Zur dritten Meditationstagung zum Werk von Georg Kühlewind
Der Geist des Übens war anwesend, als nun zum dritten Mal in Stuttgart von der Akanthos Akademie eine Meditationstagung in Anknüpfung an den Ansatz von Georg Kühlewind veranstaltet wurde. Alle Vortragenden waren ihm mit ihrer eigenen Biografie eng verbunden. Diesmal stand der therapeutische Aspekt im Vordergrund. Hauptredner waren der Arzt und Psychotherapeut Hartwig Volbehr, der amerikanische Psychotherapeut und Autor Michael Lipton und der Hochschullehrer István Székely aus Budapest. Als Leiter von Arbeitsgruppen waren außerdem Rudi Ballreich, Salvatore Lavecchia und Laszlo Böszörmenyi an der Gestaltung der Tagung beteiligt. Etwa 80 Menschen waren der Einladung gefolgt.
Zum Gedenken an Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Schad (27. Juli 1935 in Biberach – 15. Oktober 2022 in Witten)
Die Begeisterung für die Sache und den Anspruch des Forschers auf Genauigkeit hat Wolfgang Schad schon als Schulkind gezeigt. Sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Georg Schad berichtet, dass Wolfgang und er in immer weiteren Kreisen die heimatliche Umgebung ihrer Kindheit in Hildesheim erkundet hätten. »Wolfgang sammelte alles was sein Interesse fand«, und eigentlich habe »alles sein Interesse gefunden.« So wurden Eidechsen, Blindschleichen und Schmetterlinge nach Hause getragen. Dem Vater fiel es zu, die verklebten Hosentaschen zu reinigen. Wolfgang notierte in Listen, welche Vögel sie erkannt hatten und an welchem Ort diese angetroffen worden waren. Wolfgang erklärte Georg, warum das alles von entschiedener Bedeutung sei, leitete ihn zur Hilfe an, und der jüngere Bruder erhielt Zeugnisse für »Fleiß, Treue, Gehorsam etc.«
Zu Lorenzo Ravagli: ›Selbsterkenntnis in der Geschichte – Anthroposophische Gesellschaft und Bewegung im 20. Jahrhundert. Band 3‹
Ende letzten Jahres ist der abschließende Band von Lorenzo Ravaglis dreibändigem Werk ›Selbsterkenntnis in der Geschichte‹ erschienen. Der erste Band (2020) ›Von den Anfängen bis zur zweiten großen Sezession 1875 bis 1952‹ umfasst siebenundsiebzig Jahre, der zweite Band (2021) ›Vom Bücherkonflikt bis zur Konsolidierung des Gründungsmythos 1953 bis 1982‹ neunundzwanzig Jahre, und der jetzt vorliegende dritte Band ›Vom Mythos zur Verfassungskrise 1983 bis 2000‹ nur sechzehn Jahre. Dessen letzte Abschnitte weisen voraus auf Ereignisse des beginnenden dritten Jahrtausends, soweit sie die Anthroposophische Gesellschaft betreffen. Die unterschiedlichen Reichweiten der drei Bände erzeugen eine Anmutung der Beschleunigung in Richtung der Jahrtausendwende, auch wächst im Verlauf der drei Bände die Dichte der vom Autor erwähnten Einzelvorgänge – die auch viele Leser zum Teil selbst miterlebt haben dürften.
Zur Ausstellung: ›Flowers Forever – Blumen in Kunst und Kultur‹ in der Kunsthalle München
Die ursprüngliche Geburt der Blumen auf der Erde liegt Millionen Jahre zurück – ihr uraltes Wesen verkörpert sich jedes Jahr aufs Neue. In einem wundersamen Zauber. Was uns die Erde durch ihren Blütenteppich sagt: Wer sie selbst ist und wer wir sind. »Schau,« könnte die Erde murmeln, »wenn der frosthart gefrorene Boden unter den Schritten knirscht und ein Schneeglöckchen oder ein Winterling sein hauchzartes grünes Stängelchen hindurchschiebt und ans Licht bringt.« Mit aller Kraft gelingt uns dies nicht. Jedes kleine Kind versteht: Das geht eigentlich nicht, für ein rein materielles Weltverständnis undenkbar. Also ein Wunder: Wie sich die Winzlinge in den Schwingungen der Materie, den räumlich-körperlichen Verhältnissen so einrichten, dass sie ihren eigenen Freiraum schaffen – vor sich her den Geburtskanal bilden, um so erscheinen zu können. Was wir im Denken leisten, die Schwere des Irdischen aufheben, lösen und durchdringen, das tun die kleinen Blüten in ihrer zarten Körperlichkeit wesentlich. Und ein Mensch, der angesichts des Blumenwesens gar nichts zu empfinden meint, dem muss das Herz gebrochen sein, oder die Seele geraubt.
