Das zivilisierte Gesicht Russlands
Ein Blick auf Zwier Willem Leene
Es mag fraglich erscheinen, wozu in einer anthroposophisch ausgerichteten Zeitschrift wie die Drei ein Buch besprochen wird, das den Pionier einer Gruppierung vorstellt, die viele Jahrzehnte hindurch jede Berührung mit der anthroposophischen Bewegung mied: des ›Lectorium Rosicrucianum‹. – Der Rezensent sieht die Erfordernis dazu in Entwicklungen der letzten Jahre begründet, die als Versuch einer energischen Annäherung von dieser Seite an die anthroposophische Bewegung zu verstehen sind. Das Instrument, um diese Annäherung voranzubringen, ist die vielerorts agierende ›Stiftung Rosenkreuz‹, eine Vorhoforganisation des ›Lectorium‹, durch die Begegnungen mit Vertretern der Anthroposophie gesucht werden. Und so enthält denn auch das hier zu besprechende Buch zahlreiche Verweise auf Rudolf Steiner und die Anthroposophie.
Annäherungen an Michael Bockemühl
Zu Beginn der Buchvorstellung eines Freundes anno 2017 stellte dieser dem versammelten Publikum eine Frage, die ich – wie eben jener Freund – aus Seminaren von Michael Bockemühl kannte. Während die Frage bei Bockemühl, wann immer ich sie ihn vor anderen aussprechen hörte, mehr oder weniger zündete, tat sie das an diesem Abend nicht. Warum? Ich sprach den Freund hinterher darauf an. Ihm war beides bewusst: dass, erstens, jene Frage von Bockemühl stammte, und, zweitens, sie nicht gezündet hatte. Aber warum? Darauf wusste er keine Antwort. Wäre es kraftvoller gewesen, wenn er auf den Urheber der Frage, also auf Bockemühl verwiesen hätte? Oder wenn er eine andere Frage bzw. einen ganz anderen Einstieg gewählt hätte? Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass jene an diesem Abend nicht zündende Frage eben nicht die Frage meines Freundes gewesen war – oder anders: nicht von ihm in diesem Moment realisiert, aktualisiert, individualisiert worden war.
Geld und Begehrungsvermögen als Thema des 10. Vortrages des Nationalökonomischen Kurses (17)
Dreh- und Angelpunkt einer Erneuerung des Wirtschaftslebens ist die Herausbildung von Organen, durch welche die Preisbildungen auf den verschiedenen Märkten beobachtet und von Produzenten, Händlern und Konsumenten beraten werden können. Ein Grundproblem der Dreigliederungsbewegung ist, dass sie bisher keinen plausiblen Weg aufzeigen konnte, wie sich diese Organe – Rudolf Steiner nennt sie »Assoziationen« – herausbilden können. Der Beitrag zeigt, wie mit dem Aufbau einer dezentralen Geldverwaltung die Bildung von Assoziationen möglich ist.
Rudolf Steiners Beitrag zur Geldwertstabilität
Der Wert des Geldes wird maßgeblich durch die Lenkung des Kapitals bestimmt. Das moderne Banksystem gestaltet die Kreditvergabe vollkommen unabhängig von der Mittelherkunft über Geldschöpfungsprozesse. Zudem wird gegenwärtig kein Unterschied gemacht, in welchem Sektor der Wirtschaft ein Gewinn erzielt wird. Investoren erzielen ihre Gewinne in der Landwirtschaft, der Automobilindustrie oder in der Rüstungsindustrie. Ihr Geld ist überall gleich viel wert. Das führt zur Chaotisierung des Wirtschaftslebens mit gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt. Rudolf Steiner zeigt im 12. Vortrag des ›Nationalökonomischen Kurses‹ einen Weg, wie auf eine Stabilisierung des Wirtschaftslebens hingearbeitet werden kann, wenn dem Geld eine Lebensdauer gegeben wird.
Rudolf Steiners ›Philosophie der Freiheit‹ im Spiegel der ›Vorrede zur Neuauflage 1918‹
In der ›Vorrede zur Neuauflage 1918‹ kennzeichnet Rudolf Steiner nach 25 Jahren erneut die »Zielgedanken« seiner Schrift. Er will sich mit seinem Leser darüber verständigen, was von dem Buche zu erwarten ist und was nicht. Hier soll versucht werden, diese Zielgedanken kurz nachzuzeichnen und einige Schlaglichter zu werfen auf das Umfeld des seelischen Erlebens, in das sie sich hineinstellen in unserer Zeit. Sie erweisen sich dabei für den Gegenwartsmenschen als eine Art Instrument zur inneren Standortbestimmung.
