Ermutigung für den Lebensweg
Der Anatom und Botaniker Olof Rudbeck d.J. (1660–1740) und sein Schüler Carl von Linné (1707–1778
Olof Rudbeck d.J. war der Enkel von Johannes Rudbeck (1581–1646), der nach Luthers Tod in Wittenberg studiert hatte, später eine segensreiche Wirksamkeit als Bischof in Västerås ausübte und das schwedische Schulwesen stark förderte. Und er war der Sohn von Olof Rudbeck d.Ä. (1630–1702), der Medizinprofessor in Uppsala war und über Atlantis schrieb. Olof Rudbeck der Jüngere (geb. am 15. März 1660 in Uppsala, gest. am 23. März 1740 ebd.) – oder auch Olaus Rudbeckius dy (den yngre)– war ein schwedischer Naturforscher, vor allem auf dem Gebiet der Botanik und der Ornithologie, dazu mehrfach Rektor der Universität Uppsala (1708, 1715 und 1724). 1687 ging er zum Studium der Botanik nach Holland, England und Deutschland. Es folgte ein Medizinstudium an der Universität in Utrecht, wo er 1690 den Doktortitel erwarb. 1692 kehrte er nach Schweden zurück und trat als Professor für Medizin die Nachfolge seines Vaters an der Universität Uppsala an. Er spezialisierte sich auf Anatomie, Botanik, Zoologie und Pharmakologie. Sein Kollege Lars Roberg (1664–1742) hielt Vorlesungen in Medizin, Chirurgie, Physiologie und Chemie.
zu Artikeln von Bijan Kafi (2/2023), Frank Steinwachs (4/2023) und Thomas Külken (5/2023)
Anfang einer Ästhesiosophie
Der aus dem Griechischen übersetzte Anfang des Johannesevangeliums ist bekannt: »Am Anfang war das Wort (lógos), und das Wort war bei Gott.« (Joh 1,1). Bei aller Stimmigkeit verbirgt diese mittlerweile gängige Übertragung - wie übrigens alle Übertragungen ins Lateinische oder in eine moderne Sprache - die fruchtbare Vielfalt des griechischen Begriffs lógos. Ohne Bewusstsein dieser Vielfalt ist es jedoch nicht möglich, den unerschöpflichen Reichtum der johanneischen Spiritualität wahrzunehmen. Zu diesem Bewusstsein möchten die folgenden Ausführungen einladen, dabei manche fruchtbare Anregungen zu einem zukunftsträchtigen Menschenbild hervorhebend, die das Johannes-Evangelium uns schenkt.Im geistigen Horizont des Johannes bezeichnet der griechische Begriff lógos nicht nur das schöpferische Wort, das von der göttlichen Intelligenz (ebenso lógos) des Vaters geboren wird, sondern auch das harmonische Verhältnis, das zwischen dem Vater und dem Sohn/Wort am Anfang allen Seins schöpferisch wirkt, und durch das alle Formen des Seins entstehen (Joh 1,3 und 10). Denn in der Tat ist eine Grundbedeutung von lógos eben Verhältnis, Relation, Proportion, auch in musikalisch-mathematischem Sinne, d.h. als stimmiges Verhältnis wahrgenommen. Demzufolge kann der Anfang des Johannesevangeliums ebenso übertragen werden als: »Am Anfang war das (stimmige, harmonische) Verhältnis, und dieses Verhältnis war zum Gott hin gewendet.«
Zu ihrem 100. Geburtstag am 28. Mai 2023
Der Christian Mellinger Verlag in Stuttgart gab in den Siebziger Jahren einige Bände zum Keltischen Kulturkreis erneut heraus, die ursprünglich im eher privaten Are-Verlag von Ernst Karl Plachner zwischen 1955 und 1958 erschienen waren. Man staunte, dass von einer so tiefgründig in das Wesen der Keltischen Mythologie eingedrungenen Forscherin keine weiteren Werke erschienen – bis man Anfang des neuen Jahrtausends eher zufällig erfuhr, dass die Autorin Maria Christiane Benning bereits 34-jährig verstorben war, als Lehrerin an der Wuppertaler Waldorfschule. Sobald daraufhin Nachrufe und sehr frühe Bändchen ihrer Lyrik aufgestöbert wurden, musste man immer mehr ins Staunen geraten, denn die kurze Biografie wies Bemerkenswertes auf.