Alanus ab Insulis wurde um das Jahr 1120 geboren und hat fast das ganze zwölfte Jahrhundert gelebt. 1203 starb er in Citeaux - und derjenige, der folgende Worte als Grabinschrift verfasste, ahnte viellacht, dass ein solcher Geist wiederkehren würde: »Eng ist das Grab und kurz die Zeit, die Alanus hier festhält, / Ihn, der die Zwei und die Sieben, der alles Wissbare wusste.« Vielleicht wurde mit der »Zwei« das Alte und das Neue Testament gemeint, und mit der »Sieben« die Sieben Freien Künste. Dass das Wissbare ihm den Beinamen »Doctor Universalis« gab, war durch die Nachwelt gegeben. Alanus lebte in der Zeit der Kreuzzüge, in der für die politischkulturelle Entwicklung Europas folgenschweren Stauferzeit. Licht und Schatten wechselten damals auf der Bühne des historischen Geschehens dramatisch ab. In einigen Ländern blühte die Kunst der Troubadours, und der Minnesang bewirkte eine Veredelung der Sitten. Es war das Jahrhundert der Grals-Literatur. Wolfram von Eschenbach dichtete an seinem >Parzival<, dem tiefsinnigsten Epos des deutschen Mittelalters. Der Orden der Zisterzienser wirkte nach dem Prinzip des ora et labora, rodete Wälder, drainierte Felder, betätigte sich als Viehzüchter und Baumeister, als Lehrer und Führer unzähliger Seelen.
Klänge eines totalitären Rechtslebens
In zwei anregenden Beträgen hat Matthias Fechner, auf Deutschland konzentriert, ungeschminkt die - oft als zu heikel betrachtete - Frage nach den Gründen erörtert, warum die meisten Hochschulen als Institutionen in den Corona-Jahren unfähig gewesen sind, eine umfangrache kritische Diskussion der weltgeschichtlich erstmaligen, sei es menschlich, sei es wissenschaftlich, sei es rechtlich, sei es wirtschaftlich tief problematischen Corona-Politik zu fördern. Denn es gab natürlich einzelne, mancherorts sogar nicht ganz wenige Akademiker, die eine solche Diskussion anregen wollten. Ihre Versuche wurden jedoch von den jeweiligen Institutionen im besten Fall ignoriert, allzu oft aber zensiert, boykottiert und diffamiert.
Vom Schiffbruch der Erzählung
Sinnige Verschiedenheiten
Erklärungsansätze für die Stille der Hochschulen in den Corona-Jahren – Teil I
Kurz nach Ende des Wintersemesters 2021 lief ich über den leeren Campus einer westdeutschen Universität. Eilte im kalten Wind über einen offenen Platz, der wohl einmal als Agora angelegt worden war, ein weiträumiger Treffpunkt im Freien. Anfang der Siebziger Jahre, als die Reformen der Bundesregierung unter Willy Brandt es begabten jungen Menschen aus allen Schichten ermöglichen sollten, ein Studium aufzunehmen. »Mehr Demokratie wagen« – das war der Slogan damals.
Eine Betrachtung des Bildes ›Merkur und Argus‹ von Peter Paul Rubens
Argos (lat. Argus), ein Riese der griechischen Mythologie, ist noch heute aufgrund seines scharfen Blickes im Volksmund lebendig. Weniger bekannt ist Io, die Tochter des Flussgottes Inachos, obwohl die hundert Argusaugen auf sie gerichtet waren. Interessant ist dieses Paar, weil es scheint, dass sich Io der erwachenden Gemütsseele zuwandte, während Argos diese durch seinen übersteigerten Sinnesprozess unterdrückte. Diese Polarisierung führte zu einer Blockade, die Hermes zu überwinden vermochte. Peter Paul Rubens zeigt uns in seinem großformatigen Gemälde ›Merkur und Argus‹ diese Schlüsselszene. In der hier vorgelegten Betrachtung wird ein faszinierendes Übereinstimmen von Inhalt und Form in diesem Bild vermutet. Die Vertiefung in das Kunstwerk kann zu einem erweiterten Erleben und Verstehen des Hermes-Mysteriums führen.