Zwei Neuerscheinungen zur Hochschulfrage
Will man Aufschluss über die Frage gewinnen, welche Bedeutung und Wirksamkeit eine Hochschule für Geisteswissenschaft (Anthroposophie) in Zukunft entfalten könnte, dann liegt es nahe, neben den historischen Hinweisen Rudolf Steiners im Rahmen der Neubegründung der Anthroposophischen Gesellschaft 1923/24 auch aktuelle Publikationen heranzuziehen, deren Verfasser diese Fragestellung aus unterschiedlichen Perspektiven behandeln. Auf das Erscheinen zweier Selbstdarstellungen des Goetheanums in den Jahren 20081 und 20172, von denen sich die neuere vor allem der Geschichte seiner elf Forschungssektionen widmet, folgten im vergangenen Jahr auch zwei »inoffizielle« Veröfentlichungen zu diesem Themenbereich. Letztere gehören in meinen Augen zu den interessanteren Gesprächsbeiträgen, da deren Autoren das Aufgabenfeld einer Freien Hochschule für Geisteswissenschaft sondieren, ohne hierbei mit (selbst-)kritischen Einlassungen zu sparen. Im Folgenden seien einige der von ihnen benannten Problemfelder herausgegriffen und näher beleuchtet, weil diese meinem Eindruck nach Wesentliches der Hochschulfrage berühren, von dessen Bewältigung die Zukunft dieser Einrichtung abhängt.
Im Rudolf Steiner Archiv befinden sich einige Jahrgänge der von Alexander von Bernus herausgegebenen Zeitschrift ›Das Reich‹. Der Dichter und Alchemist Alexander von Bernus (1880–1965) begegnete 1910 in München erstmals Rudolf Steiner. Bernus stand in Kontakt mit vielen Künstlern und Literaten, darunter Detlev von Liliencron, Frank Wedekind, Karl Thylmann, Thomas und Heinrich Mann, Rainer Maria Rilke und Ricarda Huch. Steiner schätzte Bernus wegen dessen eigenständigen Wesens. So war er 1916 gerne bereit, bei Bernus’ neugegründeter Vierteljahresschrift ›Das Reich‹ mitzuwirken, die sich zum Ziel gesetzt hatte, einen Beitrag zu einer neuen deutschen Geisteskultur zu geben. Für die erste Nummer lieferte Steiner im April 1916 den eröffnenden Aufsatz ›Die Erkenntnis vom Zustand zwischen dem Tode und einer neuen Geburt‹, eine Fortsetzung folgte im Januar 1917. Insgesamt publizierte er fünf Aufsätze erstmals im ›Reich‹.
Das Bauhaus wurde von Walter Gropius 1919 in Weimar als eine neue Art von Kunstschule gegründet, in der alle Künste unter Führung der Architektur als Gesamtkunstwerk miteinander verbunden werden sollten, und die auch im Sozialen andere Wege ging. In einem Brief vom 24. Juli 1920 wurde Rudolf Steiner für einen Vortrag dorthin eingeladen: »Das Staatliche Bauhaus zu Weimar,« hieß es darin zur Einleitung, »das als erstes Institut dem in unseren Tagen immer klarer hervortretenden Wunsch nach der Echtheit der Kunst und der Vereinigung der verschiedenen Zweige der bildenden Künste und des Handwerks Rechnung getragen hat, sieht seine Aufgabe nicht allein in der Erfüllung dieser Ideen, sondern tritt dafür ein, dass diese Dinge verbunden bleiben mit den Problemen rein menschlicher Natur, m.[it] a.[nderen] W.[orten] es betont vor allem seinen Charakter der Arbeitsgemeinschaft und Lebensgemeinschaft.«
im Spiegel ihres Briefwechsels
Betrachtet man das Zusammenwirken von Friedrich Schlegel und Friedrich von Hardenberg, so kann man nur darüber staunen, wie vollständig sich diese beiden Geister ergänzten. Es war die denkbar größte Wertschätzung, die sie einander entgegenbrachten, das höchste Freiheitsempfinden für den anderen, dem man hier staunend begegnen kann. Gerade in den späteren Jahren dieser Freundschaft drängt sich zuweilen der Eindruck auf, als stünden einander nicht zwei getrennte Persönlichkeiten gegenüber, sondern als hätte man es mit einer einheitlichen Wesenheit zu tun – so vollständig war die gegenseitige Durchdringung, so tief das Verständnis füreinander. Um sich zu solchen Höhen erheben zu können, musste diese Freundschaftsbeziehung allerdings mehrere Stufen durchlaufen.
