Zum Gedenken an Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Schad (27. Juli 1935 in Biberach – 15. Oktober 2022 in Witten)
Die Begeisterung für die Sache und den Anspruch des Forschers auf Genauigkeit hat Wolfgang Schad schon als Schulkind gezeigt. Sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Georg Schad berichtet, dass Wolfgang und er in immer weiteren Kreisen die heimatliche Umgebung ihrer Kindheit in Hildesheim erkundet hätten. »Wolfgang sammelte alles was sein Interesse fand«, und eigentlich habe »alles sein Interesse gefunden.« So wurden Eidechsen, Blindschleichen und Schmetterlinge nach Hause getragen. Dem Vater fiel es zu, die verklebten Hosentaschen zu reinigen. Wolfgang notierte in Listen, welche Vögel sie erkannt hatten und an welchem Ort diese angetroffen worden waren. Wolfgang erklärte Georg, warum das alles von entschiedener Bedeutung sei, leitete ihn zur Hilfe an, und der jüngere Bruder erhielt Zeugnisse für »Fleiß, Treue, Gehorsam etc.«
Zu ›Am See‹ von Kapka Kassabova
Kann ein einzelner Mensch eine Landschaft – und ihre Schicksale – erlösen? Ist das denkbar – oder sogar machbar? Um nichts weniger als diese Frage geht es im jüngsten Buch der bulgarisch-englischen Schriftstellerin Kapka Kassabova, das 2021 auf deutsch erschien und hier vorgestellt werden soll. (Das Original kam 2020 unter dem Titel ›To the Lake. A Balkan Journey of War und Peace‹ in London heraus) »Die Stätte, die ein guter Mensch betrat, / ist eingeweiht«, sagt Goethe in ›Torquato Tasso‹ (V. 80f.). Wem träten dabei nicht die Landschaften Umbriens, die der heilige Franziskus durchwandelte, vor das innere Auge, um nicht gleich ans biblische Galiläa zu denken – oder, näher bei uns, die Thomaskirche in Leipzig, an der Johann Sebastian Bach wirkte?
Was für Mut braucht Frieden? Diese Frage bildet den Hintergrund des vorliegenden Essays; im Vordergrund ist der Blick zunächst auf Frauen gerichtet, die in der Wanderausstellung ›Friedensimpulse von Frauen‹ des Frauenrats in der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland erwähnt werden. Die Lebenswege der meisten hier genannten Frauen berührten sich mit dem Rudolf Steiners. Dessen nicht leicht zu nehmende Forderung, sich auf einen inneren Kampf einzulassen, der erst die Grundlage für äußeren Frieden bilden kann, greift die anfangs gestellte Frage auf.
Nizier Anthelme Philippe, genannt Maître Philippe de Lyon (25. April 1849 in Loisieuy – 2. August 1905 in L’Arbesle)
Nizier Anthelme Philippe, bekannt als Monsieur Philippe oder Maître Philippe, entdeckte ich in einem Buch von Roland Marthaler, das im Novalis Verlag erschienen ist. Zu dem Zeitpunkt war ich schon einmal in Lyon gewesen. Die Stadt ist sehr alt, von den Römern gegründet und seit dem 2. Jahrhundert bereits christlich. Sie ist das Tor zum Süden Frankreichs, einstige Königsresidenz der Burgunder von 461 bis 534. Eine gesegnete, fruchtbare Gegend am Zusammenfluss von Rhône und Saône. Lyon wird überragt von der 1896 geweihten Kirchenanlage der Notre-Dame de Fourvière, von wo aus man einen wunderbaren Blick über die Stadt mit ihren beiden Flüssen hat, die sich in ihrem Gebiet vereinigen. Linkerhand sieht man den zweiten bestimmenden Hügel der Stadt, die Croix-Rousse. Philippes Geburtsort Loisieux liegt weit dahinter, östlich von Lyon, in den Bergen zwischen Grenoble und Genf. Das Geburtshaus, ein Bauernhaus, stand zu jener Zeit noch außerhalb des Ortes, der auch heute nur 204 Einwohner hat. Damals gehörte Loisieux zum Herzogtum Savoyen, einem Teil des Königreichs Sardinien, heute zur Region Auvergne-Rhône-Alpes.
