Artikel von Ruth Renée Reif
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Yannick Haenel
Die Lage der afrikanischen Immigranten in den Pariser Banlieues ist katastrophal. Proteste werden nicht selten mit Übergriffen der Polizei beantwortet. Am 27. Oktober 2005 wurden die beiden schwarzen Jugendlichen Ziad Benna und Bouna Traoré auf der Flucht vor der Polizei in einem Transformatorenhäuschen von Stromschlägen tödlich getroffen. In seinem Roman Die bleichen Füchse (übersetzt von Claudia Steinitz, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2014) gibt der französische Schriftsteller Yannick Haenel den Papierlosen und ihren Sympathisanten endlich eine Stimme. Inspiriert von afrikanischen Mythen, entwirft er eine revolutionäre Gruppe, die Paris zum Schauplatz einer wilden Revolte macht und die »Utopie einer von der Identität befreiten Welt« beschwört.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit dem britisch-indischen Schriftsteller Rana Dasgupta
Ein rasantes wirtschaftliches Wachstum katapultierte Indien in die Ränge der zehn größten Wirtschaftsmächte der Welt. Seit Manmohan Singh als Finanzminister 1991 die wirtschaftliche Öffnung einleitete, erlebt das Land einen gewaltigen Wandlungsprozess. Der Schriftsteller Rana Dasgupta kam im Jahr 2001 nach Delhi und erfuhr »ein überwältigendes Eintauchen«. Er sprach mit Milliardären und Slumbewohnern, Drogenhändlern und Gurus, Unternehmern und Künstlern und entwarf ein Porträt der Metropole im Spannungsfeld unüberbrückbarer Gegensätze. Delhi. Im Rausch des Geldes (aus dem Englischen von Barbara Heller und Rudolf Hermstein, Suhrkamp Verlag, Berlin 2014) ist ein Buch über ungezügelte menschliche Energien sowie bestürzendes Elend und vermittelt eine Ahnung von der Zukunft der Welt im 21. Jahrhundert.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit dem irakischen Schriftsteller Najem Wali
»Wieso aber tötet der Mensch?«, fragt ein zwölfjähriger Junge im neuen Roman des irakischenSchriftstellers Najem Wali. Und es ist die Frage, die einen während der gesamten Lektüre von BagdadMarlboro (übersetzt von Hartmut Fähndrich, Carl Hanser Verlag, München 2014) bedrängt. Najem Walischildert die Traumatisierung der Soldaten und die Hilflosigkeit ihrer Umgebung. Weder Mütter nochEhefrauen oder Geliebte vermögen die aus dem Krieg heimgekehrten Männer von ihrer Verzweiflungund ihren Schuldgefühlen zu befreien. Freundschaft, Verrat und Schuld sind die Themen dieses bewegendenAntikriegsromans, den Najem Wali jenem Soldaten gewidmet hat, der über die Internet-PlattformWikileaks bekannt gemacht hat, dass Amerikaner im Irak absichtlich Zivilisten erschossen haben.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit dem französischen Schriftsteller Mathias Enard
Beethoven besaß einen Kompass. Und dieser Kompass zeigt nach Osten. Er zeigt in den Orient. Es ist der Kompass der Erleuchtung, das Artefakt Suhrawardis, des großen persischen Philosophen und ersten Orientalisten. In seinem mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Roman ›Kompass‹ (aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller, Hanser Berlin 2016) erschließt Mathias Enard einen faszinierenden Raum der Begegnung von Orient und Okzident. Anknüpfend an die Liebesgeschichten der Weltliteratur und getragen von einer immensen Recherche, lässt er den Wiener Musikwissenschaftler Franz Ritter in einer schlaflosen Nacht mystische Orte, historische Stätten und Vergangenheiten durchwandern. Der Leser wird hineingezogen in einen überwältigenden Strom des Zusammenwirkens abendländischer und orientalischer Einflüsse in der Musik, Literatur, Kunst und Philosophie.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Alex Perry
