Eine Aufführung der Compagnie Phoenix Berlin
Zu Martin Heidegger: ›Vier Hefte I und II (Schwarze Hefte 1947–1950)‹*
Vor sechs Jahren erschien der erste Band der sogenannten ›Schwarzen Hefte‹ (SH) von Martin Heidegger (1889–1976) als 94. Band der Gesamtausgabe seiner Werke. Bei diesen Heften, deren Titel in dieser Form vermutlich nicht auf Heidegger selbst zurückgeht, handelt es sich um ein jenseits der Öffentlichkeit und über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren entstandenes Manuskript, eine Art philosophisches Skizzen- oder Denktagebuch. Heidegger hatte hierzu neben seinem öffentlichen Wirken kurze Texte und Überlegungen in schwarze Wachstuchhefte von ungewöhnlichem Format eingetragen. Zu Lebzeiten gewährte der Philosoph niemandem Einsicht, hatte aber für eine spätere Veröffentlichung der Hefte und deren Chronologie im Kontext der Gesamtausgabe seiner Werke Sorge getragen. Mitte der Siebzigerjahre wurden die philosophischen Tagebücher ins Literaturarchiv in Marbach gebracht. Ihre Publikation war erst zum Abschluss der auf 102 Bände angelegten Gesamtausgabe geplant. Zuvor sollten die Vorlesungen zugänglich gemacht werden, um die »seinsgeschichtlichen« Themen vorzubereiten, die in den SH zur Sprache kommen. Der Nachlassverwalter Hermann Heidegger entschied sich aufgrund einer Verzögerung der Herausgabe der Gesamtausgabe gegen die Vorgaben seines Vaters. Seit 2014 sind bereits sieben (GA 94-100) der neun Bände, die für die »Hefte« vorgesehen sind, mit insgesamt fast 2.700 Seiten erschienen.
Zu Juli Zeh: ›Über Menschen‹
Die Juristin und Schriftstellerin Juli Zeh ist eine wichtige Stimme in unserer Zeit. In ›Spieltrieb‹ (2004) gelang es ihr, in eindringlicher Weise die Haltlosigkeit menschlicher Existenzen, wie sie sich seit Jahrzehnten immer offener zeigt, in Gestalten und Vorgänge zu bringen; und angesichts der Corona-Krise und des gesellschaftlichen Umgangs damit mutet ihr 2009 erschienener Roman ›Corpus Delicti. Ein Prozess‹ geradezu prophetisch an.
Zu ›In aller Munde. Von Pieter Breugel bis Cindy Sherman‹ – im Kunstmuseum Wolfsburg
Noch nie wurden Mund und Zähne in den Mittelpunkt einer Schau gestellt, so wie es jetzt die in Zeiten des zweiten Corona-Lockdowns fallende Ausstellung ›In aller Munde‹ tut. Allein der Titel ist doppelsinnig, denn nicht nur das aktuelle »infektiöse Desaster« konzentriert sich auf den Mund- und Rachenraum, vielmehr handelt es sich dabei um eine »reizvolle Körperzone«, die für emotionale, sprachliche und soziale Bekundungen steht und je nach Äußerungsart empathische bis ekelerregende Wirkungen zeigt. Vor zweieinhalb Jahren, berichtet die Kuratorin Uta Ruhkamp, unterbreiteten der Philosoph Prof. Dr. Hartmut Böhme und die Zahnmedizinerin Beate Slominski dem Kunstmuseum den Vorschlag, künstlerischen Positionen zu Mund und Zähnen eine Ausstellung zu widmen. Entstanden ist eine ungeheuer vielfältige, die ganze Kunst- und Kulturgeschichte von den Anfängen bis in die Gegenwart hinein durchstreifende Präsentation.
