Den Anderen als Anderen wahrnehmen
Inklusion ist insofern ein völlig neuer Gedanke, als er nicht die Steigerungsform von Integration ist. Wir müssen uns frei machen von Konzepten und uns dem unkategorialen Miteinander nähern. Dies braucht Offenheit für Gestaltung. Ich bin der absoluten Überzeugung, dass insbesondere die Waldorfschulen wegen ihrer menschenwürdigen Grundlagen und ihrer künstlerischen Blickrichtung ein großes Potenzial besitzen, das individuelle Ich in seiner Entfaltung zu begleiten und dem Anderssein zu begegnen.
Von der Schwierigkeit, in Beziehungen zu leben
... Genau diese Beharrungstendenz, nichts Neues zu wagen, entfremdet uns von uns selbst – warum? Wenn wir ohne Risiko und Experiment nur unsere Automatismen und Gewohnheiten bedienen, erringen wir nie neue Sichtweisen, Erfahrungen und Handlungsoptionen. Sind wir dagegen mutig, so werden wir hoch belohnt mit mehr Selbstvertrauen, Selbsterkenntnis und Freiheit. So schaffen wir in uns selbst die Voraussetzungen, auch Unbekanntes in anderen Menschen und anderen Kulturen zu verstehen, zu achten, zu schätzen und diese nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung zu erfahren.
Die Redaktion im Gespräch mit Johannes Kiersch und Günter Röschert
»... Es könnte aber nun sein, dass es dialektische Verhältnisse gibt, wo die Synthese nicht möglich ist oder wo ein Verzicht auf die Synthese stattfinden muss so, dass die beiden Aussagen, die einander gegenüberstehen, in dem Spannungsverhältnis stehen bleiben und dass in dem Spannungsverhältnis das eigentlich Wesentliche zu finden ist, ohne dass man eine Synthese konstruiert.« (Günter Röschert)
Aus Mitteleuropa ins Reich der Mitte
Der erste und auf Dauer auch bleibende Eindruck von China besteht in den Menschen. Unversehens findet man sich inmitten von für europäische Verhältnisse kaum vorstellbaren Menschenströmen, die bei manchen Besuchern alle möglichen Schreckvisionen aktivieren, für andere dagegen ein geradezu festliches, wenn auch unverstandenes Erleben bedeuten. Man betritt eine Welt, die »anders« ist, und man begreift: Alle gängigen Vorstellungen von China sind zu knapp, zu einfach, wenn nicht gar irreführend – vergiss, was du über China gehört hast und versuche selbst zu verstehen.
Aus Mitteleuropa ins Reich der Mitte
… Über die Auseinandersetzung mit unseren eigenen Bedingtheiten hinaus sind wir veranlagt, den Rufen für die Entwicklung des Ich als geistigem Führer Raum zu geben. Mit dem Wissen um unsere Welt, mit den Kenntnissen, dem globalisierenden Vorstellen wachsen Haltepunkte für die Person. Sie muss darauf achten, mit dem Potenzial ihres seelischen Gefüges zu einer Verbindung und menschlichen Erweiterung mit der Welt zu kommen. Die Gefahr, engstirnig und kleingeistig bei sich und begrenzten Gruppeninteressen zu verharren, sich in Ressentiments abzugrenzen, verzerrt die Ansätze eines Weltbewusstseins. Egoismen und faschistische Strukturen mit totalitärem, diktatorischem Charakter teilen ein in Eigenes und Fremdes und polarisieren zur Bestätigung einer vermeintlichen Stärke.
Der Auftrag / Aufbruch / Das Mondhaus
oder: Das Haus der Seele im Wandel der Zeiten
Wir sind heute längst dabei, das Haus der Seele wieder zu verlassen und die ganze Welt zu unserem Haus zu machen – auch wenn wir mit den Entwicklungen nicht immer ganz mitkommen und sie uns zu überrollen drohen.8 Noch nie hat es vergleichbare Möglichkeiten gegeben, Fremdes kennenzulernen oder so umfänglich zu kommunizieren wie heute. Wir erfahren nahezu in Echtzeit von den Katastrophen und Kriegen auch in den entferntesten Ländern und können die Erde in ihrer Verletzbarkeit und mit ihren Verletzungen jederzeit via Internet aus dem Weltraum betrachten. Nicht nur Tsunamis, sondern auch Wellen der Anteilnahme gehen um die Erde, z.B. wenn ein Mensch wie Nelson Mandela stirbt. Und noch nie gab es einen so intensiven und befruchtenden Austausch zwischen den Religionen der Welt und vernetzen sich immer mehr meditierende Menschen aus allen Kontinenten im Dienste eines gemeinsamen Bewusstseins für Erde und Mensch.
Wären wir anders in der Welt zugegen, wenn wir uns aktiv der faktischen Fremdheit aussetzen würden, statt sie bloß zu erleiden, wenn nicht gar zu verdrängen oder zu bekämpfen? Mir kommt der Satz: Wir müssen uns seelisch fremd werden, um uns geistig näher zu kommen.
