Die Anthroposophie eröffnet einen wissenschaftlichen Erkenntniszugang zum Übersinnlichen. Man soll Rudolf Steiners Ausführungen nicht glauben, sondern versuchen, sie zu verstehen. Die Anthroposophie ist Geisteswissenschaft. Selbstverständlich gibt es andere, legitime Formen des Umgangs mit der Anthroposophie, aber am Ende zielt sie auf die Ausbildung selbstständiger geistiger Erkenntnisfähigkeiten. Allerdings ist das geisteswissenschaftliche Erkennen nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch anders als das naturwissenschaftliche. Es ist zwar genauso klar, aber beweglicher, anschauender und erlebender, und es arbeitet auch mit anderen Fundamentalbegriffen. In den vergangenen 500 Jahren wurde das naturwissenschaftliche Denken als allgemeine menschliche Fälligkeit ausgebildet. Beim geisteswissenschaftlichen Denken stehen wir erst ganz am Anfang. Aber gerade in dessen Ausbildung liegt eine der großen kulturhistorischen Aufgaben der Gegenwart und Zukunft.Wissenschaft ist eine Methode, um die Trennung zwischen Ich und Welt in voller Bewusstheit zu überwinden. Zur Wissenschaftlichkeit gehört deshalb immer eine klare Beschreibung der Methode sowie ihre begriffliche Durchdringung und Begründung. In einem voran gegangenen Artikel habe ich erläutert, inwiefern Goethes Metamorphosenlehre eine Grundlage für die wissenschaftliche Methode der Anthroposophie ist, insbesondere, insofern es sich um eine Erkenntnis des Lebendigen handelt. Goethe hatte ein bewegliches und anschauendes, »imaginatives« Denken, das ihn besonders befähigte, das Lebendige in seiner fortwährenden Verwandlung zu erkennen. Hier soll nun eine begriffliche Bestimmung lebendiger Entwicklung, ein tragfähiger Entwicklungsbegriff hinzugefiigt werden.