisenreserven im internationalen Zentralbanksystem sein. Nach zuletzt verfügbaren Statistiken lagen 630 Mrd. Dollar Devisenreserven entweder bei anderen Notenbanken, der [›Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich‹ (BIZ) sowie dem Internationalen Währungsfonds. Russland hatte diese Reserven in den letzten Jahren systematisch erhöht, d.h. es hat Jahr für Jahr weniger Leistungen vom Ausland in Anspruch genommen, als es diesem - vor allem durch seine umfangreichen Rohstoffverkäufe - geleistet hat. Theoretisch könnte Russland ein Jahr lang seine Importe damit bezahlen, ohne irgendetwas exportieren zu müssen. Da aber sowohl die USA als auch die EU Geschäfte mit der russischen Zentralbank verboten haben, kann es einen großen Teil dieser Reserven nicht mehr nutzen. »Der Rubel ist im freien Fall. Die Kriegskasse von Wladimir Putin ist empfindlich getroffen«, verkündete Deutschlands Finanzminister Christian Lindner am 8. März nach Gesprächen mit seinen G7-Kollegen. Doch Russland rechnet komplett anders als die westliche Welt. Und es könnte sein, dass die russische Rechnung am Ende aufgeht.
Persönliche Erfahrungen und Erkenntnisse
Der vorliegende Text besteht aus zwei Teilen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden sind. Der erste stammt aus dem Sommer 2021 und blickt aus der damaligen Perspektive auf das pandemische Geschehen, den gesellschaftlichen Umgang damit und die eigenen Erfahrungen des Autors zurück. Der zweite wurde im Herbst desselben Jahres verfasst, nachdem der Autor an Covid-19 erkrankt war. Zusammen ergeben sie ein persönliches Bekenntnis, das keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit oder Allgemeingültigkeit erhebt, sondern als Gesprächsbeitrag verstanden werden will.
Zukunftsfähigkeit erringen in pandemischen Zeiten
Im Folgenden möchte ich versuchen, meine persönlichen Erfahrungen mit Covid-19, das Leben und Leiden mit der Zeitlage sowie einige Bücher und Texte, die mir im letzten Jahr begegnet sind, aphoristisch miteinander zu verknüpfen und vor dem Hintergrund der Anthroposophie nach Zukunftsperspektiven in einer verworrenen Zeit zu suchen.
Die folgenden Darstellungen lassen sich von zwei grundsätzlichen Elementen meines ärztlichen Blicks auf jede Form des Krankseins leiten: Krankheit ist sinnvoll; und sie ist eine Gabe der uns wohlwollenden geistigen Führung. Mein meditativer Weg wurde geleitet durch die von Rudolf Steiner vermittelten Meditationsworte, die er den Teilnehmern des sogenannten Pastoralmedizinischen Kurses (GA 318) im September 1924 übergab. Und darin wird mit Blick auf die Trinität ausgesprochen, dass der VATER die Krankheit schickt zum Ausgleich des Karma.
Die Corona-Pandemie hat zum weltwaten, milliardenfachen Einsatz neuartiger Impfstoffe geführt. Von ihrer Einführung zum Jahreswechsel 2020/21 bis Ende Dezember 2021 wurden weltweit 4.5 Mrd. Menschen, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. mindestens einmal gegen Covid-19 geimpft. Seit Ende 2020 haben diese Impfstoffe eine »bedingte« oder »Notfallzulassung« in vielen Ländern der Erde. Der Abschluss der regulären Sicherheits- und Wirksamkeitsstudien ist für Mai 2023 terminiert. Allerdings werden die Zulassungsstudien auch dann keine eindeutigen Ergebnisse tiefem, denn die dafür erforderliche. verbündete Kontrollgruppe von Ungeimpften wurde bereits seit Dezember 2020 aufgelöst, indem den Mitgliedern der Kontrollgruppe von den Impfstoffherstellen »angeboten« wurde, sich impfen zu lassen. Wissenschaftliche Aussagen über die Wirksamkeit und Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe lassen sich deshalb aktuell nur aus Beobachtungsstudien gewinnen. bei denen man Geimpfte und Ungeimpfte vergleicht, wobei bei solchen Studien die Auswahlkriterien für die beiden Gruppen das Ergebnis beeinflussen können. Hier werden Daten aus solchen Studien referiert. Aufgrund der Fülle von Untersuchungen kann dabei keine Vollständigkeit erreicht werden. Es ist auch zu bedenken, dass weitere Studien neue Bewertungen und auch noch ganz andere Aspekte der Impfungen zeigen können, wie es aktuell im Zusammenhang mit der Omikron-Variante geschieht. Das betrifft auch mögliche Langzeitfolgen, wobei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Folgen meist nur schwer nachweisbar ist.
