Zur gegenwärtigen Aufarbeitung der Corona-Politik – Teil I
Wo. wie und mit wem findet die Aufarbeitung der schwersten Krise der Menschheit seit dem Zweiten Weltkrieg heute statt? In Deutschland bislang nur sehr zögerlich bis gar nicht in Österreich nur partiell. und in der Schweiz ähnlich wie in Deutschland ebenfalls nur zögerlich bis gar nicht1 In dem vorliegenden zweiteiligen Essay werden zwei Versuche zur Aufarbeitung der Corona-Krise im deutschsprachigen Raum genauer untersucht verbunden mit der Frage: Was sagt uns diese Art der Bewältigung der Corona-Krise über den gegenwärtigen Bewusstseinszustand der Menschen in Mitteleuropa, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Der Hl. Pirmin (* um 690; † 753) und die Gründung des Klosters Reichenau vor 1300 Jahren
Im Januar 1988 hatte ich Gelegenheit, trotz fest geschlossener Mauer von der DDR an den Bodensee zu reisen. Studienfreunde, die nach gelungener Ausreise in die Bundesrepublik jetzt in Radolfzell lebten, beherbergten mich für einige Tage. Mein erster Weg dort führte mich auf die Insel Reichenau. Der Zug Richtung Konstanz hielt am Bahnhof Reichenau nahe dem Damm, der seit 1838 die Insel mit dem Festland verbindet. Es war ein kalter, nebliger Tag, an dem man nicht weit sehen konnte; gar nichts von der Kulisse der Alpen im Hintergrund, kaum die nahegelegenen Bäume der Pappelallee. Was mich hierher zog, war das sichere Gefühl, einen alten, geweihten Ort zu betreten, den ich als Deutsche und Europäerin unbedingt gesehen haben musste. Ich ging die etwa zwei Kilometer allein, einmal überholte mich ein Auto, der Fahrer hielt und bot mir an, mich mitzunehmen. Doch ich lehnte ab, zu sehr hätten mich praktische Erwägungen vom eigentlichen Erleben der Reichenau abgehalten.
Zum Auftakt einer neuen Filmreihe von Rüdiger Sünner
Über den unermüdlich schaffenden Filmemacher und Autor Rüdiger Sünner kann man ohne Übertreibung mit einem Wort Martin Bubers sagen, dass er stets darum bemüht ist »neues Feuer« heranzubringen, damit »die Glut auf dem Altar seiner Seele nicht verlösche«. Eine ganz wichtige Inspirationsquelle für Sünners Werk, aus der er seit Jahrzehnten sein kreatives Seelenfeuer bezieht, sind die Landschaften, die er auf seinen zahlreichen Filmreisen durchstreift. Kein Sünner-Film, der nicht zu einem wesentlichen Teil von der Atmosphäre der gefilmten Orte lebt. Da ist es nur folgerichtig, wenn sich Sünner nach den vielen Porträts, die er über große Denker, Dichter und Künstler gedreht hat, nun in seinem Alterswerk dem Rohstoff seiner Arbeit zuwendet und uns mitnimmt auf eine Reise zu seinen Seelenlandschaften. Es ist, als würde Sünner sein sonst eher im Hintergrund wirkendes Zauberkästchen ins Offene stellen und ihm den Ehrenplatz auf der Bühne überlassen. Die stimmungsvollen Filmorte dienen nun nicht mehr der Untermalung der Gedanken und Lebensstationen berühmter Protagonisten, sondern werden selbst zu den alleinigen Hauptdarstellern. Entstanden ist dabei ein sinnlich-poetischer Filmzyklus, der auf mindestens drei Teile angelegt ist. Zwei davon sind bereits erschienen: ›Seelenlandschaften: England und Wales‹ und ›Seelenlandschaften: Schottland‹. Im Herbst 2024 wird ein weiterer Teil über die Seelenlandschaften in Deutschland folgen (der auch von einem Buch begleitet wird). Und es wäre nicht verwunderlich, wenn es am Ende einen vierten oder fünften Teil geben sollte. Zumindest scheint die kindliche Entdeckerlust des mittlerweile 70-Jährigen noch immer frisch und ungebrochen.