Zur Wiederentdeckung des schwedischen Dichters Harry Martinson
Er ist sechs Jahre alt, als sein Vater stirbt, die Mutter nach Amerika auswandert und ihre Kinder der Fürsorge übergibt. Als Verdingkind, später Kleinknecht, verdient er sein Leben auf Bauernhöfen, eingelassen in die schwedische Natur und die ländlichen Verrichtungen. Mit sechzehn heuert er als Matrose an, fährt Jahre als Heizer zur See, legt unterwegs längere Stationen ein, in Indien, Brasilien, anderswo. Mit dreiundzwanzig ist Schluss mit der Seefahrt, eine Lungenkrankheit zwingt ihn dazu. Er, früh schon Weltnomade, reist viel zu Fuß durch die schwedischen Lande, schreibt Gedichte. Zwei Jahre später, er ist jetzt fünfundzwanzig, erscheinen erstmals einige davon in Buchform. Es ist das Jahr, in dem er die etwas ältere Arbeiterdichterin Helga Swartz, genannt Moa, heiratet und mit ihr für zwölf Jahre in einem kleinen, einsam gelegenen Bauernhäuschen leben wird. Er entwickelt sein Schreiben durch die täglichen Aufenthalte in der Natur und den gemeinsamen Austausch. Er nennt sich Buddhist, nicht im Sinn der Religionszugehörigkeit, aber des praktischen Ethos. Auch bekennt er sich immer dazu, Autodidakt zu sein. Und über eine Reihe von Jahren gilt sein Interesse dem Kommunismus; wohl bis zur Reise nach Moskau anlässlich jenes Schriftstellerkongresses im Jahr 1934, auf dem die Partei den »Sozialistischen Realismus« dekretiert.
Zu Rudolf Steiner: ›Intellektuelle Biographien‹ (SKA 3)
Band 3 der Kritischen Ausgabe von Rudolf Steiners Schriften (SKA) mit dem Titel ›Intellektuelle Biographien‹ präsentiert drei frühe Texte des Autors: ›Friedrich Nietzsche. Ein Kämpfer gegen seine Zeit‹ (1895), ›Goethes Weltanschauung‹ (1897) sowie ›Haeckel und seine Gegner‹ (1900). Der Band erschien 2019 zum 270. Geburtstag Goethes. Im selben Jahr beging man den 175. Geburtstag Friedrich Nietzsches und den 100. Todestag Ernst Haeckels.
Reflexionen zur Weltkonferenz am Goetheanum 2023
Es gab da »Keynotes«, »Foren«, »Workshops«, »Panels«, »Groups« – im überdimensionalen A2-Format entfaltete sich das Programm vor meinen Augen. Mit dieser Fülle der Möglichkeiten kam selbst der sehr nahbar wirkende Johannes Kronenberg in seinen Ansagen durcheinander. Es waren Möglichkeiten des Hörens, denn dazu hatte das Goetheanum schließlich in die Welt gerufen und eingeladen: um zu hören. Also hörte ich mit: Am Morgen lauschte ich den üblichen Verdächtigen, im Themenforum den Impulsreferaten, in der Arbeitsgruppe den anderen Teilnehmenden, bei den Panels den Berichten der Willenskräftigen aus aller Welt. Nun ist es kaum verwunderlich, dass bei 1.000 Teilnehmenden eben doch meist die anderen reden. Mich wunderte jedoch die Zahl der jungen Menschen bei dieser Konferenz, die kaum zu Wort kamen oder sich fast nicht zu Wort meldeten. Außerhalb der Kaffeepausen, meine ich. Gerade von den Jüngeren – »nach 1980 geboren«, so eine Orientierungshilfe vor Ort – waren erstaunlich viele in jenen Tagen am Goetheanum erschienen. Das mag an der großzügigen und sinnvollen Förderung durch die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland und der regionalen Arbeitszentren liegen, für die herzlich gedankt sei.
Welche Bedingungen benötigt ein zeitgemäßes Mysterienwesen?