Der Philosoph Aldous Huxley und die Gegenwart
Ursprünglich war es ein Zitat aus einem Drama William Shakespeares, bevor es zum Titel eines Romans und darauf folgend zu einem geflügelten Wort wurde: Aldous Huxley schrieb mit seinem 1932 erschienenen Roman [›Schöne neue Welt‹] (engl. ›Brave New World‹) nicht nur einen Weltklassiker, sondern er gab tiefgehenden Befürchtungen einer dystopischtechnokratischen Zukunftsgesellschaft einen Namen, die nun im Kontext der seit einigen Jahren von gewissen Kreisen angestrebten »Vierten industriellen Revolution« neue Brisanz gewinnen. Angeregt zu seinem Roman hatte Huxley insbesondere die Autobiografie des Automobilmagnaten und Mitbegründers der Fließbandfertigung Henry Ford (1863-1947), in der Ford eine zentral geführte und hoch technisierte Massenproduktion propagierte. Huxley ahnte sofort die ungeheure Wirkmächtigkeit dieser Fortschrittsutopie und die damit einhergehenden Konsequenzen für das gesellschaftliche Leben. So lässt er seine »Schöne neue Welt« im Jahre »632 A.F.«, d.h. »Anno Fordii« beginnen, also 632 Jahre nach 1908 (2540), als das erste Ford T-Modell vom Band lief. Huxleys Dystopie ist eine Gesellschaft, in der die einseitig technologischen Prinzipien bereits restlos die soziale Wirklichkeit beherrschen: Durch künstliche Fortpflanzung werden die Menschen genetisch manipuliert und planwirtschaftlich zur Erfüllung bestimmter, eingegrenzter Tätigkeiten herangezüchtet, um letztendlich - durch die Droge Soma, Propaganda, sowie vielfältige Indoktrinations- und Zwangsmittel zu Gliedern eines perfekt funktionierenden Gesellschaftsapparates konditioniert – ihr Leben als Industriesklaven zu fristen.
Wie in unserer Gesellschaft zunehmend materialistisch-utilitaristisches Denken bestimmend wird
Wer, wenn nicht die Liberalen, sollte in der deutschen Politik als Bollwerk gegen das gegenwärtige Abschleifen der Grundrechte und als Hüter der freiheitlichen Verfassungswerte betrachtet werden dürfen? Dies galt zumindest bis zur Verkündung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zur »Bundesnotbremse« am 30. November des vergangenen Jahres. Als Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, zwei Tage nach dessen Verkündung verlautbaren ließ: »Wir müssen uns öffnen für eine solche Impfpflicht. Es ist ein scharfes Schwert, aber ich glaube, es ist verhältnismäßig«, da beging er mit Blick auf die verfassungsmäßigen Freiheitsrechte den vielleicht schwerwiegendsten politischen Wortbruch in der deutschen Geschichte der letzten Jahrzehnte. Im Bundestagswahlkampf hatte sich Lindner noch in aller nur denkbaren Deutlichkeit gegen eine Corona-Impfpflicht ausgesprochen, sowohl gegen eine direkte als auch gegen eine indirekte: »[I]ch bin dennoch gegen eine Impfpflicht, auch gegen eine Impfpflicht, indem man den Menschen, die nicht geimpft sind, den Alltag so schwer wie möglich macht. Das wäre eine mittelbare Impfpflicht. Impfen muss eine Frage der Selbstbestimmung bleiben.« Lindners Argument gegen eine Corona-Impfpflicht war die Patientenautonomie, die unbedingt gewahrt bleiben müsse. Nach dieser unzweideutigen Positionierung durfte man die Liberalen in dem guten Glauben wählen, dass diese die Grundrechte standhaft gegenüber etwaigen Anfechtungen durch sich weiter zuspitzende äußere Verhältnisse oder Forderungen anderer Parteien verteidigen würden. Doch weit gefehlt: Schon im Dezember, kaum im Sessel der ersehnten Regierungsmacht, waren Lindner und Teile der FDP nicht nur bereit, im Bundestag einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht zuzustimmen, sie haben zudem angekündigt, im neuen Jahr sogar für eine allgemeine Impfpflicht zu stimmen. Angesichts dieser 180-Grad-Kehrtwende in kürzester Zeit müssen sich nicht nur die Stammwähler der Liberalen vor den Kopf gestoßen fühlen, sondern auch jeder Bürger, für den das Versprechen eine moralische Institution darstellt.