Afrika befindet sich im Aufbruch. Der britische Afrika-Experte Alex Perry bereiste zehn Jahre lang den Kontinent, sprach mit Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft und erlebte ein Afrika, das nicht nur von Hunger, Katastrophen und Kriegen bestimmt wird, sondern selbstbewusst seinen Weg sucht. Den Menschen südlich der Sahara prognostiziert Perry ein Entkommen aus der Armut und eine Befreiung von westlicher Einmischung und Bevormundung. Aus eigener Kraft werden die Menschen den wirtschaftlichen Aufschwung schaffen. Damit werde auch dem Rassismus der Boden entzogen. In seinem Buch ›In Afrika. Reise in die Zukunft‹ (S. Fischer, Frankfurt a. M. 2016) zeigt Perry, dass der Prozess der Veränderung längst begonnen hat. Was hinterherhinkt, ist unsere Sicht auf Afrika.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit François-Xavier Fauvelle
»Goldene Jahrhunderte« nennt der französische Historiker und Archäologe François-Xavier Fauvelle die mittelalterliche Ära Afrikas. In seinem Buch ›Das goldene Rhinozeros. Afrika im Mittelalter‹ (aus dem Französischen von Thomas Schultz, C.H. Beck, München 2017) durchmisst er auf einer Art Entdeckungsreise acht Jahrhunderte afrikanischer Geschichte. »Wir werden uns damit abfinden müssen, nicht immer zu verstehen, was wir sehen«, warnt er seine Leser vor. Geografische Ungenauigkeiten, Widersprüche, verwaiste Spuren und verlorene Fundgegenstände kennzeichnen das historische Bild des Zeitraums zwischen Antike und Neuzeit, bevor der afrikanische Kontinent »mit Gewalt an das Schicksal der europäischen Mächte gekoppelt« wurde. Dennoch gelingt es Fauvelle, anhand vielfältiger Dokumente wie Briefe, Reiseberichte, Handelsverträge, Landkarten sowie archäologische Funde einen Kontinent als Zentrum strahlender Kulturen zum Leben zu erwecken.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Peter-André Alt
Sigmund Freud revolutionierte das Denken über den Menschen wie kaum ein anderer Wissenschaftler. Als Begründer der Psychoanalyse und Verfasser der Traumdeutung eroberte er Neuland. Er öffnete die wissenschaftliche Sicht auf das menschliche Triebleben, das Unbewusste und die Sexualität. Ihm widerfuhr heftige Kritik. Sein Denken wurde für überholt oder widerlegt erklärt und erlangte doch immer wieder neue Bestätigung. Auf vielfältige Art erweist es sich als fruchtbar bis in die Gegenwart. Der Literaturhistoriker Peter-André Alt hat eine neue Freud-Biografie vorgelegt. In ›Sigmund Freud. Der Arzt der Moderne‹ (C. H. Beck, München 2016) porträtiert er Freud als Arzt und Wissenschaftler, Familienvater und belesenen Gelehrten sowie als Schriftsteller, dessen Krankenberichte den großen Novellen des 19. Jahrhunderts gleichen. Er zeichnet die Geschichte seiner Wissenschaft nach und würdigt die kulturhistorische Leistung, die Freuds Lehre »als Moment der Moderne, als Instrument ihrer Deutung und ihr Motor« vollbracht hat. Gestützt auf unveröffentlichtes Material, spürt er der Frage nach, wie Freud aus den Patientengesprächen in der Berggasse und den Selbstanalysen ein folgenreiches Wissen vom Menschen gewann und eine Lehre schuf, die weit über das therapeutische Feld hinauswirkte.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Raoul Schrott
