Artikel von Andreas Neider
Das kulturpessimistische Evolutionsverständnis des Yuval Noah Harari – Teil II
Im ersten Teil dieses Beitrages hatten wir damit begonnen, die beiden Bücher ›Eine kurze Geschichte der Menschheit‹ und ›Homo deus‹ des israelischen Universalhistorikers Yuval Noah Harari – der heute zu den meistgelesenen Gelehrten der westlichen Welt gehört – gegen den Strich der bisherigen, überwiegend positiven Kritiken zu lesen. Dabei hatten wir festgestellt, dass der inzwischen auch zu einem der meistgefragten Talkshow- Gäste und Redner für internationale FührungskraÅNfte avancierte Hyperintellektuelle, wenn man es theologisch ausdrücken würde, mit dem für ihn nicht lösbaren Problem des Sündenfalls kämpft. Er sieht in der Evolution der Menschheit nicht nur eine invisible hand, sondern letztlich den Teufel am Werk
Das kulturpessimistische Evolutionsverständnis des Yuval Noah Harari – Teil I
Yuval Noah Harari, 1976 in Israel geboren, hat 2002 in Oxford promoviert und lehrt an der ›Hebrew University of Jerusalem‹ Geschichte. Gleichzeitig war er Schüler des indischen Vipassana- Lehrers Satya Narayan Goenka (1924–2013), einem der einflussreichsten Lehrer dieser buddhistischen Meditationsform im Westen. Auf diesen Hintergrund Hararis – den er vor allem in ›Homo deus‹ sehr deutlich betont, indem er Goenka nicht nur sein Buch widmet, sondern ihm auch für den Unterricht in der Vipassana-Meditation als hauptsächliche Inspirationsquelle seiner Bücher dankt– und auf die hierin aufscheinende Problematik des Einklangs buddhistischer Meditation mit einem reduktionistisch-materialistischen Evolutionsverständnis sowie einen Kulturpessimismus, für die Harari nicht das einzige Beispiel ist, wird noch genauer einzugehen sein.
Die vier Stufen der christlich-mystischen Meditation
»Meditation« ist heute weltweit zu einem Schlagwort geworden, unter dem sich die meisten Menschen etwas vorstellen, das im östlichen Buddhismus seinen Ursprung hat. Dass es aber ebenso in der westlichen Tradition, insbesondere im christlichen Mittelalter bereits sehr differenzierte Meditationsanweisungen und Methoden gegeben hat, ist nur wenigen Menschen bekannt. Der folgende Beitrag soll einen Einblick in eine sehr gut dokumentierte Meditationsweise geben, die in ihrem vierstufigen Aufbau eine deutliche Verwandtschaft zu den ›Stufen der höheren Erkenntnis‹ Rudolf Steiners zeigt.
Ein Hinweis auf den anthroposophischen Kabbala-Forscher Ernst Müller
Dass Rudolf Steiner ein außerordentlich positives Verhältnis zu seinen jüdischen Schülern hatte, ist durch das Beispiel der beiden Stuttgarter Anthroposophen Carl Unger und Adolf Arenson weitläufig bekannt. Beide waren säkularisierte Juden, die wegen ihrer intellektuellen und philosophischen Begabungen schon in den frühen Jahren der anthroposophischen Arbeit Steiners Anerkennung und im Falle von Unger eine anhaltende, intensive Förderung erfahren haben. Beide waren überdies als Redner für die Verbreitung der Anthroposophie umfassend tätig. Während Unger nach dem Ersten Weltkrieg auch auf den wissenschaftlichen Kongressen der anthroposophischen Bewegung sprach, bemühte sich Arenson vor allem um die Erschließung des Vortragswerkes Rudolf Steiners. Unger publizierte überdies im Laufe seines Lebens zahlreiche philosophische Werke, die eine eigenständige Erschließung der Anthroposophie zum Ziel hatten und von Rudolf Steiner geschätzt wurden. Weniger bekannt ist hingegen, dass Rudolf Steiner auch religiöse Juden zu seinen Schüler zählte, die er ebenso förderte, und zwar im Hinblick auf die Erforschung des esoterischen Judentums, insbesondere der Kabbala. Um die Zusammenarbeit Rudolf Steiners mit einem solchen Schüler, dem aus Wien stammenden Ernst Müller, soll es im Folgenden gehen.