Bemerkungen zur Genese des »Mottos der Sozialethik« von 1920
Zwischen der Erstfassung der ›Philosophie der Freiheit‹ vom Jahre 1893 und der Neuauflage von 1918 liegt ein Entwicklungsweg. Der unverbindlich-leichtfüßige Satz im IX. Kapitel: »Leben und Lebenlassen ist die Grundmaxime der freien Menschen«, erhält nach einem Vierteljahrhundert zwei gewichtige Einfügungen. Die Zeitumstände haben sich dramatisch verändert. Mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika und der Oktoberrevolution in Russland steht die »Welt von gestern« (Stefan Zweig) unmittelbar vor einem völligen Zusammenbruch. Die anthroposophische Bewegung – zunächst im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft theoretisch begründet und dann durch den Goetheanum-Bauimpuls und die Anfänge der Eurythmie künstlerisch belebt – hat sich auf eine breite Wirksamkeit in allen Bereichen des Lebens vorzubereiten, wie sie nach dem katastrophalen Ende des Krieges gefordert sein wird. Jetzt schreibt Rudolf Steiner: »Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen.«
Rudolf Steiner, Hegel und die Theosophische Gesellschaft
Als Rudolf Steiner 1897 in dem von ihm redigierten ›Magazin für Litteratur‹ einen Aufsatz über die Theosophen, bzw. über die Repräsentanten der 1875 in New York von Helena P. Blavatsky und Henry Steel Olcott gegründeten Theosophischen Gesellschaft schrieb, hätte keiner der Leser gedacht, dass Steiner wenige Jahre später selbst Mitglied dieser Gesellschaft werden würde. Die Theosophen, so heißt es darin, sähen mit Achselzucken auf die ganze europäische Wissenschaft herab und belächelten deren Verstandes- und Vernunftmäßigkeit. In harten, durchaus polemischen Sätzen fällt Steiner ein geradezu vernichtendes Urteil: »[D]ie Zahl derer, die sich lieber dem dunklen Gerede vom Erleben der Gottheit im Innern zuwenden als der klaren, lichten, begrifflichen Erkenntnis des Abendlandes ist nicht gering.« Steiner beschließt den Aufsatz mit einem Plädoyer für die freie, auf Vernunft und Beobachtung sich stützende Wissenschaft der Neuzeit und gegen trübe Geisterlebnisse.
Zum trinitarischen Wesen des Ich
Die erste explizite, bisher nie angemessen betrachtete Vertiefung des Verständnisses der Trinität durch Rudolf Steiner erfolgte schon in den ersten Jahren seiner Tätigkeit innerhalb der Theosophischen Gesellschaft. Bereits 1903 bis 1905 finden wir, sowohl in Niederschriften als auch in Aufzeichnungen aus Vorträgen und privaten Lehrstunden zahlreiche Hinweise und Erläuterungen zu der Trinität »Bewusstsein/Vater – Leben/Sohn – Form/Heiliger Geist«. Der Vater ist hier das aus dem Nichts schaffende, noch unmanifestierte, seiner selbst bewusste All(Welt)bewusstsein. Er ist, anders ausgedrückt, das Übersein, der schöpferische Ungrund,6 aus dem die Welt ohne Warum – weil ein Warum Zwang bedeuten würde –, durch eine freie Opfertat entsteht. Er ist »in sich ruhend, da und nicht da, über dem Sein, niemals wahrnehmbar [...], das absolut Verborgene, Okkulte [...], weil über alle Offenbarung erhaben«. Der Vater ist, in anderen Worten, der Offenbarer9 – gleichsam das absolute Selbst/Ich in jeder Offenbarung –, die »in sichselbst leuchtende Unendlichkeit« vor jeder »Differenzierung und Individualisierung«.
Die Geburtsstunde der deutschen Marienlyrik
Wahrscheinlich entstand schon in der frühen Christenheit das Bedürfnis, die vier Evangelien zu einer fortlaufenden Erzählung zusammenzufügen im Sinne einer Art Zusammenfassung der jeweils charakteristischen Stationen des Lebens Jesu. So schuf im 2. Jahrhundert n. Chr. der Syrer Tatian († um 170) eine solche ›Evangelienharmonie‹, die in einer lateinischen Übersetzung bis ins frühe europäische Mittelalter gewirkt hat und um 830 auch ins Althochdeutsche übersetzt wurde. Im Frankenreich der Karolinger ist, wohl auch im Zusammenhang mit der Christianisierung, ebenfalls ein solches Bedürfnis nach einer Zusammenfassung des Lebens Jesu vorhanden gewesen. Und so entstanden im 9. Jahrhundert gleich zwei Evangelienharmonien: der von einem unbekannten Verfasser stammende und für die Sachsenmission gedachte altsächsische ›Heliand‹ in germanischen Stabreimversen und der ›Liber evangeliorum‹ (Buch der Evangelien) des Mönchs Otfrid von Weißenburg in althochdeutsch-südrheinfränkischen Endreimversen – die erste deutsche Großdichtung mit Endreimen in Langzeilenform.