Zur Ausstellung: ›Chagall‹ in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
In der Düsseldorfer Kunsthalle K 20 findet noch bis zum 20. August 2025 eine sehr schöne, mit vielen Hauptwerken bestückte Personalausstellung des weißrussisch-französischen Malers Marc Chagall statt (geb. 1887 in Witebsk, Russisches Kaiserreich, heute Weißrussland; gest. 1985 in Saint-Paul-de-Vence in Südfrankreich), eine Kooperation des Wiener Albertinum und der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Unter dem lakonischen Titel ›Chagall‹ sind Arbeiten aller Schaffensperioden zu sehen, mit Schwerpunkt auf den frühen Jahren des Künstlers zwischen 1910 und 1923.
Zu Johannes F. Brakel: ›Vom Paradies und seinem Ende‹ in die Drei 1/2025
Beobachtungsresultate und Gedanken eines 21-jährigen Studenten der Philosophie
Wer heutzutage an die Universität geht, wird bekanntlich die Kulmination der materialistischen Weltanschauung erleben. Dies trifft auf alle Fachbereiche, selbst – und vielleicht sogar besonders – auf die Philosophie, Geschichte, Psychologie und Theologie zu; also auf solche Wissenschaften, die sich eigentlich mit der menschlichen Seele und dem menschlichen Geiste auseinandersetzen sollten: Die sogenannten Geisteswissenschaften. Nun liegt jedoch im Wesentlichen der Materialismus in den Geisteswissenschaften nicht im Bereich der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Themen, wie dies in der Physik, Biologie, Informatik oder Medizin der Fall ist, d.h. in der Erforschung rein materieller und vermeintlich materieller Phänomene bzw. bloß der materiellen Seite der Wirklichkeit. Nein, er findet sich vielmehr im Bereich des Wie, d.h. in der gesamten Art und Weise, mit der in den Geisteswissenschaften an Themen herangegangen wird und diese vermittelt werden. Deshalb thront selbstverständlich auch inhaltlich die materialistische Weltanschauung im Hintergrund und kommt immer wieder im Gewand einer völlig selbstverständlichen und unumstößlichen Wahrheit zum Vorschein.
Ödön von Horváths Schlüsseldrama ›Pompeji‹
Wir leben auf einem Vulkan. Besonders in Süditalien, der Mitte des Mittelmeers, wo die Erde außerordentlich fruchtbar ist – durch frühere Katastrophen. Am Golf von Neapel, einer griechischen Kolonie (altgr.: nea polis = neue Stadt), verbrachten im ersten Jahrhundert n. Chr. – nachdem die Republikaner Roms die Oberhand über die Demokraten Athens gewonnen, den Senat entmachtet und unter Kaiser Augustus ein West und Ost umschließendes, autokratisch-bürokratisch regiertes Weltreich errichtet hatten – die vermögenden Römer ihren Urlaub. Unter ihnen auch Nero, der letzte Kaiser der von Augustus begründeten julisch-claudischen Dynastie, der nach dem Brand Roms eines seiner Feste mit Christen als lebenden Fackeln illuminierte. Der Ausbruch des Vesuv kurz nach seinem Tod im Jahre 79 n. Chr. ist bis heute im kollektiven Gedächtnis gegenwärtig. Der Todesmoment von Menschen und Tieren, durch die Lava als Hohlraum konserviert, fasziniert wie die ägyptischen Mumien. Die Grabungen gehen weiter; 2023 ging das Bild eines Freskos um die Welt, das einen antiken Vorläufer der Pizza zeigt.
Bevor wir uns einer lockeren Reihe von Wesen und Gestalten zuwenden, wird in den Beiträgen zum Zeitgeschehen einmal mehr für Frieden und Versöhnung geworben – sei es nun in Gestalt einer scharfen Kritik des gegenwärtigen Rüstungswahns, wie Bernd Brackmann in ›Bedrohungslage‹, oder als Bericht über eine Friedenskonferenz, die unlängst in Heidelberg von linken und kirchlichen Initiativen ausgerichtet wurde und bei der meine Kollegin Corinna Gleide zugegen war.