Ich schaue in den Himmel. Wolkenlos. Ein Flugzeug glitzert in der Sonne, schwebend zieht der Rotmilan seine Kreise. – Ich war eine Weile krank, aus dem Körper ausgeflogen, und bin noch nicht ganz wieder zurück, angekommen im leiblichen Selbstverständnis. Ist man gesund, dann stehen die Sinne offen, wie Türen, durch die man ein- und ausgeht. Jetzt muss ich sie selber öffnen. Die Plastizität des Sehens verlangt Krafteinsatz, der aus Erfahrung stammt. Im ersten Augenblick sah ich Milan und Flugzeug auf derselben Ebene, nebeneinander. In Wirklichkeit trennten den Vogel und das Fluggerät natürlich Tausende Höhenmeter – was ich dann einsah.
Ich und Europa VIII
Welch glückliche Fügung, dass ich hier geboren bin. In München. In Europa. Welch zauberhaftes Schicksal, bisher keinen Krieg erlebt zu haben. In meinem Leben. Am eigenen Leib. Welch rührende Verwöhnung des Wohlstands.
In meiner Geschichte. In meinem Portemonaie. Ich kann nicht klagen. Ich kann nur dankbar sein. Für all dies. Eigentlich. Eigentlich gibt es auch kein großes Aber. Mit Nietzsche würde ich gerne nur noch ein Ja-Sagender sein. Jedoch: Ich bin noch ein Aber-Sagender, und, was vielleicht noch schlimmer ist, ein Aber-Denkender. Ein Aberdenkender im Abendland. Wo führt das hin? Ins Aber-Land? Klingt nicht so gut und schön und wahr. Ich bin zwar viel unterwegs, aber kein großer Reisender, kein Abenteurer, kein Eroberer. In die große weite Welt schau ich meist nur durch den Fern-Seher oder im WeWeWe. Einmal war ich in Südamerika, in Buenos Aires und Montevideo. Und
viermal in Nordamerika, in Alaska, New York und jüngst in Kalifornien. C’est tout. Ziemlich europäisch unterwegs, würde ich sagen. Das Gefühl, »am Ende der Welt« zu sein in Alaska, war freilich faszinierend. Und so ereignen sich
also die unterschiedlichsten Blicke über den Tellerrand, heraus aus dem eigenen Aufwuchs-Tal, so werden die vielfältigsten Horizonte entdeckt und erkundet und so formt sich ein Bild von der Welt und mir als Mensch darin. Ich
verorte mich örtlich, sozial und geistig.
Freies Geistesleben in der DDR – Teil III
Es mag ihn geben, den einsamen Denker, dem sich zuhause, alleine am Schreibtisch, das Wesen der Dinge erschließt. Aber häufig geschieht auch das, was Heinrich von Kleist in seinem Essay ›Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden‹ geschrieben hat: »Es liegt ein sonderbarer Quell der Begeisterung für denjenigen, der spricht, in einem menschlichen Antlitz, das ihm gegenübersteht; und ein Blick, der uns einen halbausgedrückten Gedanken schon als begriffen ankündigt, schenkt uns oft den Ausdruck für die ganze andere Hälfte desselben.« Oder, etwas weniger feierlich formuliert, Maxie Wander: »Das ist ja der Trick. Mit dir allein fällt dir meist gar nichts ein, und du versinkst in Trübsal. Guckt dir aber jemand offen ins Gesicht und zeigt auch noch Interesse, da klopft dein Puls auf einmal stärker und du entdeckst in dir Abgründe von nicht gelebtem Leben.«
Zur Ausstellung ›Paula Becker & Otto Modersohn. Kunst und Leben‹ im Paula Modersohn-Becker Museum zu Bremen