Wiederverkörperung und Menschenwürde
Spirituelle Autobiografie
Immanuel Kant und Johann Wolfgang von Goethe haben sich beide intensiv mit dem Problem des Lebendigen auseinandergesetzt, Kant in seiner ›Kritik der Urteilskraft‹, Goethe in seiner ›Metamorphose der Pflanzen‹. Die beiden Schriften, die zeitgleich an Ostern 1790 erschienen, können als paradigmatisch für die Frage nach dem Lebendigen angesehen werden, Kant bezüglich der Zweckmäßigkeit, Goethe bezüglich der Form und ihrer Metamorphose. Rudolf Steiners Darstellungen ermöglichen es, Goethes Methode als die Lösung von Kants Frage zu erkennen.
Ermutigung für den Rechtsweg
Ein Zeugnis heilsamer Streitkultur
Warum wir die Zukunft nicht »lernenden Maschinen« überlassen dürfen
Die Gegenwartsdiskussion wird bestimmt vom Klimawandel, der Migration, der Energiewende – doch wer genauer hinliest, der erkennt, dass ein Thema gewissermaßen nach vorne geschrieben wird, und nicht mehr nur im Wirtschaftsteil: Es geht um »Künstliche Intelligenz«. Zu fragen ist dabei, ob der aktuell auflebende Kampf zwischen menschlicher und »Künstlicher Intelligenz« für die Menschheit eine gelingende Zivilisation ermöglichen wird. Zweifelsohne, es ist unsere eigene, menschliche Intelligenz, die wir angewandt haben, um den Computer, die digitale Maschine, zu entwerfen, zu entwickeln und zu bauen. Längst haben wir begonnen, unsere Intelligenz in Maschinen hineinzubringen. Wir nennen sie »Künstliche Intelligenz«, eine kalte Intelligenz, die nun dazu übergeht, sich selbstständig zu machen, sich uns entgegenzustellen. Daran wird auch eine neu zu entwickelnde KI-Sicherheitspolitik nichts ändern können. Wir haben darüber nachzudenken, wie lange wir noch fähig sind, diese immer mächtiger werdende Maschine mit ihrer wesensfremden Intelligenz unter unserer Kontrolle zu halten.
»Ich denke an sie wie an ein Mädchen«
Vom Eros des Denkens
Es gibt ein schöpferisches Verstehen, ein kreatives Anschauen, das nichts zu tun hat mit Interpretation. Darin sind sich zwei so unterschiedliche Geister wie Bertolt Brecht und Rudolf Steiner einig. Brecht: »›Was tun Sie‹, wurde Herr K. gefragt, ›wenn Sie einen Menschen lieben?‹ ›Ich mache einen Entwurf von ihm‹, sagte Herr K., ›und sorge, da. er ihm ähnlich wird.‹ ›Wer? Der Entwurf?‹ ›Nein‹, sagte Herr K., ›der Mensch.‹. Und Steiner: »Man sagt: die Liebe mache blind für die Schw.chen des geliebten Wesens. Die Sache kann auch umgekehrt angefaßt werden und behauptet: die Liebe öffne gerade für dessen Vorzüge das Auge. Viele gehen ahnungslos an diesen Vorzügen vorbei, ohne sie zu bemerken. Der eine sieht sie, und eben deswegen erwacht die Liebe in seiner Seele. Was hat er anderes getan: als von dem sich eine Vorstellung gemacht, wovon hundert andere keine haben. Sie haben die Liebe nicht, weil ihnen die Vorstellung mangelt.«
Begleitung eines Sterbens
Zu Volker Fintelmann & Steffen Hartmann: ›Auf der Suche nach dem Ich‹
›Auf der Suche nach dem Ich‹ – so lautet der Titel einer Schrift von Volker Fintelmann und Steffen Hartmann. Eine bemerkenswert geistreiche, anregende Wirksamkeit geht von ihr aus. Hier haben zwei Autoren ihre Suche nach dem Heilmittel für manche soziale Krankheit schriftlich niedergelegt. Das Vorwort weist hin auf die unterschiedlichen Betrachtungsweisen beider Verfasser, die bei näherer Sicht auch hervortreten, was eine kontrastreiche Spannung bewirkt. Mit der Methode der Ausschließung wird sodann aufgezeigt, was das Ich gewiss nicht ist: Es ist nicht die Außenwelt und nicht die eigene Leiblichkeit, nicht meine Gefühle, nicht meine Erinnerungen, nicht meine Gedanken und nicht meine Ideale. Auch das Selbstgefühl, das mir Gewissheit meiner leiblichen Präsenz verleiht, ist nicht das Ich. Das Selbstgefühl zeugt aber von der Anwesenheit des Ich im Leib. All dies wird in klarer Gedankenführung und mit sprachlicher Intensität, zugleich aber ganz allgemeinverständlich vorgetragen. Ein meditativer Weg der Ich-Besinnung, eine Übung der Bewusstseinsseele für jeden Leser, wird hier vorgeführt. Aufmerksam mitvollzogen wird diese Übung zum Erlebnis der geistigen Wesenheit und Wirksamkeit des Ich leiten.