Das Bild des Menschen, wie er in seiner natürlichen und in seiner sozialen Umwelt steht bzw. wie er beide anschaut und sich selbst darin verortet – so könnte man den gemeinsamen Nenner formulieren, der die meisten Hauptartikel dieses Heftes miteinander verbindet. Einige davon, es sei gleich eingestanden, verlangen unserer Leserschaft einen recht langen Atem ab. Langweilig sind sie deshalb aber nicht!
Ein Grundmotiv des vorigen Heftes, erst einen Blick in die Vergangenheit zu werfen und dann die Zukunft ins Auge zu fassen, klingt auf den folgenden Seiten vielfach fort. Unser erster Hauptartikel: ›Ich als leuchtende Sphäre‹ von Salvatore Lavecchia ist sogar eine direkte Fortsetzung seines Beitrags im vorigen Heft und setzt bei der Ich-Erfahrung der gegenwärtigen Jugend an, als deren Ideal unser Autor die Verwandlung der Menschheit in eine Ich-Gemeinschaft herausarbeitet. Wesentlich skeptischer blickt Irene Diet nach vorn. Ihrer Ansicht nach haben sich in den hundert Jahren nach Rudolf Steiners Tod zwei Gegenbilder zur Anthroposophie herausgebildet, die überwunden werden müssen, wenn diese ihrer Bestimmung gerecht werden soll.
Rudolf Steiners 100. Todestag war auch für die Redaktion dieser Zeitschrift ein Anlass, innezuhalten und einen so dankbaren wie kritischen Blick in die Vergangenheit zu werfen, um danach die Aufgaben der Zukunft ins Auge zu fassen. Und so stehen hier Rudolf Steiner und die Anthroposophie fast ausschließlich im Mittelpunkt – auch wenn Bernd Brackmann einleitend die verrottende politische Kultur unserer Gegenwart beschreibt und zur Rettung unseres demokratischen Gemeinwesens mehr Mitbestimmung für mündige Bürger empfiehlt.
Manchmal nimmt ein Heft in den letzten zwei Wochen der Redaktionsarbeit eine andere Gestalt an als ursprünglich beabsichtigt war. So sollte dieses Heft mehrere Schwerpunkte haben, darunter einen literarischen. Die dafür vorgesehenen Artikel mussten nun auf eine spätere Gelegenheit verschoben werden, denn ein paar Beiträge, die schon längere Zeit vorlagen, und ein paar ganz neu hinzukommende ließen es geboten erscheinen, nur noch ein einziges Thema in den Mittelpunkt zu stellen.
Im Gedenken an Albrecht Haushofer (1903–1945)
Albrecht Georg Haushofer kam am 7. Januar 1903 in München zur Welt, als Sohn des königlich bayrischen Offiziers und Geografen Karl Haushofer (1869–1946) und der Martha Haushofer (1877–1946), Tochter des jüdischen, aber zum Katholizismus konvertierten Juristen und Tabakfabrikanten Georg Ludwig Mayer-Doss, der seiner Tochter und dem Schwiegersohn Karl zur Hochzeit 1896 ein Haus an der Giselastrasse 17 in München schenkte und ihnen später (1916) den Hartschimmelhof übergab. Albrechts jüngerer Bruder Heinz Konrad Haushofer kam am 19. Juni 1906 in München zur Welt. Albrecht war ein Winterkind (Steinbock), Heinz ein Sommerkind (Zwilling).