Das Goetheanum ist eine Esoterische Hochschule, die als geistige Realität existiert. Die auf der Weihnachtstagung 1923 neu konstituierte Anthroposophische Gesellschaft hatte das Ziel, dieser geistigen Realität einen irdischen Boden zu verschaffen. Sie sollte zur Seele dieser Gesellschaft werden. Der folgende Artikel versucht, ein Bild dieses in drei Klassen gegliederten esoterischen Hochschulorganismus zu entwerfen. Die große Zukunftsfrage wird sein, wie dieser geistige Organismus in einer irdischen Gesellschaft, wie es die Anthroposophische Gesellschaft sein will, zur Erscheinung gebracht werden kann.
Erklärungsansätze für die Stille der Hochschulen in den Corona-Jahren – Teil II
Auch ein Blick auf die breiteren Schichten der Wissenschaftspyramide hilft zu verstehen, warum Universitäten und Hochschulen keinen eigenständigen und mutigen Umgang mit der Corona-Krise fanden. Nicht unterschätzt werden sollte dabei, dass dort 82% der Arbeitsverhältnisse befristet sind. Der Andrang auf die Stellen der wissenschaftlichen Hilfskräfte, der Projektmitarbeiter, der Lehrkräfte für besondere Aufgaben und Dozenten ist folglich nicht immer groß, zumal ein gutes Drittel lediglich eine Entlohnung in Teilzeit vorsieht. Warum also nehmen junge Menschen ein Studium auf, machen damit den ersten Schritt in die Wissenschaft? Laut ›Statista‹ locken sie vor allem fachliches Interesse (59%) und Karrierechancen (43%) an die Universität. Doch man darf annehmen, dass viele junge Menschen auch mit dem Bewusstsein studieren, im Studium, damit in der Wissenschaft, auf der Seite der Vernunft, des Fortschritts, der aufgeklärten Zukunft zu stehen. Die Immatrikulation, später eventuell das Arbeitsverhältnis an der Universität oder Hochschule kommt damit einer Selbstermächtigung gleich: Jetzt kann man etwas gegen den Klimawandel, gegen gesellschaftliche Ungleichheit oder gegen tödliche Infektionskrankheiten tun, unter Anleitung von Expert*innen, die man vielleicht schon aus den Medien kennt. Bereits Studierende bewegen sich dabei in einer Hierarchie, die mit dem Versprechen glänzt, man könne später einmal selbst als Professor*in die Welt erklärend verändern. Gleichzeitig suggerieren die Medien, dass andere Wege dieses Ziel zu erreichen, verwahrlost seien. «Listen to the Scientists!« – Der Mahnruf der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg führt dagegen auf einen klaren Weg mit umfassendem Programm, zur Rettung der Welt.
Ein Zwischenruf
Die Anthroposophie ist die einzige spirituelle Geistesrichtung, die eine konkrete Praxis in verschiedenen Lebensbereichen hervorgebracht hat. Gerade darin liegt ihre Bedeutung, aber auch ihr Problem. Wieder einmal sind Kritiker unterwegs, die Anthroposophen vorwerfen, eine esoterische und unwissenschaftliche Weltanschauung zu vertreten (wobei »Wissenschaft« natürlich nur im materialistischen Sinne verstanden wird). Im Zuge der Corona-Krise hat die Kritik eine neue Stufe erreicht. Während man bisher zwar die Anthroposophie für Humbug hielt, ihre Praxis aber durchaus schätzte und anerkannte, wird inzwischen gefragt, ob nicht auch die Praxis gefährlich und sogar menschenverachtend sei.Jost Schieren, Professor für Schulpädagogik mit Schwerpunkt Waldorfpädagogik an der Alanus Hochschule in Alfter, hat im April 2022 einen ausführlichen Aufsatz zur Kritik an der Waldorfpädagogik verfasst. Darin geht er auch auf das sogenannte »Esoterikproblem« der Waldorfpädagogik ein, mit dem er sich seit Jahren auseinandersetzt. Um die Kritiker zu befrieden, fordert er einen »Anthroposophieverzicht« und eine »Esoterikabstinenz in der Waldorfpädagogik«. Ein solcher Verzicht sei für die Waldorfpädagogik nicht problematisch, denn Rudolf Steiner habe »in seinen pädagogischen Vorträgen, (den grünen Bänden der Gesamtausgabe) die weiten Themen- und Denkhorizonte der allgemeinen Anthroposophie gar nicht auftreten« lassen. Schieren möchte offensichtlich der Waldorfbewegung Argumente zur Selbstverteidigung liefern: Schaut her, wir sind gar nicht so schmuddelig, wie uns vorgeworfen wird. Im Gegenteil, wir sind sogar clean!