Zu den der Weihnachtstagung 2023/24 gewidmeten Beiträgen von Günter Röschert, Ralf Sonnenberg und Stephan Eisenhut in die Drei 1/2024
Ins Persönliche übersetzt
Vergnügliche Lektüre-Reise
Von -enden, Sternchen* und DoppelpunktInnen
Es wird gegendert, was das Zeug hält. Auch und gerade an Waldorfschulen. Noch gar nicht lange ist es her, dass man eine Schulpost lesen konnte, ohne Lehrer und Lehrerinnen, Schüler und Schülerinnen, Hausmeister und Hausmeisterinnen ausbuchstabieren zu müssen. Wie sind wir korrekt geworden, und wie ist das Korrektgewordensein langweilig, mühsam, nüchtern! Doch ist dieses Gegendere (schon für die Benutzung des Wortes »gendern« sollte man Strafe zahlen müssen) tatsächlich korrekt?
Selbstlosigkeit als Mitte einer Ästhesiosophie
»Sieghafter Geist / Durchflamme die Ohnmacht / Zaghafter Seelen. /Verbrenne die Ichsucht, / Entzünde das Mitleid, / Dass Selbstlosigkeit, / Der Lebensstrom der Menschheit, /Wallt als Quelle / Der geistigen Wiedergeburt.«Rudolf Steiner, 20 September 1919Dieser michaelisch gestimmte Spruch, den Marie Steiner bei der Erstveröffentlichung mit der Überschrift ‘Meditationsworte, die den Willen ergreifem versah, wurde von Rudolf Steiner am sechsten Jahrestag der Grundsteinlegung des ersten Goetheanums, am vierzehnten Tag nach der Eröffnung der ersten Waldorfschule verdichtet. Hier begegnen wir zwei Gebärden des Ich, die einen radikalen Gegensatz erzeugen.
Transhumanismus, künstliche Intelligenz und das Michaelzeitalter
Die entscheidende Frage des gegenwärtigen Michaelzeitalters ist, ob die Menschheit den Materialismus überwinden kann. Während die Anthroposophie eine Überwindung des Materialismus anstrebt, die für das gegenwärtige, am naturwissenschaftlichen Denken geschulte Bewusstsein angemessen ist, treibt ihn der Transhumanismus auf die Spitze, indem er den Menschen als ein Maschinenwesen definiert, das technisch optimiert werden soll. Dabei will er die drei Konstruktionsfehler dieser Maschine: Alter, Krankheit und Tod durch die Fortschritte in der Biotechnologie, Robotik und Nanotechnologie überwinden.
Das Faszinosum des Transhumanismus besteht darin, dass er tiefe spirituelle Sehnsüchte des Menschen, z.B. nach Unsterblichkeit, anspricht und für diese eine bequeme, materialistische Lösung anbietet, indem er ihm einen unsterblichen Leib verspricht. Die spirituelle Sehnsucht nach Unsterblichkeit der Seele wird dabei umgelenkt auf das materialistische Verlangen nach einem unsterblichen Leib.