Zu ›Die Abhängigkeit des Einkommens von der menschlichen Arbeit‹ von Johannes Mosmann in die Drei 1-2/2018 // Zu ›»Das verkrampfte Verhältnis zur Spiritualität in der Hochschulbildung überwinden«‹ von Marcelo da Veiga & Claudius Weise
Westöstliche Meditationen zum Ich
In seinen Ausführungen über den Willen und über die Freiheit des absoluten Einen, die in Enneade VI 8 enthalten sind, schenkt Plotin unserer Gegenwart eine Charakterisierung der Freiheit, die sehr fruchtbare Anregungen zu einer meditativen Vertiefung von Wesen und Wirken des Ich vermitteln könnte. In Enneade VI 8.16.31ff. charakterisiert Plotin das absolute Eine als Wachsamkeit (egrégorsis), die alle Formen des bestimmten Bewusstseins, d.h. des bestimmten Denkens überragt. Dies bedeutet, dass das Eine, wie Plotin in Enneade V 3.13 ausführt, auch allen Zustand der Selbstwahrnehmung (synáisthêsis), des bestimmten Bewusstseins seiner selbst überragt. Selbstverständlich darf diese Tatsache nicht mit einem Mangel an Bewusstsein verwechselt werden, was Dämmern und Schlafen implizieren würde; das absolute Eine ist nämlich Möglichkeit und Kraft aller Bewusstseinsformen, die sich in keiner – wäre es auch in der vorstellbar höchsten – Form des Bewusstseins erschöpfen lassen könnte. Das absolute Eine ist, in anderen Worten, jegliche mögliche Bestimmung überragende Bewusstsamkeit: unvordenkbare Wachsamkeit, die als Urgrund, Ursprung und Urbild alles Bewusstseins und aller Bewusstheit betrachtet werden soll.
Aktuell ist ein Gedicht auf der Flucht. Es ist zum Politikum geworden, um das ein erbitterter Streit geführt wird. Die Rede ist von ›Avenidas‹, dem Gedicht des 93-jährigen bolivianisch-schweizerischen Autors Eugen Gomringer. Das Gedicht stammt aus dem Jahr 1953, seit 2011 steht es als Träger des ›Alice Salomon Poetik Preises‹ an der Fassade der gleichnamigen Hochschule in Berlin. Vor zwei Jahren wurde es von Studentenvertretern als sexistisch befunden und nun soll es nach einem Beschluss des Hochschulparlaments von der Wand gelöscht werden. – Wenn das kein Menetekel ist!
Zur Ausstellung ›Gotthard Graubner – Mit den Bildern atmen‹ im Künstlerbahnhof Rolandseck bei Remagen
Der Künstlerbahnhof Rolandseck ist ein phantastischer Ort. Der Terrassenbau, hoch über dem Rhein bei Remagen gelegen, beherbergt das Arp Museum mit seiner ständigen Sammlung, dazu werden wechselnde Austellungen gezeigt, wie 2017 eine spektakuläre Präsentation der Großplastiken von Henry Moore. Nicht zuletzt ist es ein prachtvoll restaurierter Bahnhof, an dem bis heute Regionalzüge verkehren. Doch das eigentlich Wundersame ist der Neubau des Architekten Richard Meier.
Zur Serie ›Das Grundeinkommen: Pathologie und Wirkung einer sozialen Bewegung I-VI‹ von Johannes Mosmann in die Drei 1-2//2018 bis 7-8/2018
Ich will gerade die Straße überqueren, da trifft mich ein blauer Lichtstrahl. Unwillkürlich schaue ich mich um, nach einer Radarfalle – aber, Gott im Himmel, ich bin doch zu Fuß unterwegs. Dann suche ich tatsächlich den Himmel ab, ob vielleicht eine Drohne ...? Nach dem Blitz kommt der Donner, prasselnd geht der Hagel nieder, es ist ein Gewitter. Ein erschreckender Jahresbeginn, Anfang 2018. Obwohl ich elektronisch abstinent lebe und dies keineswegs als Verzicht, sondern als Wohltat empfinde, nehme ich offensichtlich teil am Wahnsinn der Zeit. Wie könnte es sonst sein, dass ich eine überraschende Lichterscheinungn automatisch als technisch verorte? Das blaue Licht spottet meiner Geistesgegenwart.