Schützenfest in Worpswede, mit einem Karussell im Mittelpunkt. Aus der Ferne schon sind die Musik und das Gelächter der Menschen zu hören, in der Abenddämmerung ist das Karussell von weitem als warmer Lichtpunkt vor dunklen Bäumen sichtbar. Wer näher herangeht oder sich gar in den Trubel stürzt, erlebt das Fest ganz anders, das Karussell mit den vergnügten Menschen auf den sich drehenden Pferden rückt in den Vordergrund. Distanz oder Nähe: Paula und Otto Modersohn haben 1904 in ihren Gemälden unterschiedliche Sichtweisen eingenommen, um die Stimmung des Schützenfestes zum Ausdruck zu bringen. ›Schützenfest mit Karussell in Worpswede‹ (Abb. 1) von Otto Modersohn ist im Grunde ein Landschaftsbild mit Karussell; in Paula Modersohn-Beckers ›Schützenfest mit Karussell II‹ (Abb. 2) füllt das Karussell fast zwei Drittel des Bildes aus, die Landschaftselemente treten in den Hintergrund. »In der Grundanschauung verwandt – kunstdurchglühtes Leben –, in den Äußerungen verschieden. Sonst [wäre es] langweilig« – so hat Otto Modersohn in einer Tagebuchnotiz ihre künstlerischen Positionen gekennzeichnet (8. Dezember 1900). Immer wieder haben die beiden seit Mai 1901 verheirateten Partner sich dasselbe Motiv vorgenommen. Beispielsweise sind sie beide zum nahegelegenen Armenhaus gegangen und haben die alte Anna Schröder porträtiert, die wegen ihres Gehstocks »Dreebeen« genannt wurde. So können in dieser Ausstellung mehrfach Bilder der beiden Künstler, die demselben Motiv gewidmet sind, miteinander verglichen werden
Die ›Stiftung Rosenkreuz‹ ist ein Kind des ›Lectorium Rosicrucianum‹. Einige Mitglieder dieser Gemeinschaft fühlten nach der Jahrtausendwende, dass etwas Neues ansteht. Sind vielleicht einzelne spirituelle, wissenschaftliche und künstlerische Bemühungen an dem Punkt angelangt, dass sie über sich hinauswachsen können? Kann eine übergeordnete, gemeinschaftliche Frucht hervorgebracht werden? Ein unerforschter Raum schien sich bemerkbar zu machen. Von einer einzelnen Richtung würde er nicht ausgefüllt werden können. In Gedanken wie diesen lag Sprengkraft, und so gab es jahrelang Diskussionen innerhalb einer Gruppe des ›Lectorium Rosicrucianum‹, bis jemand sagte: »Errichtet doch eine Stiftung, die eigenständig ist und die die ›Nase in den Wind‹ hält.« Eine Satzung wurde formuliert (der Zusammenfluss des Christlichen und Hermetischen darin zum Ausdruck gebracht), überraschend fand sich ein Stifter … und 2007 war die ›Stiftung Rosenkreuz‹ geboren. Manche, die diesen Prozess aus gewissem Abstand beobachteten, sahen darin ein kurzlebiges Abenteuer, andere spürten, dass es eine Art Reifeprüfung sein könnte.
So eigentümlich es klingen mag: Schauspieler sind eigentlich Maler. Sie fertigen Portraits von Menschen an – Portraits von handelnden Menschen, wie Aristoteles sagen würde. Doch sind sie keine Maler, die ihre Bilder mit einem Pinsel auf eine Leinwand auftragen, vielmehr sind ihr Körper, ihre Stimme, die Zeit und der Raum ihr Pinsel und die Fantasie der Zuschauer ihre Leinwand. Und der Maler? Das ist der Schauspieler selbst. Er beobachtet feinfühlig, ob das, was er in die Luft zaubert, vom Publikum auch »gesehen« und erlebt werden kann, und ob es mit dem Ensemble zusammenklingt.
Er ist eine der schillerndsten Figuren im aktuellen Kunstbetrieb. Der »Erzkünstler«, wie er sich nennt, Jonathan Meese polarisiert das Publikum. Vor einiger Zeit gab es einen Bruch in seiner künstlerischen Laufbahn. Da reckte er in einer Podiumsveranstaltung des ›Spiegel‹ die Hand zum Hitlergruß. Für diese Geste, die als Kritik im Rahmen einer künstlerischen Aktion gemeint war, wurde er angeklagt und später freigesprochen. Künstlerische Freiheit, ausdrücklich bestätigt als Ergebnis eines Strafprozesses – das ist einerseits ganz im Sinne von Meeses Erzkunstverständnis, andererseits hat ihn dieses Missverständnis seiner Kunst schwer beleidigt. Ihm, auch im wörtlichen Sinne, Schaden zugefügt: Kündigung seiner Galerie, Rauswurf aus Bayreuth, wo er den ›Parsifal‹ gestalten sollte und wohl auch gerne wollte, denn er verehrt Richard Wagner über alles.