Die ein Jahrhundert lang gepflegten zahlreichen Reflexionen zur Weihnachtstagung, die in so manchen Interessierten eher Widerwillen als Interesse hervorgerufen haben, beginnen meist mit dem angenommenen »Höhepunkt« dieser Tagung: mit der viel gepriesenen »Grundsteinlegung«. Ich selbst gehöre zu diesen Widerwilligen; die veröffentlichten Schriften und Aussagen dazu erinnerten mich allzu sehr an die inhaltsleeren Partei-Reden in der DDR, die ich einen Großteil meiner Jugend über mich hatte ergehen lassen müssen. Wie eine Ansammlung von leeren, nichtssagenden Worten erschienen mir die Berichte und Darstellungen der Weihnachtstagung, die mit Vehemenz vorgetragen wurden. Erst als ich entdeckte, dass der am 25. Dezember 1923 einsetzenden Grundsteinlegung ein Eröffnungsvortrag am 24. Dezember voran gegangen war, und ich in diesem die geistig-seelische Grundlegung der darauffolgenden Ereignisse erkennen durfte, begann sich mein Interesse für die Weihnachtstagung zu regen.
Der Kreis der Weltreligionen
Zu Philip Kovce & Birger P. Priddat (Hrsg.): › Selbstverwandlung‹*
Seit einem Vierteljahrhundert wird von Kennern der technischen Entwicklung immer wieder die Sorge geäußert, dass die von uns erschaffenen Technologien uns Menschen abschaffen. Im Frühjahr des Jahres 2000 veröffentlichte Bill Joy, der Mitgründer von Sun-Microsystems, im US-Magazin ›Wired‹ seinen berühmten Aufsatz ›Why The Future Doesn’t Need Us‹, der weltweites Aufsehen erregte. Darin beschrieb er die Entwicklung der verschiedenen neuen Technologien, vor allem der intelligenten Maschinen, und stellte am Ende die Frage, wie groß das Risiko sei, dass wir uns selbst durch diese Technologien ausrotten – es ist sehr hoch.
Warum der ideologische Antirassismus mit Waldorfpädagogik unvereinbar ist
Wer am Ende des 20. Jahrhunderts meinte, ethnische und kulturelle Konfliktlinien gehörten zumindest der Tendenz nach der Vergangenheit an, wird seit rund 10 Jahren eines Besseren belehrt. Hautfarbe, Kultur, Abstammung erfreuen sich als Un-terscheidungs- und Abgrenzungsmerkmale wachsender Beliebthat. Das ist nicht zynisch gemeint, denn Haltungen, die sich an ihnen orientieren, werden öffentlich weithin positiv bewertet. In der Tat pocht mancher darauf, dass erst ihre gezielte Berücksichtigung durch soziale Steuerung umfassende gesellschaftliche Gerechtigkeit ermöglicht. Dieser Trend hat jetzt auch die Waldorfpädagogik erreicht. In ihrer Ausgabe vom November 2022 skizziert die ›Erziehungskunst‹, Leitmedium des Bundes der Freien Waldorfschulen in Deutschland, ein Programm zur Bekämpfung einer »Bedrohung von rechts« und von Diskriminierung an Waldorfschulen, welches sie in mehreren Beiträgen entfaltet. Im Mittelpunkt steht die Forderung, »Antirassismus« solle Kembestandteil einer zukünftigen »Waldorfkultur« werden.
Eine Erfahrung
Rilkes berühmtes Sonett ›Archaïscher Torso Apollos‹ endet einigermaßen überraschend mit dem Satz: »Du mußt dein Leben ändern« – eine Konsequenz, die aus der Schönheit der Kunst erwächst. Der Leser sieht sich aufgefordert, seine mehr oder weniger passive Haltung zu verlassen und zu Neuem aufzubrechen.