Die Schlange und die Lilie im Poesie-Garten der Louise Glück
Als 2020 die amerikanische Lyrikerin und Essayistin Louise Glück (1943–2023) den Nobelpreis für Literatur verliehen bekam, dürften wohl viele europäische Leserinnen und Leser erstaunt ihren Namen zum ersten Mal gehört haben, obgleich bis zu diesem Zeitpunkt schon mindestens dreizehn ihrer Gedichtbände in den USA veröffentlicht vorlagen. Das Erstaunen dürfte aber vor allem dadurch hervorgerufen worden sein, dass mit dieser Auszeichnung wieder einmal eine Dichterin geehrt wurde, und Lyrik bekanntlich generell nur eine geringe Zahl von Liebhabern besitzt und zudem selten angemessen übersetzt werden kann. Gewiss, Inhalt und Form eines lyrischen Textes lassen sich annähernd wiedergeben, aber die eigentliche zarte Stimmung eines Gedichtes, die Poesie eben, die sich nur aus und in der jeweiligen Sprache entfaltet, verflüchtigt sich im Akt der lexikalischen Transformation wie der ätherische Duft einer Blume, die schon nach Tagen in der noch so schönsten Vase verwelkt. In jedem Fall gilt für eine gute Übersetzung: »Nicht die Silbenzahl ist wichtig, sondern nur der Rhythmus.«
Wege vom Feindbild Russland zur friedlichen Koexistenz
Der Furor, mit dem gegenwärtig in der Politik auf eine »Kriegstüchtigkeit« hingearbeitet wird, ist erschreckend. In dem Geschrei gehen die Stimmen derer, die über »Friedenstüchtigkeit« nachdenken, leicht unter. Aus diesem Grund soll hier von einer Veranstaltung berichtet werden die am 22. Juni dieses Jahres in Heidelberg stattgefunden hat. Vier Friedensinitiativen hatten gemeinsam zu einer Friedenskonferenz nach Heidelberg eingeladen: ›Pax Christi‹ im Diözesanverband Freiburg, der ›Erhard-Eppler-Kreis‹, das ›Friedensbündnis Heidelberg‹ und das ›Forum Friedensethik‹ in der Evangelischen Landeskirche Baden. Redner waren der Historiker Prof. Wolfram Wette und der ehemalige UN-Diplomat und gegenwärtig für das ›Bündnis Sahra Wagenknecht‹ im EU-Parlament sitzende Michael von der Schulenburg. Danach sprach noch kurz der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding. Insbesondere die Gedanken aus dem Vortrag von Wolfram Wette sollen hier dargestellt werden, da er viele historische Fakten vermittelt, die in dem etwa seit den 1950er-Jahren im Schulunterricht vermittelten Geschichtsbild nicht vorgesehen sind, aber ein anderes Verständnis der russischen Position ermöglichen könnten.
Zu Stefan Weishaupt: ›Die Dinge und das Persönliche‹ in die Drei 1/2025 und zu Alexander Batthyány: ›Den umgekehrten Weg weiterdenken‹
Oder: Klare Kante gegen Rechts – und alles gut?
Am 11. September 1990, zum Ende des Kalten Krieges, verkündete Präsident George H.W. Bush eine neue Weltordnung. Das mag verheißungsvoll geklungen haben, denn eine vernunftbasierte und friedliche Regelung innerstaatlicher und zwischenstaatlicher Verhältnisse ist stets zu begrüßen. Aber zu fragen bleibt, ob Ordnung in diesem Sinne gemeint war oder ein neues Dominanzsystem der USA. Unerwartete Antwort gab der damalige US-amerikanische Außenminister Antony Blinken im Dezember 2024 vor dem »Council on Foreign Relationsc »Wenn wir auf die letzten 20 Jahre zurückblicken, waren unsere Experimente mit Regime-Change nicht gerade von durchschlagendem Erfolg gekrönt.« Tatsächlich finden wir seit 1990 in der politischen Welt immer weniger Ordnung, trotz der seit 2008 vor allem von der westlichen Welt propagierten »regelbasierten internationalen Ordnung«. Die letzten 35 Jahre waren in hohem Maß irritierend, nicht nur aufgrund von Naturkatastrophen und neuen Technologien, sondern auch durch eine dichte Abfolge oft völkerrechtswidriger Kriege; Revolutionen mit der Folge von »failed States« (wie in Syrien. Libyen und Afghanistan); eine reale oder fiktive Terrorgefahr weltweit; globale Probleme mit illegaler Migration usw. Für die Zukunft gibt es nur unsichere Prognosen; Eben noch sah man einen neuen Kalten Krieg zwischen den USA und Russland heraufziehen, nun verbrüdern sich die beiden mächtigsten Männer der Welt. Wie wird sich das Verhältnis der USA zu China entwickeln? Und stehen die BRICS-Staaten zwar für eine multipolare, aber nicht für eine freiere und gerechtere Welt? Immerhin will China sein Smart-City-Konzept den Ländern des globalen Südens aufdrängen, und Russland bis 2025 ein landesweites biometrisches Zahlungssystem einführen.