Eine Johanni-Imagination
Das Johannifest ist ein Mysterienfest - auch wenn diese Qualität dem heutigen Alltags-Bewusstsein so gut wie unbekannt ist. Wie kann ein solches Fest begangen werden - und mit wem? Man feiert es normalerweise nicht allein, sondern mit Menschen, die auch auf dieses Fest der Jahreshöhe eingestellt sind. Es ergab sich in diesem Jahr aber für mich, dass ich es allein, ganz individuell, begehen musste.
Rudolf Steiner beginnt seinen als »Johanni-Imagination« bekannten Vortrag vom 12. Oktober 1923 mit der Bemerkung, wir – also seine Zuhörer, seine Mitmenschen – hätten »die Betrachtungen, die wir anstellen, viel geistiger anzustellen als für die vorhergehenden Jahreszeiten.« Als eine stille, strenge innere Forderung war mir das bei allem, was ich erlebte, gegenwärtig, auch wenn mir bewusst war, wie unvollkommen nur ich diesem Anspruch würde genügen können. Trotzdem möchte ich hier schildern, wie ich dieses Jahr den Nachmittag und Abend des Johanni-Tages verbrachte und erlebte – nicht meinetwegen, sondern als Beispiel dafür, wie sich ein solches nFest heutzutage in eine ganz individuelle Gestalt prägen kann – und wohl auch will ...
Zur Ausstellung ›Wanderlust: Von Caspar David Friedrich bis Auguste Renoir‹ in der Alten Nationalgalerie Berlin
Wer (heute) gekennzeichnete Wege geht, trifft auf andere Menschen, die schneller oder langsamer sind. Wer alleine wandert und sich unbekannte Pfade erschließt, begegnet neuen Räumen und: sich selbst. Die Begegnung mit sich selbst mag auch der Grund dafür sein, dass sich im 19. Jahrhundert – in einer Zeit zunehmender Ich-Stärkung und wachsender Bedeutung des persönlichen Gefühls im Kontrast zur Industrialisierung – fast schon explosionsartig in Europa die Bewegung des Wanderns entwickelte. Die damalige Sehnsucht nach Entschleunigung schlägt die Brücke zur heutigen Zeit, in der das Interesse am Wandern als Mittel der Besinnung wieder zugenommen hat. »Wandern ist ein perfektes Kontrastprogramm, die Rückkehr zum menschlichen Maß, dem Maß des Schrittes, und zum natürlichen Zeitgeber, dem Licht der Sonne«, formulierte treffend der Journalist und Nachhaltigkeitsexperte Ulrich Grober in einem Interview des ›Wander Magazins‹.
Eine Signatur im Leben von Käthe Kollwitz
Käthe Kollwitz (1867–1945) hatte eine unbeschwerte Kindheit und war als Jugendliche lebenslustig und gesellig. Sie tanzte gern und verliebte sich oft. Von klein auf malte sie und wurde darin gefördert. Aber genauso ausgiebig beobachtete sie in ihrer Geburtsstadt Königsberg arbeitende Handwerker oder die Sackträger am Hafen und fand sie lebensvoll und schön. Nach ihrer Ausbildung zur Malerin heiratete sie 1891 den Arzt Karl Kollwitz und beide zogen nach Berlin, bewusst in das Arme-Leute-Viertel Prenzlauer Berg. Sie waren ihr Leben lang überzeugte Sozialdemokraten; und so behandelte Karl Kollwitz in seiner Praxis mittellose Kranke umsonst, seine Frau besuchte sie, brachte ihnen Kleider und Essen; dabei lernte sie Siechtum, Elend und Tod kennen.