Frau von Bredow im Havelland
Was folgt aus der modernen Physik – und was nicht?
Im folgenden Artikelwird beschrieben, wie Geld und Buchhaltung in der Gegenwart immer mehr zusammenfallen und dadurch zu einem Wahrnehmungsorgan für das Wirtschaftsleben werden können. Dazu ist aber ein qualitatives Verständnis der zentralen Elemente der doppelten Buchhaltung notwendig. Wird erkannt, wie sich darin das Verhältnis von Ich und Welt spiegelt, so kann dies zu einer ganz neuen Form der Gewinnverwendung führen.
Eine Tagung zu ›Anthroposophie – ein Fragment‹ am Goetheanum
Organisiert von der Sektion für schöne Wissenschaften fand vom 16. bis 18. März in Dornach eine von 120 Teilnehmern besuchte Tagung zu Rudolf Steiners nicht vollendeter Schrift ›Anthroposophie – ein Fragment‹ statt, in welchem die Geisteswissenschaft »auf halber Höhe« zwischen Anthropologie und Theosophie verortet wird. Während die Anthropologie nur auf das physische Dasein des Menschen blickt, die Theosophie auf das Göttliche in ihm, nimmt die Anthroposophie eine mittlere Perspektive ein, die das Physische aus geistiger Sicht zu begreifen sucht. Die Sinne des Menschen, seine Lebensvorgänge und seine Gestalt werden als Wirkungen und Offenbarungen übersinnlicher Welten beschrieben. Die schriftliche Ausarbeitung des schon 1909 in Vorträgen Referierten gestaltete sich für Rudolf Steiner jedoch so schwierig, dass das Buch Fragment blieb und erst 1951 erstmals veröffentlicht wurde.
Ein Meister der produktiven Irritation
Gentechnik zum Geldmachen
Das Grundeinkommen: Pathologie und Wirkung einer sozialen Bewegung IV
Durch die Verhältnisse der Gegenwart, so kann das Ergebnis der ersten drei Artikel dieser Serie zusammengefasst werden, wird der Mensch dem »Sinn« seiner Arbeit immer mehr entfremdet. Das Grundeinkommen wurde dabei als die folgerichtige Fortsetzung dieser Fehlentwicklung kritisiert. Der vorliegende Teil zeigt nun, wie gegenwärtig durch den Handel mit gewissen Rechten die Aussagekraft der Preise so geschwächt wird, dass ein bewusstes Ergreifen der ökonomischen Prozesse kaum möglich scheint. Denn die Grundlage einer funktionierenden Wirtschaft ist eine saubere und transparente Preisbildung. Der Artikel zeigt auf, inwiefern die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens zu einer Entkoppelung von Warenpreis und Einkommen und damit zu einer Verstärkung der Intransparenz führen würde. Nicht eine instinktive Vermischung von Wirtschafts und Rechtsfragen führt zu einer menschenwürdigen Gesellschaft, sondern eine bewusste Klärung des gegenseitigen Verhältnisses beider Bereiche. In diesem Zusammenhang wird die These der Grundeinkommensbewegung diskutiert, wonach Einkommen ein »Menschenrecht« sei.
Zur Ausstellung ›Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife‹ im Lenbachhaus
In München erwartet uns eine Überraschung. Die Ausstellung im Lenbachhaus: ›Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife‹ präsentiert eine Künstlerin, deren Werk und Lebenslauf wir geradezu instinktiv dem Beginn des letzten Jahrhunderts – der Epoche des ›Blauen Reiter‹ – zuschreiben. Doch Gabriele Münter, 1877 geboren, starb erst 1962 und hat bis zum Schluss gearbeitet und ausgestellt. Sie nahm noch an der ersten ›documenta‹ im Jahre 1955 teil. Ihr Werk umfasst, neben tausenden von Zeichnungen und Aquarellen, über 2.200 Gemälde – und dazu werden wir mit der bisher völlig unbekannten Tatsache von ca. 1.200 Fotografien konfrontiert. Der Besucher kann also sogleich an die Arbeit gehen, um sein eigenes Bild der Künstlerin zu aktualisieren.