Zu Bertrand Badiou: ›Paul Celan. Eine Bildbiographie‹
Paul Celan sei der bedeutendste Dichter deutscher Sprache nach 1945, so Klaus Reichert, der Lektor Celans im Suhrkamp-Verlag bei einem Vortrag im Haus am Dom in Frankfurt anlässlich des 100. Geburts- und 50. Todestages Celans. Wie kann man diese von Begeisterung und genauer Kenntnis fundierte Aussage verstehen? Dazu gibt die von Bertrand Badiou verfasste Bildbiografie über Celan reiche Auskunft. Sie fügt sich als wichtiges und tragendes Glied in eine Reihe von Publikationen zum Werk Celans, dessen sachgemäße Würdigung und Darstellung sich der Suhrkamp-Verlag zur Aufgabe gemacht hat. Dazu zählen Celans Briefwechsel, aber auch eine Edition seiner verstreuten Prosa sowie Studien zu seinem Werk, Erinnerungsliteratur und kommentierte Ausgaben seiner Gedichte. An vielen dieser Veröffentlichungen war Badiou beteiligt.
Drei Schlaglichter auf Leben und Werk
Zu Franz Kafkas 100. Todestag am 3. Juni 2024 wird ein Jahrhundert-Schriftsteller gefeiert. Ein Genie des Wortes. Ein Schriftsteller, der damals wie heute in die Zukunft wirkt und immer bekannter wird, je mehr unsere Zeit voranschreitet. Man hat nicht den Eindruck, dass nach Ablauf des Gedenkjahres Stille um ihn herrschen wird. Dafür sind zu viele Menschen hinzugekommen, die ihn jetzt erst richtig entdeckt haben, vor allem aus der älteren Generation, für die Kafkas Leben und Werk noch nicht zum Schulunterricht gehörte. Im Jahr 2024 gibt es dazu die verschiedensten Initiativen und Neuheiten. Aus vielem, vielem anderen sind hier ausgewählt: Die Ausstellung von Hans-Gerd Koch zu Kafkas Familie in der Berliner Staatsbibliothek; die neue, geistig orientierte Biografie von Rüdiger Safranski; und ein Abend in der Berliner Christengemeinschaft zum Thema Kafka, Mozart und Intuition.
Die Weihnachtstagung zur Neugründung der Anthroposophischen Gesellschaft 1923/24 und Rudolf Steiners Hochschulimpuls
Noch unter dem unmittelbaren Eindruck der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« stehend, wie der Historiker George F. Kennan den die Geschichte dieses Jahrhunderts prägenden Ersten Weltkrieg charakterisiert, gab Rudolf Steiner im Jahr 1918 ›Die Philosophie der Freiheit‹ neu heraus. Der Autor versah sein damals weitgehend in Vergessenheit gesunkenes Hauptwerk bei dieser Gelegenheit mit erläuternden Zusätzen und einer ›Vorrede‹. Offenbar war es ihm, der zu diesem Zeitpunkt seit mehr als einem Jahrzehnt in der theosophisch-anthroposophischen Bewegung als vielbeanspruchter Vortragsredner, Lehrer und Berater unterwegs war, wichtig, auf die Grundlagen der von ihm vertretenen Geisteswissenschaft zu verweisen. Es galt, das Ideal eines »ethischen Individualismus« ins Bewusstsein seiner spirituell meist hochmotivierten Schülerinnen und Schüler zu rücken. Diese waren aufgrund ihres Hangs zu mystischen Traditionen und unter dem Eindruck der Autorität des »Meisters« sowie der von diesem übermittelten »Offenbarungsinhalte« stets gefährdet, ihr selbstständiges Denken und Beobachten zumindest partiell einzubüßen.
Zu Christoph Hueck: ›Evolution im Doppelstrom der Zeit‹
Schon im Vorfeld, bevor dieses Buch 2012 in erster Auflage im Verlag am Goetheanum erschien, gab es heftige Auseinandersetzungen, die insbesondere um die Frage kreisten, ob Evolution als etwas zu denken sei, was in die Zukunft hin offen ist, oder ob dem evolutiven Prozess eine Teleologie innewohnt. Ob es also ein Ziel, eine ideell-geistige Richtung gebe, die im evolutiven Prozess mitbestimmend ist. Wolfgang Schad, der den ersten Standpunkt vertrat und verhindert hatte, dass das Buch wie ursprünglich geplant im Verlag Freies Geistesleben erschien, kritisierte es – zusammen mit anderen – ausführlich auf den Seiten dieser Zeitschrift. Schad starb im Herbst 2022. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Christoph Hueck, der von Anfang an die Teleologie als mitgestaltendes Element im evolutiven Prozess ins Spiel gebracht hatte, an der nun vorliegenden zweiten Auflage seines Buches. Er erwähnt die Auseinandersetzung mit Schad im Vorwort zur Neuauflage und erklärt, dass er ihm viel verdanke. Sein Buch sei zwar »im inhaltlichen Dissens, aber auch in einem inneren Dialog« (S. 13) mit dessen Werk entstanden.