Zu Rudolf Steiners 100. Todestag am 30. März 2025
Mich beschäftigte eine bestimmte Frage in der Zeit der 80er- und 90er-Jahre. Ich war damals dabei, meinen Weg und mich selbst zu finden. Innerlich voller Fragen, stieß ich um mich herum auf eine Reihe älterer Menschen, meine Eltern und auch ehemalige Lehrer, die alle Anthroposophen waren und die irgendwie genau wussten oder zu wissen meinten, was aus mir werden sollte. Sie beurteilten mich aufgrund festgelegter Begriffe und Vorerfahrungen und planten mein Leben. Daraus entstand die folgende Frage: Kann man einen anderen Menschen aufgrund von festgelegten Begriffen und Vorerfahrungen wirklich beurteilen und verstehen? Ich erlebte, wie das völlig selbstverständlich so gehandhabt wurde, und merkte bei mir selber ein Unwohlsein demgegenüber. Denn diese Begriffe und Urteile hatten etwas an sich, als ob ihnen die Organe für das fehlten, was wirklich im Tieferen und auch in der Wahrnehmung geschah. Sie blieben bei sich. Reichten gar nicht zu mir hin. Ich fühlte mich in meinem inneren und äußeren Leben nicht gesehen.
Bild einer neuen Einweihung
Versuch einer Menschenkunde des volkswirtschaftlichen Preisbildungsprozesses – Teil II: Die Schopenhauer-Falle
Die Volkswirtschaftslehre ist eine sehr junge Wissenschaft. Als eigenständige Disziplin hat sie sich erst im 18. Jahrhundert in England herausgebildet. Der klassische Nationalökonom Thomas Robert Malthus (1766–1834), der mit seiner 1798 verfassten Bevölkerungstheorie maßgebliche Anregungen zur Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809–1882) gegeben hat, erklärt darin, dass das Bevölkerungswachstum exponenziell erfolge, während die Nahrungsmittelproduktion nur linear wachsen könne. Da die Natur somit den Tisch nicht für alle gedeckt habe, komme es zu einem «Kampf ums Dasein», bei dem sich die oberen Bevölkerungsschichten gegenüber den Ärmeren durchsetzen müssten, was entsprechende Maßnahmen erfordere. Malthus denkt in völlig veräußerlichten, abstrakten Denkformen. Dass das Denken zu Beginn der Neuzeit lebensfremd geworden ist, wurde im ersten Teil dieser Abhandlung als notwendiges Stadium der menschlichen Entwicklung aufgezeigt. Aus dieser Lebensfremdheit des Denkens können sich nur inhumane soziale Verhältnisse herausbilden.