Zum Film ›Becoming Animal‹ von Emma Davie und Peter Mettler
Zu ›CaRabA – #LebenohneSchule‹ von Joshua Conens
So also soll es aussehen und sich anfühlen, wenn die leidige deutsche Schulpflicht aus dem 19. Jahrhundert, die in unserer zopfigen Form nur in wenigen Ländern existiert, endlich ausgehebelt ist – nicht etwa durch Revolution oder Subversion, sondern durch das Bundesverfassungsgericht. Bei dem legt eine Schülerin eine Beschwerde ein und bekommt im Jahr 2020 recht. Sämtliche Schulen werden daraufhin mit Stumpf und Stiel abgerissen. Was übrig bleibt, ist eine wohltuend grüne Wiesenwüste. Auf der beginnt ›CaRabA – #LebenohneSchule‹ – nach den Worten seines Initiators Bertrand Stern ein Film, der die Frage nach der Schule überwunden haben will und Möglichkeiten für Menschen aufzeigt, sich frei zu bilden.
Ich und Europa X
Wachsamkeit west als Gegenwart des Ich. In dieser Gegenwart knospet das Ich in jedem Augenblick als Freiheit von sich selbst und von anderem, jenseits von innen und außen: generative Leere eines bewussten Wollens, das in der empfindsamen Begegnung mit jedem Augenblick, Ereignis oder Wesen zu einer konkreten Form der Freiheit blühen kann; empfindsame, wache und freie Begegnung, die – durch ein denkendes Tätigsein entstehend – den uneingeschränkt dialogischen Charakter der authentischen Natur des Denkens offenbart. Die Bildung und Pflege dieses wachsamen, warmen Wollens, dieses dialogischen, lichtvollen Denkens, d.h. eine Kultur der denkenden Wachsamkeit im Ich, will ich als eigenen Klang von Europas Schicksal wahrnehmen.
Zur Ausstellung ›Modigliani. Moderne Blicke‹ im Museum Barberini Potsdam
Neu im Museum Barberini in Potsdam zu sehen ist bis 18. August 2024 die Ausstellung ›Modigliani. Moderne Blicke‹. Sie entstand in Kooperation zwischen dem Museum Barberini und der Staatsgalerie Stuttgart. Nach 15 Jahren Abstinenz ist dies die erste monografische Übersicht Amedeo Modiglianis (1884–1920) in Deutschland. Sie zeigt 56 seiner zwischen 1907 und 1919 in Paris entstandenen Portraits und Akte, darunter viele Schlüsselwerke.
Odilon Redon in der Fondation Beyeler
Eva Hesse und Gego in der Hamburger Kunsthalle
Ein junger Mann schält eine Birne. Er ist von halb rechts zu sehen, trägt eine dunkle Weste über einem hellen Hemd und einen locker gebundenen dunklen Schlips, der tätige rechte Arm im hellen Hemdsärmel ragt in den Vordergrund. Gut beleuchtet ist das Gesicht, halb nach links gewendet; der Blick ist ein wenig nach innen gerichtet, scheint aber auch den Betrachter wahrzunehmen, ganz sicher ist das nicht auszumachen. Der leicht nach oben gerichtete Kopf mit kantigen Gesichtszügen und einem leichten Oberlippenbärtchen drückt ein gewisses Selbstbewusstsein aus. Édouard Manet hat den ›Birnenschäler‹ 1868 gemalt. Dargestellt ist Léon, der Sohn seiner Frau Suzanne.