Was lässt sich erzählen vom Urknall, der Entstehung der Erde und dem Beginn des Lebens? Sieben Jahre lang ist Raoul Schrott dieser Frage nachgegangen. Er hat die Welt bereist, um zu den Ursprüngen zu gelangen, den ältesten Steinen, den Fossilien von allererstem Leben, den frühesten Spuren des Menschen, und hat dazu zahlreiche Gespräche mit Naturwissenschaftlern geführt. Entstanden ist ein gewaltiges Epos, beeindruckend in seiner erzählerischen Fülle wie in seiner thematischen Spannweite. ›Erste Erde. Epos‹ (Hanser, München 2016) erkundet vor dem Hintergrund der kosmologischen Geschichte und der Evolution die Existenz des Menschen in ihren zahlreichen Facetten.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Alexander Kluge
Alexander Kluge wendet sich in seinem Roman ›Russland-Kontainer‹ (Suhrkamp Verlag, Berlin 2020) dem größten Land der Erde zu. Weit wirft er seine Netze aus und sammelt eine Fülle kurioser, bewegender und verblüffender Geschichten und Beobachtungen. Dabei bezieht er Naturwissenschaft und Technik ebenso ein wie Wirtschaft, Religion, Literatur und Musik. Nicht ein einheitliches Bild Russlands entwirft Kluge, sondern eine Vielfalt an Perspektiven tut sich vor dem Leser auf.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit der moldawischen Schriftstellerin Liliana Corobca
»Besser ohne so viele Markenkleidungsstücke, dafür mit einer Mutter«, denkt die zwölfjährige Cristina wehmütig. Mit ihren beiden Brüdern ist sie ganz allein. Sie kocht, putzt, füttert die Hühner und Schweine und versucht, den Brüdern Ersatzmutter und -vater in einem zu sein. Ihre Eltern sind im Ausland, um Geld zu verdienen. Der Vater arbeitet in Sibirien, und die Mutter passt in Italien auf fremde Kinder auf. In ihrem Roman ›Der erste Horizont meines Lebens‹ (aus dem Rumänischen von Ernest Wichner, Paul Zsolnay Verlag, Wien 2015) gibt die moldawische Schriftstellerin Juliana Corobca den Kindern in Moldawien eine Stimme, die von ihren Eltern zurückgelassen wurden.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Daniela Dahn
»Scharfsinnig im Urteil und unabhängig in der Analyse«, schrieb der spanische Schriftsteller Jorge Semprún über Daniela Dahn. Er hob ihre dialektisch angelegten Texte hervor und bezeichnete sie als Vertreterin der deutschen Tradition der »demokratischen Vernunft« und als ausgewiesene Gesinnungs- und Verantwortungsethikerin. Seit der Wiedervereinigung findet die streitbare Intellektuelle aus dem Osten zunehmend auch im Westen Gehör. Ihre kritischen Anmerkungen zur Wirtschaftspolitik sowie zur Entdemokratisierung lösen immer wieder heftige Kontroversen aus. In ihrem jüngsten Buch Wir sind der Staat! Warum Volk sein nicht genügt (Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013) fordert sie ihre Leser dazu auf, die Verfassung mit Leben zu erfüllen und den Staat, der immer mehr zu einem Instrument der Wirtschaft zu werden droht, in Besitz zu nehmen. Sie plädiert für einen Staat, dessen Bürger an der politischen Willensbildung teilnehmen. Und sie setzt sich mit der Frage auseinander, wie eine Demokratie zu organisieren wäre, »an der teilzunehmen tatsächlich auch für die vielbeschworene Basis interessant ist – für die klassischen Arbeiter, die kleinen Angestellten und Ladenbesitzer, die Dienstleistenden, Migranten und Arbeitslosen«.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Claudia Ott