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Versuch einer Menschenkunde des volkswirtschaftlichen Preisbildungsprozesses – Teil I: Lebensfremdes und lebensgemäßes Denken
In zwei Artikeln aus den Jahren 1905/06, die später unter dem Titel: ›Geisteswissenschaft und soziale Frage‹ veröffentlicht wurden, machte Rudolf Steiner deutlich, dass die Beschäftigung mit der Anthroposophie eine praktische Konsequenz für das soziale Leben haben müsse, wenn sie ihrem Anspruch gerecht werden wolle. Nur könne sie diesen Anspruch für das äußere Leben nicht unmittelbar einlösen. Denn um eine echte Praxis zu begründen, müsse erst ein Umweg gegangen werden. Die menschliche Seele habe die Möglichkeit, sich durch Ausbildung eines »lebensvollen Denkens, Urteilens und Empfindens« zu den »ewigen Gesetzen des Daseins« zu erheben. Die Fähigkeiten, die sie dabei entwickelt, ermöglichten es ihr dann, mit einem tieferen Verständnis in das Leben herauszutreten. Im sozialen Leben werde erst dann etwas wahrhaft Gutes bewirkt werden können, wenn solche Fähigkeiten vorhanden seien. Rudolf Steiner konnte damals nur einen Entwicklungsweg skizzieren und war darauf angewiesen, dass zunächst eine Anzahl von Menschen sich findet, die auf diesem Weg die notwendige Reife entwickelt, um die großen sozialen Herausforderungen bewältigen zu können. Er wusste nur zu gut, dass jeder, der die soziale Frage durch äußere Initiativen lösen will, mit Notwendigkeit scheitern wird, wenn nicht zuvor eine solche Erkenntnis errungen wurde.
Zum Film ›Like a Complete Unknown‹ von James Mangold
Diesem Film gelingt ein doppeltes Kunststück: ›Like a Complete Unknown‹ erzählt den Werdegang Bob Dylans in seinen frühen Jahren auf eine Weise, die zur zweifachen Zeitreise wird: vergegenwärtigte Vergangenheit, die sich inspirierend zukunftsoffen zeigt.
Für das eigene, schöpferische Ich erwachen
Zu Gregory Rupik: ›Remapping Biology‹
Als James Watson und Francis Crick 1953 die Struktur des Erbmoleküls DNA entdeckten, glaubten sie, das jahrtausendealte Geheimnis des Lebens gelüftet zu haben. Sie lösten damit eine wissenschaftliche und technische Revolution aus, die auf dem Glauben beruht, dass Lebewesen in Baconscher Manier (»Wissen ist Macht«) durch immer feinere Zergliederung bis hin zu ihren Molekülen und Atomen verstanden werden können. Tatsächlich ermöglichten die neuen Kenntnisse bald, Lebewesen gentechnisch zu manipulieren. Aus materialistischer Sicht war diese Entwicklung äußerst erfolgreich und kulminierte in der Veröffentlichung der menschlichen Genomsequenz im Jahr 2000, die der Öffentlichkeit in Anwesenheit von Bill Clinton und Tony Blair mit großem Medienaufwand verkündet wurde.
Ignaz Paul Vital Troxler (1780–1866) und die Anthroposophie
Rudolf Steiner hat als Erster zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts Troxlers philosophisches Werk der Vergessenheit entrissen und wiederholt, mit eindringlichen Worten, auf das Prophetische seiner Ideen zum tieferen Erfassen des Menschenwesens hingewiesen. Er bezeichnete und charakterisierte den Schweizer Philosophen als Vorboten der Anthroposophie.Gleichermaßen gilt, dass es erst durch Rudolf Steiners geisteswissenschaftliche Sicht auf Troxler möglich wurde, dessen philosophische Gedankengänge in ihrer wahren Tiefe und Tragweite auszuloten, jenseits der sich das Geistige als bloß Gedanklich-Ideelles vorstellenden akademischen Hermeneutik sowie deren zukünftige Bedeutung als vergessene Strömung innerhalb des mitteleuropäischen Geistesstrebens zu würdigen. In seinen Büchern ›Vom Menschenrätsel‹ und ›Die Rätsel der Philosophie‹ sowie in mehreren Vorträgen – die allermeisten davon während dessen 50. Todesjahr 1916 – spricht Rudolf Steiner über Ignaz Troxler und sein geistiges Erbe.
Wie können wir heute mit Naturgeistern leben?