Zur Ausstellung ›ZERO und Nouveau Réalisme – Die Befragung der Wirklichkeit‹ in der Stiftung Ahlers Pro Arte / Kestner Pro Arte in Hannover
Zur Ausstellung ›Moderne Jugend? Jungsein in den Franckeschen Stiftungen 1890–1933‹ in den Franckeschen Stiftungen in Halle a.d. Saale
Zu Christa Lichtenstern: ›»Ich bin ein Plastiker«‹
»Ich bin ein Plastiker«, rief der 77-jährige Goethe in einem Gespr.ch mit seinem Freund Sulpiz Boisserée im Zorn über einen Kritiker aus, demonstrativ auf seinen geliebten Abguss einer monumentalen antiken Juno-Büste zeigend (S. 18). Diese für einen Dichter erstaunliche Selbstaussage nimmt Christa Lichtenstern zum Anlass, »Goethes ungeschriebene Skulpturästhetik« nicht nur zu rekonstruieren, sondern ihr zukunftsgerichtetes Potenzial herauszuarbeiten. Entsprechend ist auf dem Cover ihres Buches eine moderne Stahlskuptur zu sehen, die Goethes polare Grundpinzipien geometrisierend aufgreift: Zusammenziehung und Ausdehnung, Ruhe in der Bewegung. Das 1982 entstandene Werk des spanischen Bildhauers Andreu Alfaro (1929–2012) trägt den Titel ›El Olimpo de Weimar‹ und steht in Frankfurt am Main, in Goethes Geburtsstadt.
Zu Max Brod: ›Heidentum – Christentum – Judentum‹
Wenn wir versuchen wollen, Max Brod (1884– 1968) und sein vor 100 Jahren erschienenes Buch ›Heidentum – Christentum – Judentum‹ zu verstehen und zu bewerten, müssen wir uns in die damalige Zeit hineinversetzen. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel 1918 die österreichisch-ungarische Monarchie auseinander und Prag, Brods Heimat, wurde Hauptstadt der Tschechoslowakei. Brod bemühte sich um die Rechte der jüdischen Minderheit, indem er im neugegründeten Jüdischen Nationalrat mitarbeitete, einige Zeit lang als Vizepräsident. Es fragt sich, ob die Reihenfolge der Weltanschauungen im Titel bereits eine Wertung enthält, denn man ist geneigt, ›Heidentum – Christentum – Judentum‹ als eine Steigerung anzusehen. Das war bei Brod nicht der Fall, wie dieses kämpferische Werk deutlich macht.
Zu Andree Mitzner: ›Karlfried Graf Dürckheim‹
Mystik heute? – Ja, im Westen wie im Osten! Am Ausgangspunkt dieses Buches über Karlfried Graf Dürckheim (1896-1988) steht die Frage: War er ein Mystiker? Die schon 1993 vorgelegte religionswissenschaftliche Dissertation des Psychotherapeuten Andree Mitzner wurde zu Dürckheims 30. Todestag wieder aufgelegt. Obwohl Dürckheim mehr als 20 Bücher über Mystik schrieb, ist er in der Religionswissenschaft kaum bekannt, eher im populärwissenschaftlichen Umfeld. Oft wird er in einem Atemzug mit den C.G. Jung-Schülern Viktor E. Frankl und Erich Neumann genannt. Mitzners Buch betrachtet Dürckheims Leben, Lehre und Impulse in ihrer gegenseitigen Bedingtheit.
Zur Ausstellung ›Van Dyck‹ in der Alten Pinakothek in München
Ein Symposion zum 100-jährigen Bestehen der Eurythmieformen zum ›Traumlied des Olaf Åsteson‹
Es war 1910 anlässlich des in Oslo gehaltenen Vortragszyklus’ über die ›Mission einzelner Volksseelen‹, dass Rudolf Steiner durch die norwegische Schriftstellerin und Anthroposophin Ingeborg Möller-Lindholm vom ›Traumlied des Olaf Åsteson‹ erfuhr. Er ließ es sich von ihr aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen und übertrug diese Prosafassung dann anschließend in eine rhythmische Form. In mehreren Vorträgen zwischen 1911 und 1914 erläuterte Steiner den Mysteriengehalt und die Inhalte des ›Traumliedes‹ für die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft und schuf 1920 Eurythmieformen für das ›Traumlied‹, die in den Jahren 1921 bis 1922 insgesamt sechzehnmal von verschiedenen Ensembles zur Aufführung gebracht wurden.
Erfahrungen mit einer Ballade von Johannes R. Becher
Im Folgenden möchte ich die Umstände beschreiben, die dazu führten, dass Johannes R. Bechers Ballade ›Kinderschuhe aus Lublin‹ sich in ganz besonderer Weise meiner Erinnerung eingeschrieben hat.