Für Goethe war ›1001 Nacht‹ ein Lebensbuch. Hugo von Hofmannsthal sah darin »die kühnste Geistigkeit und die vollkommenste Sinnlichkeit in eins verwoben«. Jetzt ist die Überlieferungsgeschichte der Sammlung um einen sensationellen Fund reicher. In der Raşit-Efendi-Bibliothek der Altstadt von Kayseri stöberte die Arabistin Claudia Ott das lange verschollene Ende von ›1001 Nacht‹ auf und machte es in einer großartigen Übersetzung der Öffentlichkeit zugänglich. Ott gehört international zu den führenden Experten für ›1001 Nacht‹. Ihre Erstübersetzung des bisher ältesten Fragments von ›1001 Nacht‹ liegt bereits in der 11. Auflage vor. ›Tausendundeine Nacht. Das glückliche Ende‹(C. H. Beck, München 2016) enthält Schahrasads kunstvoll verschachtelte Erzählungen der letzten 125 Nächte sowie den ausführlichen Schluss mit der reuigen Einsicht von Sultan Schahriyar und einer Doppelhochzeit.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit dem Nahost-Experten Bruno Schirra
Die dschihadistische Terrorgruppe ISIS bedroht die arabische Welt. Sie zieht eine Blutspur durch den Irak und Syrien. Ihr Ziel ist die Errichtung eines Islamischen Staates im Irak und in den historischen Grenzen Großsyriens. Am 29. Juni 2014 ernannte sich ISIS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi in der irakischen Stadt Mossul zum Kalifen und postulierte damit seinen Anspruch als Nachfolger des Propheten Mohammed. ISIS nennt sich seither ›Islamischer Staat‹ (IS) und unterstreicht nach Einschätzung des Nahost-Experten Bruno Schirra damit »den globalen Anspruch seiner Herrschaft«. Ausnahmslos jedes Land, in dem jemals Muslime die Herrschaft innehatten, solle seinem Kalifat unterworfen werden. Das bedeute die Gefahr eines Flächenbrandes, der über Syrien und den Irak hinaus die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens erfassen könne. In seinem Buch ›ISIS. Der globale Dschihad. Wie der »Islamische Staat« den Terror nach Europa trägt‹ (Econ, Berlin 2015) analysiert Schirra, wie es zum fulminanten Aufstieg von ISIS kommen konnte und welche Gefahr – auch für Europa – von der Organisation ausgeht.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit dem Philosophen Slavoj Žižek
Slavoj Žižek ist einer der anregendsten Denker der Gegenwart. Seine Philosophie entspringt der Auseinandersetzung mit den sozialen und kulturellen Phänomenen der Gegenwart. Der Philosophenkollege Dominik Finkelde vergleicht sie mit jenem anamorphotischen Blick auf die Wirklichkeit, der die Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts kennzeichnet, wenn perspektivisch verzogene Bildinhalte erst unter einem bestimmten Blickwinkel erkennbar werden. So wird Žižek von dem Willen getrieben, alles aus einer durch das Vokabular Hegels und Lacans getönten Perspektive noch einmal zu interpretieren. In seinem Buch ›Weniger als nichts. Hegel und der Schatten des dialektischen Materialismus‹, dessen Taschenbuchausgabe im August 2016 bei Suhrkamp erschienen ist, entwirft er aus der Perspektive immer neuer Lektüren von Hegel, Marx und Lacan seine politische Philosophie.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Peter Schäfer
»Die Erhöhung des Jesus von Nazareth als des Erstgeborenen vor aller Schöpfung, des menschgewordenen Gottes, des Sohnes Gottes, des Menschensohns, des Messias« – alle diese christlichen Vorstellungen einer göttlichen Zweisamkeit wurzeln im frühen Judentum, das ebenfalls viele Namen für einen zweiten Gott im Himmel hatte. Der Judaismus-Forscher Peter Schäfer stellt das Bild von einem jüdischen Monotheismus angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse infrage. In seinem Buch ›Zwei Götter im Himmel. Gottesvorstellungen in der jüdischen Antike‹ (C. H. Beck, München 2017) beschreibt er, wie sich das rabbinische Judentum, das sich nach der Zerstörung des Zweiten Tempels 70 nach unserer Zeitrechnung unter Federführung der Rabbinen herausbildete, angesichts des entstehenden Christentums wieder auf seine frühen Vorstellungen zweier Götter besann. Die Vorstellung eines zweiten Gottes im Himmel wurde von Rabbinen und jüdischen Mystikern über die Jahrhunderte weiterentwickelt.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Jenny Erpenbeck »
