Artikel von Barbara Messmer
Die Frauenbewegung, das Matriarchat und ein neues Naturverhältnis
Ende des 19. Jahrhunderts, als die erste Frauenbewegung in Europa immer stärker anwuchs, wurde in der männlich dominierten Wissenschaft viel über die »Natur des Weibes« geschrieben: ob Weiber eine Seele hätten und überhaupt im vollen Sinne Menschen seien. Auch, ob die Frau im harten Berufsleben stehen will oder ob sie z.B. »ihrer natürlichen Veranlagung nach sich nicht zum praktischen juristischen Beruf eignet«. Rosa Mayreder (1858–1938) und Rudolf Steiner drehten den Spieß um: »Was die Frau ihrer Natur nach wollen kann, das überlasse man der Frau zu beurteilen. […] Sie [die Frauen] müssen es aber selbst entscheiden können, was ihrer Natur gemäß ist.« – »Man wird erst wissen, was die Frauen sind, wenn ihnen nicht mehr vorgeschrieben wird, was sie sein sollen.« Neben dem Kampf der Frauen um das Wahlrecht sowie die Zulassung zu Berufsausbildungen und Berufen musste damals auch eine Identitätsfindung beginnen. Immer mehr Frauen erwachten zu ihrer Individualität – basierend auf ihrem Geschlecht, aber nicht abhängig davon. Darin kann auch ein Impuls gesehen werden, der zum »Anbruch des Michael-Zeitalters« gehört, das laut Rudolf Steiner um 1879 begonnen hat und in dem die Menschen sich aus Gruppenhaftigkeit und biologischen Bestimmungen herauszulösen streben.
Zum 100. Todestag von Rosa Luxemburg (5. März 1871–15. Januar 1919)
Mut und Freiheit waren durchgehende Signaturen in Rosa Luxemburgs Leben – aber auch der Widerspruch. Als Róża Luksenburg in eine Familie des polnisch-jüdischen Bildungsbürgertums hineingeboren, hatte sie von Kindheit an mit Gegensätzen und Widerständen zu tun. Die lebhafte Rosa musste als Fünfjährige wegen eines Hüftleidens ein Jahr liegen. In dieser Zeit brachte sie sich Lesen und Schreiben bei. Weil die Krankheit falsch behandelt wurde, hinkte sie zeitlebens, glich das aber mit einer unglaublichen Energie in Gedanken und Worten aus. Schon früh empörte sie sich über Ungerechtigkeiten und schloss sich in der Schulzeit einer Widerstandsgruppe gegen die russische Okkupation Polens an. 18-jährig floh sie, im Stroh eines Bauernwagens versteckt, aus Polen, um einer Inhaftierung zu entgehen.
Die Vordenkerin Charlotte Perkins Gilman
Gibt es einen weiblichen Beitrag zur Dreigliederung des sozialen Organismus? Bis vor 100 Jahren haben Frauen Politik und Gesellschaft nicht bestimmt, sie waren nur in Ausnahmefällen als Gattin oder Verwandte eines Mannes beteiligt. Insofern existieren kaum Gesellschaftsentwürfe von ihnen – außer Utopien. In ihnen können wir ihre Wünsche und Zukunftsträume kennenlernen.
Renate Riemeck und das passive Wahlrecht
Am 12. November 1918 rief der Rat der Volksbeauftragten das Wahlrecht für Frauen in Deutschland aus. Der Zusammenbruch des Kaiserreichs am Ende des Ersten Weltkriegs und die Novemberrevolution machten es möglich. Am 30. November 1918 wurde das neue Wahlrecht mit einer Verordnung gesetzlich fixiert. Bereits am 19. Januar 1919 konnten Frauen die Deutsche Nationalversammlung mitwählen, was über 90% wahrnahmen. 37 Frauen erhielten einen Sitz im Parlament. Aber die von den Feministinnen erhoffte Gewichtsverlagerung zugunsten jener Parteien, die für die Gleichberechtigung der Frau eintraten, blieb aus: Das Wahlverhalten der Frauen war überwiegend gemäßigt bis konservativ ausgerichtet. Die Machtverteilung blieb beim Alten.
Eine Sprache frei von Unterdrückung
Zur Darstellung der Anthroposophie in der aktuellen Literatur
Anthroposophinnen und Anthroposophen stehen seit der Corona-Pandemie verschärft im Fokus von Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Es wird ein Bild von ihnen verbreitet, das festsitzt und wirkt. Erstaunt war ich, als ich neben diesen schnelllebigen Medien nun auch in Büchern, die eine l.ngere Lebenszeit haben, etwas fand. Das kann förderlich oder schädlich sein. Je ein Beispiel ist mir begegnet.
Eine Signatur im Leben von Käthe Kollwitz
Käthe Kollwitz (1867–1945) hatte eine unbeschwerte Kindheit und war als Jugendliche lebenslustig und gesellig. Sie tanzte gern und verliebte sich oft. Von klein auf malte sie und wurde darin gefördert. Aber genauso ausgiebig beobachtete sie in ihrer Geburtsstadt Königsberg arbeitende Handwerker oder die Sackträger am Hafen und fand sie lebensvoll und schön. Nach ihrer Ausbildung zur Malerin heiratete sie 1891 den Arzt Karl Kollwitz und beide zogen nach Berlin, bewusst in das Arme-Leute-Viertel Prenzlauer Berg. Sie waren ihr Leben lang überzeugte Sozialdemokraten; und so behandelte Karl Kollwitz in seiner Praxis mittellose Kranke umsonst, seine Frau besuchte sie, brachte ihnen Kleider und Essen; dabei lernte sie Siechtum, Elend und Tod kennen.
Zu Gunna Wendt: ›Ita und Marie‹
Gunna Wendt hat sich mit Biographien zu Paula Modersohn-Becker, Franziska zu Reventlow und Liesl Karlstadt qualifiziert. Sie schrieb auch über die Freundschaft von Paula Modersohn-Becker und Clara Rilke-Westhoff und die Liebe zwischen Erika Mann und Therese Giehse. Doch nun eine Doppelbiographie zu zwei anthroposophischen Protagonistinnen von einer nicht als Anthroposophin bekannten Autorin – kann das gut gehen? Oh ja, sehr gut sogar!