Während frühere Generationen ihrem Schicksal kaum ausweichen konnten und ihr Spielraum oft nur darin bestand, das Beste aus dem ihnen Widerfahrenden zu machen, besteht in der Gegenwart die große Herausforderung, mich in den vielen Möglichkeiten der Lebensentwürfe nicht zu verlieren. Wie kann ich überhaupt wahrnehmen, ob ich mit einer Situation, einer Menschengemeinschaft, einem Ort, einer Aufgabe etc. zu tun habe?
Zur Krise der Immunsysteme
Unsere leiblichen Kontaktflächen zur Welt sind aus verschieden differenzierten, sensiblen Grenzmembranen gestaltet, über die wir einerseits die Welt in vertrauter Weise berühren und spüren, andererseits aber auch von der Welt in immer wieder neuer schmerzhafter Art überfremdet und verletzt werden. In der Überwindung des Fremden entwickeln sich in uns immer wieder neue Organe der Wahrnehmung – im steten Rhythmus von Schmerz und Reifung. Am Beispiel der modernen Krankheiten wie den Allergien, Asthma, Neurodermitis, aber auch der Karzinombildung soll gezeigt werden, dass die sensiblen Grenzmembranen des heutigen Menschen immer mehr »wund« werden und auf ihre Heilung durch eine neue Aufmerksamkeit, eine höhere Sinnlichkeit warten. Auf der leiblichen Ebene geht es um die Metamorphose vom Immun- zum Nervensystem, die es zu verstehen gilt.
Eine Lichtsuche
Früher dachten wir: Hier stehe ich und um mich dreht sich alle Welt. Ich schaue von meinem konzentrierten Standpunkt aus, und dort draußen sind die andern. Von meinem eigenen Innesein her verorte ich die Umgebung. Dies ist nicht länger als Voraussetzung gegeben. Die Konzentration auf sich selbst ist keine natürliche Lage mehr, sondern geradezu ein Kunststück geworden. Heute fällt der Blick auf die Welt von außen, aus dem Umkreis.
Die geistige Bedeutung der Nahrung
Biografie eines Augenblicks
Der physische Leib des Internets
Causa efficiens und Wille zum Dasein
Dieser Beitrag zur Debatte um das Buch Evolution im Doppelstrom der Zeit von Christoph Hueck (vgl. auch die Drei 5,6,11/2013 und 1/2014) leuchtet die vier Ursachen des Aristoteles und ihre möglichen Beziehungen zu den Bereichen Erkenntnis, menschlicher Organismus und Schicksal weiter aus. Im Vorfeld wurde von Martin Basfeld die Frage aufgeworfen, inwieweit sich das darauf bezugnehmende sogenannte »Zeitkreuz« Rudolf Steiners (vgl. Psychosophie (GA 115)) auf die Evolution von Mensch und Natur übertragen lässt.
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Ein Nachruf auf Benediktus Hardorp
Eindrücke von der Tagung »Die Farbe der Forschung II«
Zur Emil Nolde-Ausstellung in Frankfurt
Es ist die erste Gesamtschau seit 25 Jahren, die im Frankfurter Städel Museum gezeigt wird: »Emil Nolde. Retrospektive«, vom 5. März bis 15. Juni 2014.
Die Ausstellung gibt einen Überblick über sämtliche Schaffensphasen Noldes, sie gliedert sich in zwölf Kapitel in chronologischer Reihenfolge. Einige der rund 140 Arbeiten werden erstmals öffentlich gezeigt. Besondere Aufmerksamkeit kommt hier dem weniger bekannten Früh- und Spätwerk Noldes zu.
Hadrien France-Lanord zur Begegnung zwischen Paul Celan und Martin Heidegger
Die Herausgabe der Schwarzen Hefte Martin Heideggers im Frankfurter Klostermann Verlag hat eine heftige Debatte ausgelöst.1 Sie geht weit über diejenigen hinaus, in denen bereits früher um die nationalsozialistische Vergangenheit des Großphilosophen gerungen wurde. Sie enthalten Passagen mit eindeutig antisemitischem Inhalt. Das ist neu und bestürzend. Heidegger galt als Wegbegleiter der Nazis, nicht aber als Antisemit. Mit dem Bekanntwerden dieser Textstellen in den bisher nicht publizierten Aufzeichnungen – sie erscheinen nach Heideggers eigenem Willen erst jetzt zum Abschluss der Gesamtausgabe – lädt sich die Heideggerdebatte mit zusätzlicher Dramatik auf. Die Frage, ob überhaupt noch etwas vom Beitrag dieses Denkens zu retten sei, ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Bleibt fortan nicht nur der Mensch Heidegger, sondern auch sein Philosophieren als Ganzes diskreditiert? Muss Heidegger aus der Ehrenliste der großen abendländischen Philosophen gestrichen werden?
Rudolf Steiners Kunst der offenen Esoterik, Teil II
David W. Wood bleibt auch im zweiten Teil dieses Essays auf der Spur der Seherin Theodora, einer wichtigen Figur in Rudolf Steiners Mysteriendramen. Im Folgenden untersucht er in detaillierter Weise Theodoras Beziehung zum esoterischen Christentum und das Geheimnis ihres Namens. Er überlässt aber dem Leser selbst die Entscheidung, ob Theodoras Identität im realen Leben tatsächlich verborgen oder doch ein offenbares Geheimnis im Goetheschen Sinne ist.