Zur Diskussion über die Homöopathie
Zum Thema ›Globuli, Wissenschaft und Patientenwunsch – Über den Stellenwert der Homöopathie im Gesundheitswesen‹ lud der Hospitalhof Stuttgart am 15. März 2023 die Öffentlichkeit in den großen Saal des lichten, einladend renovierten Veranstaltungszentrums ein. Die Begrüßung durch Pfarrerin Monika Renninger und der Einführung in die Thematik durch Dr. Dietmar Merz, Studienleiter an der Akademie Bad Boll, machte deutlich: Dieser Abend war in seiner Struktur und der Auswahl der Referenten gründlich vorbereitet.
35 Aphorismen
1. Doppelgänger machen alle Gänge doppelt.
Bilder einer gegenwärtigen Alchemie
Die mittelalterliche Kirche der Heiligen Gervasius und Protasius in Nimis - in der Provinz Udine, unweit von Cividale, der Hauptstadt des ersten langobardischen Herzogtums in Italien - birgt ein sehr bemerkenswertes Bild Michaels aus dem 14. Jahrhundert. Deshalb sehr bemerkenswert ist das Bild, weil es, soweit mir bekannt, einmalig in so wirksam verdichteter Form die zwei Hauptmotive der Michael-Ikonografie in einer einheitlichen Komposition zusammenklingen lässt: Der Kampf gegen den Drachen bzw. Teufel und die Seelenwägung (Psychostasia), die das Schicksal der Seele im nachtodlichen Leben entscheidet. Die intime geistige Verbindung der zwei Motive wird in diesem Bild durch die Tatsache offenbar, dass Michaels Speer und der Balken der Waage Michaels zusammen ein Andreas-Kreuz, ein X bilden, was wiederum auf eine tiefe alchemistische Symbolik hinweist: Auf das bis ins Physische offenbare geistige Licht, das durch das vollkommene Maß der pythagoreischen Vierheit bzw. Zehnerschaft offenbar wird, sowie auf jene Substanz, Sal Ammoniacum, die als Vermittlerin zwischen Wasser und Feuer, Himmel und Erde, Geist und Leib wirkt, ferner auf das Glas als kristallklarem Stoff, der sich der Vollkommenheit am stärksten annähert.
Anmerkungen zur Schulpflicht in Deutschland
Deutschland ist eines der wenigen europäischen Länder, in denen es eine Schulpflicht gibt, welche die Anwesenheit in einem Schulgebäude zwingend erforderlich macht. Bis zu den Lockdown-Maßnahmen der Jahre 2020/21 war sie derart tief in unserem Selbstverständnis verankert, dass sie so gut wie nie in Frage gestellt wurde – sichert sie doch auch den Besuch der Waldorfschulen und damit indirekt, durch die staatlichen Zuschüsse, deren Bestand. Mit dem ersten Lockdown im März 2020 geschah das bis dahin Unvorstellbare: Die Schulen wurden bundesweit geschlossen, nur in ganz besonderen Ausnahmefällen durften Kinder die Schulgebäude noch betreten. Durch diese für die Familien ganz neue häusliche Lernsituation trat auch eine schon länger bestehende Bewegung stärker ins Bewusstsein: Die Bewegung der Freilerner, die keine Schule im bei uns üblichen Sinne besuchen.
Zu Gerd Koenen: ›Im Widerschein des Krieges‹*
Jeder Mensch, der heute nicht nur bloß dahinlebt, ist betroffen und belastet durch den Krieg in der Ukraine; als verheerendes Unwetter, als Entsetzen, als dunkles Rätsel hängt er über Europa und der Welt. Dieser Krieg hat inzwischen eine Flut von Büchern hervorgebracht, die ihn erklären, Thesen vertreten, Emotionen und Hass schüren, Friedensappelle an die Welt richten und kluge Diskurse darüber führen, wie es dazu kommen konnte. Kein Buch aber – soweit ich das überblicke – gibt Kunde von einem »Nachdenken über Russland« angesichts eines Krieges, dessen mörderischen Schein uns die Medien zeitnah und unmittelbar ins Haus bringen. Als Widerschein im menschlichen Denken, Betrachten und Beurteilen sich spiegelnd, wird dieser Krieg zwar nicht weniger höllisch, ist aber kein lähmendes Fatum mehr.
Zur Ausstellung: ›Mithras. Annäherungen an einen römischen Kult‹ im Archäologischen Museum Frankfurt
Ich hatte einen Traum: Splitterfasernackt stand ich in einem Museum – und es war kein bisschen peinlich. Darüber musste ich nicht lange grübeln: Es handelte sich um eine Reminiszenz an den Vortag. – Mein Besuch der Mithras- Ausstellung in Frankfurt am Main hinterließ nachhaltige Seelenspuren. Eben das, was das Traumbild zeigte, l.sst sich dort hellwach erleben. »... denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.« Diese Zeile stammt von Rilke, aus seinem Gedicht: ›Archaischer Torso Apollos‹, mit dem berühmten Schlusswort: »Du mußt dein Leben ändern.« Soll heißen: sich selbst in der Totalität der eigenen Person von einem Kunstwerk aus gesehen, wahrgenommen zu erleben, ist immer eine erschütternde Geisterfahrung. Ich werde wieder darauf zurückkommen.