»Über das sprechen, was Zeit eigentlich ist, kann er wahrscheinlich am besten mit denen, die aus ihr herausgefallen sind« denkt der emeritierte Altphilologe in Jenny Erpenbecks neuem Roman Gehen, ging, gegangen (Albrecht Knaus Verlag, München 2015). Zwei Welten treffen darin aufeinander: Europa, die alte Welt, und Afrika, vertreten von mittellosen jungen Männern. Vor dem Roten Rathaus in Berlin begegnen sie einander zum ersten Mal. Der Professor sieht eine Demonstration von zehn schwarzhäutigen jungen Männern. Sie sagen nicht, wer sie sind. »Sie sind einfach da.« Sie wollen bleiben, und sie wollen Arbeit. Das Bild geht dem Professor nicht mehr aus dem Sinn. Abends imFernsehen erfährt er, dass es sich um Flüchtlinge handelt, die in einen Hungerstreik getreten sind. Er beschließt, die Männer zu befragen, nach ihrer Herkunft, ihrer Kindheit, ihren Vorstellungen und ihren Wünschen. Tag für Tag sucht er sie in ihren Unterkünften auf. Er wird Zeuge ihrer unwürdigen Unterbringung, ihres Hin- und Hergeschoben-Werdens und der Perspektivlosigkeit ihres Daseins. Und überdeutlich wird ihm bewusst, »dass er zu den wenigen Menschen auf dieser Welt gehört, die sich die Wirklichkeit, in der sie mitspielen wollen, aussuchen können«.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Herfried Münkler
Am 28. Juni 1914 wurde in Sarajevo der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ermordet. Einen Monat später begann der Erste Weltkrieg. 40 Staaten waren an ihm beteiligt und 17 Millionen Menschen fielen ihm zum Opfer. Für George F. Kennan war er die »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts«. Herfried Münkler sieht in ihm auch »das Laboratorium, in dem fast alles entwickelt worden ist, was in den Konflikten der folgenden Jahrzehnte eine Rolle spielen sollte«. In seiner umfassenden Darstellung Der große Krieg. Die Welt 1914-1918 (Rowohlt Verlag, Berlin 2013) schildert er eindrucksvoll, wie ein regionaler Konflikt in einer Folge von Zufällen und Fehlentscheidungen zum weltweiten Krieg eskalierte. Er zeigt, wie dieser Krieg Revolutionen auslöste, das Ende der Imperien besiegelte und die Machtverhältnisse der Welt veränderte. Vor allem aber warnt er, dass die Konstellationen, die in diesen Krieg geführt hätten, keineswegs überwunden seien.
Ruth Renée Reif im Gespräch mit Alexander Kluge
»Nachträglich hätte ein unbefangener Beobachter die traumartige Verwicklung neu aufrollen und unter Zustimmung aller Beteiligten ein glücklicheres Ende herbeiführen können.« Auf der Suche nach dem glücklicheren Ende versammelt Alexander Kluge Schwärme von Geschichten, Beobachtungen, Erkenntnissen und Kuriositäten. Er hält Erinnerungen fest und durchmisst die Erdgeschichte ebenso wie die Geschichte seiner Familie. Ein einziger Moment kann die Wendung herbeiführen und den Schalter der Geschichte umlegen. Den zentralen Bezugspunkt bildet Kong, der riesige Gorilla auf dem Hochhaus, der die weiße Frau in seiner Hand hält und vor den angreifenden Flugzeugen beschützt. ›Kongs große Stunde. Chronik des Zusammenhangs‹ (Suhrkamp, Berlin 2015) ist ein faszinierendes Palimpsest, das vielfältige – überraschende und verstörende – Zusammenhänge offenbart.