Erfahrungen mit Schiller
Wie es dazu kam, dass Schiller, ausgerechnet Schiller und dazu auch noch das zeitferne und nur schwer zugängliche Gedicht ›Das Ideal und das Leben‹1 (15 Strophen zu je 10 Versen) meine Widerstandskraft stärkte, soll hier erzählt werden als Beispiel für die oft beschworene, aber auch bezweifelte Kraft der Dichtung.
Zum Film ›Heilige Spiele – Eine Filmwanderung zu Johann Sebastian Bach‹ von Rüdiger Sünner
Zwei Hände entnehmen einem Instrumentenkoffer die Teile einer Querflöte. Umsichtig werden sie zusammengefügt. Im dunkel abgehängten Raum – jede Ablenkung vom Wunder des Klangs als Resultat einer intimen Begegnung zwischen Mensch und Instrument unterbindend – setzt ein Mann in schwarzem Hemd die Flöte an die Lippen. Es ist der Regisseur selbst, den wir am Werk sehen, dem wir zuschauen, wie er ein Geheimnis zum Leben erweckt: das Geheimnis, wie eine uns geschichtlich und hinsichtlich der Umstände, unter denen sie entstanden ist, so ferne Komposition zutiefst bewegen kann – während uns vieles andere und scheinbar Zeitgemäßere kalt lässt.
Nein, besonders elegant und wendig kommt es nicht daher, dieses Wort. Es wirkt eher träge und schwerfällig, ja, ein wenig plump. Mit geneigtem Kopf gewissermaßen, obwohl nicht ohne Kraft. Für das trottende, sich auf den Boden niederlassende, das ruhende oder schlafende Tier scheint der Name ganz gut geeignet. Für den unaufgeregten Hofhund vielleicht, für das Tier in einer bestimmten Lage, Verfassung und Funktion. Im .brigen fühlt sich der Oberbegriff nur für einen kleinen Teil der domestizierten Tiere richtig stimmig an. Für die schlanken Sprinter oder die feingliedrigen kleinen Sorten ist das Wort mehr ein Behelf.
Archivmagazin. Beiträge aus dem Rudolf Steiner Archiv, Nr. 12 / Oktober 2021
Im Unscheinbaren tüchtig sein
Nicht um Geometrie geht es in diesem Heft – aber wenn man ein durchgehendes Motiv feststellen möchte, dann ist dieses nicht inhaltlicher Natur. Viele, zum Teil sehr verschiedene Themen werden in den hier versammelten Beiträgen behandelt. Doch gehen oft zwei Artikel in dieselbe Richtung – wie Parallelen. Zu allen anderen zeichnen sie sich hingegen nur durch eine mehr oder weniger große Nähe aus – wie Parabeln. Die folgenden Zeilen können deshalb auch als Wegweisung verstanden werden, wie man das Heft am besten kreuz und quer liest.
Erscheinungsformen des Materialismus heute und vor 100 Jahren
Im Mittelpunkt des folgenden Beitrags stehen zwei Vorträge aus dem Zyklus ›Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha‹ (GA 175). Rudolf Steiner hat diese Vorträge am 27. Februar 1917 und am 6. März 1917 in Berlin gehalten. In dem Vortrag vom 27. Februar spricht Steiner am Schluss über den Kinematographen (was wir heute Film nennen). Da heißt es: »Ein besonders hervorragendes Mittel, den Menschen in den Materialismus hinein zu jagen, ist das, was von diesem Gesichtspunkte aus kaum bemerkt wird: der Kinematograph. Es gibt kein besseres Erziehungsmittel zum Materialismus als den Kinematographen.«
Zu Philip Kovce & Birger P. Priddat (Hrsg.): › Selbstverwandlung‹*
Seit einem Vierteljahrhundert wird von Kennern der technischen Entwicklung immer wieder die Sorge geäußert, dass die von uns erschaffenen Technologien uns Menschen abschaffen. Im Frühjahr des Jahres 2000 veröffentlichte Bill Joy, der Mitgründer von Sun-Microsystems, im US-Magazin ›Wired‹ seinen berühmten Aufsatz ›Why The Future Doesn’t Need Us‹, der weltweites Aufsehen erregte. Darin beschrieb er die Entwicklung der verschiedenen neuen Technologien, vor allem der intelligenten Maschinen, und stellte am Ende die Frage, wie groß das Risiko sei, dass wir uns selbst durch diese Technologien ausrotten – es ist sehr hoch.