Zur Tagung ›Esoterik und Demokratie – Ein Spannungsverhältnis‹ der Bundeszentrale für politische Bildung am 5. und 6. September 2022
Professionell! Die Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung (›bpb‹) im ›Hotel Esperanto‹ in Fulda Anfang September 2022 bot ein umfangreiches Programm zum Thema ›Esoterik und Demokratie – Ein Spannungsverhältnis‹. Doch drängt sich die Frage auf, warum sich eine nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern gerade mit diesem Thema befasste. Laut Vorankündigung bestand die Problemstellung darin, dass sich im Rechtsextremismus »esoterische Weltbilder mit Reichsbürgerideologie, Antisemitismus und völkischen Überlegenheitsphantasien« vermischen. Und: »Esoterisch grundierte Wissenschaftsfeindlichkeit versucht, politische Entscheidungen zu delegitimieren und bringt mitunter – wenn es z.B. um Medizin geht – Menschenleben in Gefahr.«
Zu Carolin Würfel: ›Drei Frauen träumten vom Sozialismus‹
Das Urteil sei vorweggenommen: Dies ist ein lebendiges Buch über die drei wichtigsten DDR-Schriftstellerinnen: Christa Wolf, Brigitte Reimann, Maxi Wander und über ihre Beziehungen zueinander. Ein Buch, das einen Blick in eine Zeit zurückwirft, in der Menschen davon überzeugt waren, dass ein kreativ gelebtes Leben nur in einer Gesellschaft möglich sein könne, die diese Art von Suche unterstützt. Denn das war die Hoffnung in den Aufbruchsjahren der DDR: dass sich individuelles Leben, künstlerische Kreativit.t und gesellschaftliches Engagement verbinden lassen. Geschrieben wurde das Buch von einer jungen Autorin, in Leipzig geboren, doch zu jung, um die DDR noch miterlebt zu haben. Aber die Romane der drei Schriftstellerinnen hatten sie in ihrer eigenen Suche angesprochen. Es gelingt ihr, dieses Gefühl der Resonanz auch in uns auszulösen.
Zu János Darvas: ›Auf allen deinen Wegen, erkenne Ihn!‹*
Was das Judentum genau ist, kann ich nicht definieren. Diese Definition hängt tendenziell von der Person ab, die sie vorzunehmen versucht. Kein einzelner Begriff, keine Beschreibung eines derartigen Versuchs würde ausreichen, um es umfassend zu beschreiben: Religion, Volk, Glaube, Philosophie, Lebenspraxis, Mentalität … Mehr? Weniger? Das Christentum hat manches an sich, was ursprünglich aus dem Judentum stammt, nicht zuletzt seinen Religionsstifter. Doch das Judentum geht weit darüber hinaus: Es gibt im Judentum noch mehr – geradezu unzählige – Strömungen, Nebenströmungen und Zersplitterungen als im Christentum (ich habe allerdings nicht gegoogelt, um diese Behauptung zu erhärten). Denn im Judentum gab es eigentlich nie eine institutionalisierte, gewissermaßen staatliche Oberhoheit wie beispielsweise den Vatikan. So konnte jede Gruppierung ihre Version des Judentums leben. Jeglicher Versuch, über das Judentum abschließend etwas zu sagen, muss daher als unvollständig angesehen werden. Nicht ohne Grund heißt es (jedenfalls unter Juden): »Wo es zwei Juden gibt – gibt es drei Meinungen.«
Zu Judith von Halle: ›Das Wort‹
Seit Ende vergangenen Jahres gibt es eine bemerkenswerte Novität auf dem anthroposophischen Büchermarkt: ›Das Wort in den sieben Reichen der Menschwerdung – Eine Rosenkreuz-Meditation‹. Es handelt sich um ein fünfbändiges, 2.777 Seiten umfassendes Werk der Autorin Judith von Halle – man kann es durchaus ihr Opus Magnum nennen.
Zu Rudolf Steiner: ›Wege zur Erkenntnis der ewigen Kräfte der Menschenseele‹ (GA 70b)
Ein neuer, sehr umfangreicher Band in der Gesamtausgabe Rudolf Steiners ist erschienen, der 17 öffentliche Vorträge enthält, die während des Ersten Weltkriegs zwischen November 1915 und März 1916 in insgesamt zehn verschiedenen Städten in Deutschland und der Schweiz gehalten wurden. Diese Vorträge waren bislang nur vereinzelt in verschiedenen Zeitschriften und Büchern zu finden.
Zu Corinna Gleide: ›Der kosmische Kultus und die religiöse Vertiefung der Anthroposophie‹, in die Drei 6/2022 und zu Zu Christoph Hueck: ›Die Waldorfpädagogik und die Esoterik der Anthroposophie‹, in die Drei 1/2023
Wohlwollen – ein Zauberwort