Zur Tagung ›Civilization: Death and Resurrection‹ vom 5. bis 7. April 2023 in Stroud
Stroud – ein malerisches, südwestenglisches Städtchen zwischen Hügeln, von denen aus man bis zur Mündung des Severn in die Keltische See blicken kann. Hierhin hatten vom 5. bis 7. April dieses Jahres Gregers Brinch und Richard Ramsbotham zu einer ›Fourfold Living Arts‹-Tagung eingeladen. Gemeinsam mit ca. 60 Teilnehmenden wurde in sehr lebendigen künstlerischen Darbietungen, Vorträgen und vielen Gesprächen der 100. Geburtstag der Ostertagung 1924 in Dornach und zweier Initiativen gefeiert und bedacht. Angesichts der schwierigen ökologischen und ökonomischen Lage, in der wir uns als Menschheit befinden, sind alle drei Impulse noch ebenso notwendig und umkämpft wie damals!
Zu Edwin Hübner: ›ChatGPT – Symptom einer technischen Zukunft‹
Der Verfasser des hier zu besprechenden Buches hat den Wunsch, dass seine Leser verstehen, wieso eine Maschine in der Lage ist, auf schwierige Fragen komplexe und sinnvolle Antworten zu geben. Um dieses Ziel zu erreichen, wird u.a. erklärt, was künstliche neuronale Netze sind, wie sie gebaut werden und wie sie funktionieren. Im Folgenden einige Sätze aus dem Kapitel ›Zur Grundidee von ChatGPT‹: »Das Prinzip ist schnell formuliert. Die Maschine hat die Aufgabe, zu einem eingegebenen Text nur das nächste sinnvoll passende Wort zu finden. Wird also bei ChatGPT eine Frage, ein sogenanntes Prompt, eingegeben, dann hat der daraufhin erfolgende Rechenaufwand nur eine einzige Aufgabe: das Wort zu finden, das die größte Wahrscheinlichkeit besitzt, den sinnvollen Anfang eines Antwortsatzes zu bilden. […] Man kann es auch so formulieren: Das Sprachmodell GPT versucht in bestmöglicher Nähe die bedingte Wahrscheinlichkeit des Wortes Wn zu bestimmen, wenn die anderen Wörter W1, W2, W3 … Wn-1 bereits vorliegen.« (S. 21)
Zur letzten Phase der Beziehung zwischen Christian Morgenstern und Friedrich Kayssler
Am 5. April 1914, einen Tag nach der Trauerfeier für den am 31. M.rz verstorbenen Christian Morgenstern, schrieb Friedrich Kayssler an die Witwe Margareta: «Es hat mir so wohl getan, daß ich mit ihm [Rudolf Steiner] gesprochen habe [...]. Von dem gestrigen Tage geht ein Licht aus, ein Friede, der unbeschreiblich ist. Wir tragen ihn in uns wie ein seliges Glück, es ist nicht anders zu nennen. Es ist, als hätte alles, unser Leben, eine Weihe bekommen. Aber diese Worte sind arm.« Dem Brief war ein mit ›Meinem hingegangenen Freunde‹ überschriebenes Gedicht beigefügt: »Einst schien der Tod ein Abgrund, uferlos und leer, / daran wir, die Verlassenen, hilflos stehn. / Da sah ich Dich, Geliebtester, hinübergehn. / Nun weiß ich mehr. // Ein Abgrund war. Es stürzte eine Welt. / Doch als Dein Bild in Tränenschleiern schwand – / ward uns das innere Auge sanft erhellt, / und eine neue Gegenwart erstand. // Noch fern dem Tode – früher – sagtest Du, / nicht Trauer zieme uns bei Freundes Tod. / Nun halfst Du selber uns aus aller Not / und strahltest sterbend Gegenwart uns zu. // Du wolltest keine Tränen. Nun hab Dank. / Nicht Trauer ziemt uns, denn wir sehn Dich ja. / Der Abgrund blüht, aus Schweigen steigt Gesang. / Der Tod ward uns ein Gleichnis: Du bist da.«