Zu Gerd Koenen: ›Im Widerschein des Krieges‹*
Jeder Mensch, der heute nicht nur bloß dahinlebt, ist betroffen und belastet durch den Krieg in der Ukraine; als verheerendes Unwetter, als Entsetzen, als dunkles Rätsel hängt er über Europa und der Welt. Dieser Krieg hat inzwischen eine Flut von Büchern hervorgebracht, die ihn erklären, Thesen vertreten, Emotionen und Hass schüren, Friedensappelle an die Welt richten und kluge Diskurse darüber führen, wie es dazu kommen konnte. Kein Buch aber – soweit ich das überblicke – gibt Kunde von einem »Nachdenken über Russland« angesichts eines Krieges, dessen mörderischen Schein uns die Medien zeitnah und unmittelbar ins Haus bringen. Als Widerschein im menschlichen Denken, Betrachten und Beurteilen sich spiegelnd, wird dieser Krieg zwar nicht weniger höllisch, ist aber kein lähmendes Fatum mehr.
Der Staat als Gefährder des individuellen Selbstbestimmungsrechtes des Menschen
Jeder Krieg führt zu eklatanten Verletzungen der Menschenrechte. Der vorliegende Artikel zeigt anhand der gegenwärtigen Konfliktsituation, dass der Staat seinem Wesen nach nicht in der Lage ist, die Menschenrechte wirksam zu schützen, sondern dass es darauf ankommt, diese gegenüber dem Staat behaupten zu können. Dazu bedarf es einer Kraft, die nur in einem vom Staat unabhängigen Gebiet aufgefunden werden kann. Gelingt es, dieses Gebiet neu zu erschließen, so können auch die moralischen Kräfte aufgefunden werden, die es ermöglichen, Konflikte der Völker wirksam zu befrieden.
Erklärungsansätze für die Stille der Hochschulen in den Corona-Jahren – Teil I
Kurz nach Ende des Wintersemesters 2021 lief ich über den leeren Campus einer westdeutschen Universität. Eilte im kalten Wind über einen offenen Platz, der wohl einmal als Agora angelegt worden war, ein weiträumiger Treffpunkt im Freien. Anfang der Siebziger Jahre, als die Reformen der Bundesregierung unter Willy Brandt es begabten jungen Menschen aus allen Schichten ermöglichen sollten, ein Studium aufzunehmen. »Mehr Demokratie wagen« – das war der Slogan damals.
Rudolf Steiners Ringen um ein »richtiges Anschauen des Anthroposophischen«
Können wir das Weltgeschehen beeinflussen, oder sind wir zum tatenlosen Zuschauen verdammt? Die Antwort Rudolf Steiners darauf ist ebenso radikal wie den gängigen Vorstellungen zuwiderlaufend: Der Einfluss, den wir nehmen können, ist kein politisch-sozialer oder ökonomischer, wie man heute meistens glaubt, sondern unser Einfluss liegt in unserem Denken. Nicht aber in dem, was wir denken, sondern in dem, wie wir es tun: Die zusammen mit unserer Geburt in die Erde hineingestorbenen Gedanken müssen dieser als ein Lebendiges wieder entrungen werden. – Angesichts des Erdengrabes, in das das Goetheanum in der Silvesternacht 1922/23 hineingesunken war, rang RudolfSteiner darum, dass dieses Alles-Entscheidende verstanden werde. Der vorliegende Artikel gilt der Darstellung dieses Ringens, dessen Notwendigkeit bis heute ungebrochen fortbesteht.
Der Entwurf des zweiten Goetheanums gehört zu den Herausforderungen, die Rudolf Steiners unerwarteter Tod hinterlassen hat. Dabei ist das Verdienst, dass es den Mitarbeitern des damaligen Baubüros gelang, den Bau zu errichten, kaum hoch genug einzuschätzen. Nicht nur sein Schöpfer war verstorben, sondern es handelte sich auch um eine herausragende Pionierleistung, da noch nie ein Betonbau von solcher Größe und erst recht nicht mit solch lebendigen, bis heute unerreichten Formen errichtet worden war. Unbeeindruckt von allen Zerwürfnissen, die auf Steiners Tod folgten, kündet er von dem Geist, der die anthroposophische Bewegung eint. Damit ist der Bau aber noch nicht verstanden. Was beinhaltet seine Formensprache, die sich von der des ersten Baus so gründlich unterscheidet? Gibt es eine Gemeinsamkeit?