Zur phänomenologischen Bildbetrachtung
Die Bezeichnung »Phänomenologie« stammt aus der Philosophie und umfasst eine Vielzahl zum Teil sehr komplexer theoretischer und methodischer Ansätze, die sich mit Namen wie Edmund Husserl, Martin Heidegger, Maurice Merleau-Ponty und vieler anderer verbinden. Auf diese philosophischen Strömungen werde ich hier nicht eingehen. Es scheint mir jedoch gerechtfertigt, von »phänomenologischer Bildbetrachtung« zu sprechen, wenn ich eine Vorgehensweise meine, die von den sichtbaren Phänomenen ausgeht und die Aufmerksamkeit zudem auf die anschauende Erfahrung richtet. Dass eine Bildbetrachtung vom Sichtbaren ausgehen sollte, scheint selbstverständlich zu sein, und doch fällt es vielen Menschen schwer, sich auf dieses Sichtbare tatsächlich einzulassen. Wenn wir einem Gemälde gegenüberstehen, wollen wir es verstehen; wir heben es, Bilder zu interpretieren und ihre »Hintergründe« - ob historische, biografische, symbolische oder weltanschauliche - zu beleuchten. Hierbei gehen wir häufig von der Prämisse aus, dass das Bild eine begrifflich fassbare »Botschaft« vermittelt, und so setzen wir all unsere gedanklichen Bemühungen ein, um diese Botschaft zu entschlüsseln.
Einen Atmungsprozess miterleben
Zu Kurt Almqvist & Daniel Birnbaum: ›Hilma af Klint. Catalogue Raisonné Volume VII‹
Seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts gilt Hilma af Klint (1862–1944) als eine der herausragenden Gestalten im Umbruch von der gegenständlichen zur »abstrakten« Malerei der Moderne. Wenn auch nicht in ihrer eigenen Zeit unmittelbar einflussreich, hat ihr Werk nach dessen Entdeckung dennoch einen wichtigen Beitrag für die kunstgeschichtliche Forschung geliefert, spirituelle Dimensionen und Motivationen für die Wahl ungegenständlicher Motive am Beginn des 20. Jahrhunderts ernst zu nehmen, statt letztere auf rein formale Überlegungen zurückzuführen. Ausdruck dieses Paradigmenwandels waren groß angelegte Ausstellungen wie etwa ›Okkultismus und Avantgarde. Von Munch bis Mondrian‹ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt im Jahre 1995.
Zum Gedenken an Adam Smith (getauft am 16. Juni 1723 in Kirkcaldy – gestorben am 17. Juli 1790 in Edinburgh)
Adam Smith wurde vor 300 Jahren, am 16. Juni 1723 getauft, sein Geburtstag ist unbekannt. Er war ein schottischer Moralphilosoph, ein Aufklärer, und er gilt als Begründer der klassischen Nationalökonomie. Ich begegnete ihm in Edinburgh an zwei markanten Stellen: an seinem Denkmal neben der St Giles Kathedrale und dem Grabmal im Canongate Kirkyard, der an der Royal Mile nahe dem Holyrood Palace gelegen ist. Angesichts von Smiths Riesenwerk kann hier natürlich nur ein ausgewählter Teil betrachtet werden.
Unvereinbare Interpretationen
Teil II: (Über-)Leben in der Technosphäre
Im ersten Teil dieses Artikels erfolgte eine symptomatologische Zusammenfassung der Corona-Ereignisse als Ausdruck einer Autoritätsgesinnung, die sich vor allem der Medizin bemächtigte und auffällige Parallelen zur herrschaftsbezogenen und dogmatischen Bewusstseinsstruktur der mittelalterlichen Kirche aufweist. Im Folgenden soll auf tiefere Zusammenhänge eingegangen werden, die für das Geschehen der letzten drei Jahre ausschlaggebend gewesen sein könnten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Metamorphose religiöser Lehren in aktuelle Kraftwirksamkeiten, die sich über den lebensweltlichen Kontext hinaus bis in die Leibbildung hinein erstrecken. Abschließend wird dargestellt, wie ein Denken, welches das Ich für Empfindungszusammenhänge sensibilisiert, diesem helfen kann, sich auch in den gegebenen Kräftekonstellationen finden und halten zu können.