Der junge Germanist Thomas Höffgen hat ein neues Buch mit dem Titel ›Nordische Naturgeister – Leben mit den Wesen des Waldes‹ (BoD 2024) vorgelegt, in dem er uns vor allem die Fülle solcher Phänomene bei den alten Germanen vorführen möchte. Höffgen hat bereits in mehreren Publikationen die Glaubenswelt unserer Vorfahren erforscht, und er tut das mit einem ungewöhnlichen Enthusiasmus – es scheint, als ob er einem immer noch tabuisierten Thema neues Leben einhauchen möchte, und dafür hat er auch einen ganz eigenen Lebensweg gewählt. Obwohl er in Germanistik mit einem exzellenten Buch über ›Goethes Walpurgisnacht-Trilogie‹ promovierte und auch eine gewisse Zeit als Universitätsdozent arbeitete, hat er sich ganz vom akademischen Betrieb entfernt und genießt dafür als freier Schriftsteller in naturreligiösen Kreisen immer mehr Akzeptanz. Für seine spirituell ausgerichtete Form der Philologie war wohl kein Platz an der Universität, und so veröffentlicht er seine Bücher heute in Eigenregie, um größtmögliche geistige Unabhängigkeit zu haben.
Daniel Nicol Dunlop und die Mysterien der Erde
Der vorliegende Beitrag ist die Ausarbeitung eines Vortrags zur Tagung des D. N. Dunlop Instituts ›Die Mysterien der Freiheit und der Gemeinschaft – Daniel Nicol Dunlops Wirken als Esoteriker und Wirtschaftspraktiker‹ in Frankfurt am Main. Da die besonderen wirtschaftlichen Organisationsfähigkeiten Dunlops sich nicht aus seiner Biografie erklären lassen, wird untersucht, wie diese in einer früheren Inkarnation veranlagt worden sein könnten. In der Wirtschaftsorganisation des Templerordens tauchen viele Elemente auf, die von Dunlop aufgegriffen und an die Anforderungen seiner Zeit angepasst wurden.
Zum 800. Geburtstag von Thomas von Aquin (1225–1274)
Thomas von Aquin? Finsteres Mittelalter, 13. Jahrhundert, hat mit uns nichts mehr zu tun. So werden viele Menschen denken, die sich noch nicht eingehender mit dieser Individualität beschäftigt haben. Die Zeit der Scholastik steht heute ebenfalls in einem schlechten Ruf. Selten wohl fragt sich jemand, warum man nach so langer Zeit immer noch von Thomas von Aquin spricht. Vielleicht hat man von seiner ›Summa Theologica‹ gehört und von seinem starken Einfluss besonders in der katholischen Kirche, die damals begann, Häretiker zu verfolgen. Es war die Zeit, in der die Schriften des griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) wiederentdeckt wurden, die über die Araber zurück nach Europa gekommen waren. Bekannt sind der Philosoph Siger von Brabant (1240–1280) und der Hl. Franziskus, der den Orden der Franziskaner ins Leben rief. Ein Bettelorden, wie der 1216 von Dominikus (1170–1221) begründete Dominikanerorden. Auf einem hohen, kegelförmigen Berg bei der Stadt Cassino in Latium liegt das Benediktinerkloster Montecassino. Von der Terrasse schauen wir durch luftige Arkaden auf das umgebende Land. Nahebei erinnern viele Soldatenfriedhöfe an die schweren Kämpfe um den Berg im Zweiten Weltkrieg. Das Kloster wurde dabei weitgehend zerstört, bald jedoch wieder aufgebaut. Die weitere Aussicht auf das Land ist atemberaubend. Westlich im Mittagsdunst der bergigen Landschaft liegt Aquino, mehr zu ahnen als zu sehen, und einige Kilometer dahinter die Burg Roccasecca (trockener Fels), wo Thomas von Aquin um Neujahr 1225 geboren wurde und die nur noch eine Ruine ist.
