Artikel von Ute Hallaschka
Zu einer Weiterbildung in Sprachgestaltung und Schauspiel am Goetheanum
Eine Reise nach Dornach ist immer ein Abenteuer. Man weiß nie, was einen erwartet. Das liegt daran, dass man so viel Sehnsucht an diesen Ort trägt. Heimlich die Hoffnung, es könnte sich ereignen, dass ein äußeres Geschehen sich genauso zuträgt, wie es sich anfühlt im eigenen Gemüt. Das ist natürlich eine Illusion. Im Grunde erwartet man ja, sich selbst zu begegnen – in der Liebe zur Anthroposophie. Damit hängt das bekannte Dilemma zusammen, wie leicht diese Liebe, die doch alle Anthroposophen eint, umschlagen kann in ihr Gegenteil. Eifersüchtig die Geliebte verteidigend, wird der andere als Nebenbuhler plötzlich zum Feind. Schon sind wir mitten drin im Drama. Was wir aus Herzen gründen und aus Häuptern zielvoll führen wollen – damit kann ja nur das Herz und das Haupt jedes Einzelnen gemeint sein. So ist es auch, ganz im Sinne der ›Philosophie der Freiheit‹. Dennoch kann keine Rede davon sein, dass der ethische Individualismus ein liebevolles anthroposophischen Gemein(schafts)wesen hervorgebracht hätte. Das wissen wir alle. Und doch könnte angesichts dieser Tatsache auf der Stelle ein Streit entbrennen und zur übersinnlichen Schlägerei führen. Wie sonderbar!
Vom Eros des Denkens
Es gibt ein schöpferisches Verstehen, ein kreatives Anschauen, das nichts zu tun hat mit Interpretation. Darin sind sich zwei so unterschiedliche Geister wie Bertolt Brecht und Rudolf Steiner einig. Brecht: »›Was tun Sie‹, wurde Herr K. gefragt, ›wenn Sie einen Menschen lieben?‹ ›Ich mache einen Entwurf von ihm‹, sagte Herr K., ›und sorge, da. er ihm ähnlich wird.‹ ›Wer? Der Entwurf?‹ ›Nein‹, sagte Herr K., ›der Mensch.‹. Und Steiner: »Man sagt: die Liebe mache blind für die Schw.chen des geliebten Wesens. Die Sache kann auch umgekehrt angefaßt werden und behauptet: die Liebe öffne gerade für dessen Vorzüge das Auge. Viele gehen ahnungslos an diesen Vorzügen vorbei, ohne sie zu bemerken. Der eine sieht sie, und eben deswegen erwacht die Liebe in seiner Seele. Was hat er anderes getan: als von dem sich eine Vorstellung gemacht, wovon hundert andere keine haben. Sie haben die Liebe nicht, weil ihnen die Vorstellung mangelt.«