Im Unscheinbaren tüchtig sein
Zum Gedenken an Roland Halfen
Noch im August dieses Jahres war Roland Halfen im Vinschgau und im Unterengadin unterwegs, besichtigte Marienberg und Müstair mit deren Schätzen. Er plante wohl noch eine Reise ins Tessin und nach Italien. Viel war er unterwegs auf den Spuren früherer Kulturen, zu Felszeichnungen, Stätten der Megalithkultur, aber auch der Romanik und Gotik. Breit gefächert waren seine Interessen an kulturellen Werken, sie umfassten Malerei, Grafik, Plastik und Architektur im weitesten Sinne, insbesondere die Kunst der Moderne und die zeitgenössische Kunst in all ihrer Vielfalt und mit ihren gewagten Experimenten.
Zu Thomas Bernhard: ›Minetti‹ am Residenztheater in München
Jemand hat mich gefragt, wann ich zum letzten Mal eine Theateraufführung gesehen habe, die mich getroffen, berührt, mitgenommen, um nicht zu sagen erschüttert hat. Nichts anderes bedeutet im Theater: Güte. Es muss lange her sein, ich kann mich nicht erinnern. Der Zuschauer hat ja nichts als seine Augen und Ohren, durch die er an der Handlung teilnimmt. Gutes Theater bedeutet also, dass mithilfe dieser Sinne ein Prozess in Gang gesetzt wird, der mich verändert. Ich werde körperlich buchstäblich ergriffen. Das, was von der Bühne herkommt, sagen wir ruhig: (an)wehender Geist, durchdringt mich anders als die gewöhnliche sinnliche Wahrnehmung. Denn das, was mich da anweht, ist ja äußerlich gesehen, gar nicht da – es stammt als Gewebe eingebildeter Außenwelt aus dem Innern eines anderen Menschen. So erscheint die Welt, als wäre sie Idee und damit wird sie mir zur Landschaft der Freiheit. Hier spielt mein Wille die Hauptrolle, denn das Ich ist der Souverän des Ideellen.
Archivmagazin. Beiträge aus dem Rudolf Steiner Archiv, Nr. 12 / Oktober 2021
Stimm(ung)en aus Russland im Spätsommer 2022
Dieses Mal ist alles ganz anders: die Vorbereitungen, die Ungewissheit, die Reiseroute und der Verbrauch an Nerven. Ich fahre wieder weit in den Osten an den Baikalsee in Sibirien, der mich schon so viele Jahre begleitet. Nachdem ich das Chaos am Frankfurter Flughafen verlassen habe, verläuft alles ruhig und normal, zuerst nach Istanbul, dann von dort nach St. Petersburg – zu horrendem Preis, wohlgemerkt, da alle Direktflüge sanktioniert wurden. Das herrschaftliche St. Petersburg ist ein sehr beliebtes Touristenziel, und dieses Jahr wird es auch von vielen jungen Menschen besucht, die jetzt nicht ins Ausland reisen oder an einem Kulturaustausch teilnehmen können, was sie zum großen Teil gar nicht verstehen. Hier können sie ihre Sehnsucht nach europäischer Kultur ein wenig stillen.
Zu Udi Levy: ›Ein inneres Tagebuch‹, in DIE DREI 3/2023 u.a. Beiträge
Zu Oliver Nachtwey & Carolin Amlinger: ›Gekränkte Freiheit‹
Das Buch ›Gekränkte Freiheit‹ von Oliver Nachtwey und Carolin Amlinger erschien im Oktober 2022 im renommierten Suhrkamp Verlag. Zwischenzeitlich hat es dieses Werk auf Platz 1 der Sachbuch-Bestenliste von DLFKultur, ZDF und ›Zeit‹ geschafft. Sein Thema ist die Herausbildung einer neuen politischen Tendenz: des »libertären Autoritarismus«, den die Autoren auch in anthroposophischen Zusammenhängen verorten. Nachtwey hatte mit einem kleinen Team bereits im Dezember 2020 eine Studie zur ›Politischen Soziologie der Corona-Proteste in Baden-Württemberg‹ vorgelegt, die einige häufig kolportierte Mythen zum Charakter der »Querdenken«-Bewegung widerlegte. So konnte er herausarbeiten, dass die Mitglieder dieser Bewegung tatsächlich eher links orientiert, weiblich, gut ausgebildet, in festen Arbeitsverhältnissen beschäftigt und spirituell aufgeschlossen sind. Die Folgepublikation ›Quellen des Querdenkertums‹ verortete die geistigen Ursprünge dieser Protestbewegung dann unter den Anthroposophen, aber auch im bürgerlichen Milieu, im Alternativmilieu und unter evangelikalen Christen. Dabei wurden überraschenderweise doch stärkere Bezüge zu rechtsextremen Einstellungen und Verschwörungstheorien festgestellt.
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