Zwei Findlinge in der deutschsprachigen Literatur und der Mysterienhintergrund ihrer Werke – Teil II
Georg Büchner war Revolutionär, Naturwissenschaftler und Dichter. Sein öffentliches Wirken dauerte drei Jahre. Der zwanzigjährige frischverlobte Medizinstudent stellt 1834 mit der revolutionären Flugschrift ›Der hessische Landbote‹ der damaligen Gesellschaft die Diagnose und will gleich zur Notoperation schreiten, wird aber umgehend von den Autoritäten aus dem politischen Operationssaal verjagt. Er lässt allerdings ohne Bedauern »die Gießener Winkelpolitik und revolutionären Kinderstreiche« hinter sich.
Zu ihrem 100. Geburtstag am 28. Mai 2023
Der Christian Mellinger Verlag in Stuttgart gab in den Siebziger Jahren einige Bände zum Keltischen Kulturkreis erneut heraus, die ursprünglich im eher privaten Are-Verlag von Ernst Karl Plachner zwischen 1955 und 1958 erschienen waren. Man staunte, dass von einer so tiefgründig in das Wesen der Keltischen Mythologie eingedrungenen Forscherin keine weiteren Werke erschienen – bis man Anfang des neuen Jahrtausends eher zufällig erfuhr, dass die Autorin Maria Christiane Benning bereits 34-jährig verstorben war, als Lehrerin an der Wuppertaler Waldorfschule. Sobald daraufhin Nachrufe und sehr frühe Bändchen ihrer Lyrik aufgestöbert wurden, musste man immer mehr ins Staunen geraten, denn die kurze Biografie wies Bemerkenswertes auf.
Zu János Darvas: ›Auf allen deinen Wegen, erkenne Ihn!‹*
Was das Judentum genau ist, kann ich nicht definieren. Diese Definition hängt tendenziell von der Person ab, die sie vorzunehmen versucht. Kein einzelner Begriff, keine Beschreibung eines derartigen Versuchs würde ausreichen, um es umfassend zu beschreiben: Religion, Volk, Glaube, Philosophie, Lebenspraxis, Mentalität … Mehr? Weniger? Das Christentum hat manches an sich, was ursprünglich aus dem Judentum stammt, nicht zuletzt seinen Religionsstifter. Doch das Judentum geht weit darüber hinaus: Es gibt im Judentum noch mehr – geradezu unzählige – Strömungen, Nebenströmungen und Zersplitterungen als im Christentum (ich habe allerdings nicht gegoogelt, um diese Behauptung zu erhärten). Denn im Judentum gab es eigentlich nie eine institutionalisierte, gewissermaßen staatliche Oberhoheit wie beispielsweise den Vatikan. So konnte jede Gruppierung ihre Version des Judentums leben. Jeglicher Versuch, über das Judentum abschließend etwas zu sagen, muss daher als unvollständig angesehen werden. Nicht ohne Grund heißt es (jedenfalls unter Juden): »Wo es zwei Juden gibt – gibt es drei Meinungen.«
Zu Anton Kimpfler: ›Grundfragen anthroposophischer Existenz‹
In unserer technisierten Arbeitswelt, inmitten von Bildschirmen, Maschinen und Automaten, findet der Glaube an das Wirken von Schicksalskräften wenig Platz. Kaum noch etwas ereignet sich, ohne dass der Mensch seine Finger im Spiel hätte. Die Welt sei entzaubert. Erdbeben und Vulkanausbrüche ließen sich als kalkulierbare Restrisiken bequem versichern, ist zu erfahren aus dem Buch ›Warum immer ich? Schicksal. Eine Betriebsanleitung‹ (Berlin 2004). Auch das Klima geriete in unübersehbare Abhängigkeit von menschlichem Handeln, weiß sein Verfasser Jochen Wegner, Publizist in leitender Position bei der Wochenschrift ›Die Zeit‹. Ereignisse, die verschiedentlich Einfluss auf unser Leben nehmen, müssen als purer Zufall angesehen werden. Diese Sichtweise der Dinge mag in einer Welt gelten, in der ein Schicksalswirken wenig in Erscheinung tritt.