Die respirativen Funktionsträger Gaias
Wie viele Menschen liebe auch ich die Berge. Neben ihrer unbegreiflichen Schönheit und Majestät nehme ich sie als hohe geistige Wesen wahr. Ihre Lebensäußerungen empfinde ich, gemessen an menschlichem Sein, als so titanenhaft dimensioniert, dass sie das um Verstehen bemühte Bewusstsein mit ihrer Seinswucht gleichsam betäuben oder zumindest herabdämpfen. Zu diesem Problem tritt die Fremdartigkeit des Bergbewusstseins gegenüber menschlichem Bewusstsein hinzu. Entsprechend schwer fällt es mir, zu einem dialogischen Verstehen vorzudringen. Bei einem Phänomen, das ich die »Bergatmung« nenne, blieb mir, über die unmittelbare Wahrnehmung hinaus, ein tieferes Verständnis lange verwehrt. Erst durch die Sichtweise einer anthroposophisch erweiterten Physiologie wurden mir die inneren Zusammenhänge erkennbar. Für mich ist es eine der schönsten Arten, mit der von Rudolf Steiner eröffneten Anthroposophie zu leben, wenn sich deren Weisheitsgüter (die uns zunächst in verschriftlichter Buchform begegnen) völlig zwanglos in der Erfahrungswirklichkeit auf ungeahnte Weise bestätigen und zur lebendigen Anwendung bringen lassen. Darin liegt eine tiefe Glücksempfindung. Hiervon will der folgende Artikel (als einem möglichen Zugang) berichten.
Ein Nachruf auf Ralf Sonnenberg (* 6. Januar 1968 in Münster; † 1. August 2025 in Berlin)
Ralf Sonnenberg war nicht nur seit 1997 regelmäßiger Autor von die Drei, sondern von 2000 bis 2007 auch Mitredakteur dieser Zeitschrift. Der Schreiber dieser Zeilen hatte die Redaktionsleitung im Herbst 1999 von Theo Stepp übernommen (bis 2015). Durch den Umzug der Redaktion im Januar 2000 von Stuttgart nach Frankfurt am Main war auch eine weitere personelle Neuaufstellung erforderlich. Auf eine entsprechende Anzeige hatte sich Ralf beworben, und wir haben dann nicht nur den Umzug gemeinsam gemeistert, sondern auch über sieben Jahre eng zusammengearbeitet – bis er auf eigenen Wunsch ausschied, um sich in Berlin, wo er bereits seit 1990 gelebt hatte, selbstständig zu machen, ab 2010 mit einem eigenen Lektoratsbüro.
Zum 500. Todestag Friedrichs III des Weisen (* 17. Januar 1463 in Torgau Schloss; † 5. Mai 1525 in Annaburg)
Er wurde geboren zu einer Zeit, als das Mittelalter allmählich zu Ende ging. In seinem Wesen war er in vielem noch ein mittelalterlicher Mensch. Er beschützte die Reformation Martin Luthers und reifte an ihr zu einem modernen Menschen. Ihn prägten sein hoch entwickeltes Verantwortungsgefühl, intensive Frömmigkeit und sein Suchen nach Wahrheit. Friedrich III. wurde am 17. Januar 1463 auf Schloss Hartenfels in Torgau als ältester Sohn des Kurfürsten Ernst von Sachsen (1441–1486) und seiner Ehefrau Elisabeth (1443–1484), einer bayerischen Herzogstochter, geboren. Sein Geburtstag fiel auf den Gedenktag des Heiligen Antonius. Dieser »Vater der Mönche« aus dem 3./4. Jahrhundert spielte in seiner Frömmigkeit eine große Rolle. Die Burg Hartenfels war seit Jahrhunderten im Besitz der Wettiner. Friedrichs Vorfahren waren teilweise römisch-deutsche Könige und Kaiser gewesen (Staufer, Habsburger, Welfen, Hohenzollern, pommersche Greifen…). Seines Platzes im europäischen Hochadel war er sich sehr bewusst.