Zu Lorenzo Ravagli: ›Selbsterkenntnis in der Geschichte – Anthroposophische Gesellschaft und Bewegung im 20. Jahrhundert. Band 3‹
Ende letzten Jahres ist der abschließende Band von Lorenzo Ravaglis dreibändigem Werk ›Selbsterkenntnis in der Geschichte‹ erschienen. Der erste Band (2020) ›Von den Anfängen bis zur zweiten großen Sezession 1875 bis 1952‹ umfasst siebenundsiebzig Jahre, der zweite Band (2021) ›Vom Bücherkonflikt bis zur Konsolidierung des Gründungsmythos 1953 bis 1982‹ neunundzwanzig Jahre, und der jetzt vorliegende dritte Band ›Vom Mythos zur Verfassungskrise 1983 bis 2000‹ nur sechzehn Jahre. Dessen letzte Abschnitte weisen voraus auf Ereignisse des beginnenden dritten Jahrtausends, soweit sie die Anthroposophische Gesellschaft betreffen. Die unterschiedlichen Reichweiten der drei Bände erzeugen eine Anmutung der Beschleunigung in Richtung der Jahrtausendwende, auch wächst im Verlauf der drei Bände die Dichte der vom Autor erwähnten Einzelvorgänge – die auch viele Leser zum Teil selbst miterlebt haben dürften.
Zur Diskussion über die Homöopathie
Zum Thema ›Globuli, Wissenschaft und Patientenwunsch – Über den Stellenwert der Homöopathie im Gesundheitswesen‹ lud der Hospitalhof Stuttgart am 15. März 2023 die Öffentlichkeit in den großen Saal des lichten, einladend renovierten Veranstaltungszentrums ein. Die Begrüßung durch Pfarrerin Monika Renninger und der Einführung in die Thematik durch Dr. Dietmar Merz, Studienleiter an der Akademie Bad Boll, machte deutlich: Dieser Abend war in seiner Struktur und der Auswahl der Referenten gründlich vorbereitet.
Zu Edvard Hoem: ›Die Hebamme‹
Kaum jemals habe ich ein Umschlagbild so passend gefunden wie das zu diesem Roman: steil aufragende Felsen, unüberwindbar für den Menschen ohne Hilfsmittel, ein schmaler Streifen steiniger Boden, Wasser am Grunde der Schlucht, darauf ein Ruderboot, das von einer Frau mit Kopftuch bewegt wird, Stille, Einsamkeit. Ohnmacht des Menschen, Übermacht der Natur oder umgekehrt – in einem Bild zusammengefasst. Ein Bild, das viele weitere Bilder in meinem Inneren aufblättern lässt.
Zum Gedenken an Adam Smith (getauft am 16. Juni 1723 in Kirkcaldy – gestorben am 17. Juli 1790 in Edinburgh)
Adam Smith wurde vor 300 Jahren, am 16. Juni 1723 getauft, sein Geburtstag ist unbekannt. Er war ein schottischer Moralphilosoph, ein Aufklärer, und er gilt als Begründer der klassischen Nationalökonomie. Ich begegnete ihm in Edinburgh an zwei markanten Stellen: an seinem Denkmal neben der St Giles Kathedrale und dem Grabmal im Canongate Kirkyard, der an der Royal Mile nahe dem Holyrood Palace gelegen ist. Angesichts von Smiths Riesenwerk kann hier natürlich nur ein ausgewählter Teil betrachtet werden.
Zur Ausstellung: ›Flowers Forever – Blumen in Kunst und Kultur‹ in der Kunsthalle München
Die ursprüngliche Geburt der Blumen auf der Erde liegt Millionen Jahre zurück – ihr uraltes Wesen verkörpert sich jedes Jahr aufs Neue. In einem wundersamen Zauber. Was uns die Erde durch ihren Blütenteppich sagt: Wer sie selbst ist und wer wir sind. »Schau,« könnte die Erde murmeln, »wenn der frosthart gefrorene Boden unter den Schritten knirscht und ein Schneeglöckchen oder ein Winterling sein hauchzartes grünes Stängelchen hindurchschiebt und ans Licht bringt.« Mit aller Kraft gelingt uns dies nicht. Jedes kleine Kind versteht: Das geht eigentlich nicht, für ein rein materielles Weltverständnis undenkbar. Also ein Wunder: Wie sich die Winzlinge in den Schwingungen der Materie, den räumlich-körperlichen Verhältnissen so einrichten, dass sie ihren eigenen Freiraum schaffen – vor sich her den Geburtskanal bilden, um so erscheinen zu können. Was wir im Denken leisten, die Schwere des Irdischen aufheben, lösen und durchdringen, das tun die kleinen Blüten in ihrer zarten Körperlichkeit wesentlich. Und ein Mensch, der angesichts des Blumenwesens gar nichts zu empfinden meint, dem muss das Herz gebrochen sein, oder die Seele geraubt.