Warum der gesetzliche Zwang zu Photovoltaik-Anlagen problematisch ist
Das politische Ja zum Klimaschutz vermindert demnächst den Schutz privaten Wohneigentums: Photovoltaik (PV) soll nach dem Willen einiger Länderregierungen – in Baden-Württemberg bereits ab 2023 – bei neuen oder zu erneuernden Dächern gesetzlich zur Pflicht erhoben werden. Doch ob diese Maßnahme eine sinnvolle Lösung darstellt, ist insofern zu bezweifeln, als nicht nur Rentabilität, Brandgefahr und Entsorgung ausgedienter Anlagen kritische Fragen aufwerfen, sondern insbesondere auch mögliche Gesundheitsschäden durch Elektrosmog, der mit PV-Anlagen mehr oder weniger verbunden ist. Werden jetzt die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und auf Unverletzlichkeit der Wohnung dem global angesagten Klimaschutz einfach untergeordnet? Ist diese fragwürdige Vorschrift aus juristischer und ethischer Perspektive haltbar?
Ein Jahr Gelbwesten-Proteste
Man stelle sich vor, dass in einem autoritär regierten Land, sagen wir Russland, seit über einem Jahr tausende von Menschen jeden Samstag auf die Straße gehen, um gegen ihre Regierung zu protestieren. Man stelle sich weiter vor, dass die Regierung immer wieder gewaltsam gegen diese Demonstranten vorgeht, mit Tränengas und Gummiknüppeln, aber auch mit Gummigeschossen, die so schwere Verletzungen hervorrufen, dass 24 Menschen ein Auge verloren haben, fünf Menschen eine Hand abgerissen wurde und ein Mann einen Hoden verlor; dass eine 80-jährige Frau starb, weil sie von einer Tränengasgranate ins Gesicht getroffen wurde; und dass Organisationen wie ›Amnesty International‹ und ›Reporter ohne Grenzen‹2 das harte Vorgehen der Polizei kritisieren. Wäre das nicht in unseren Medien ein Thema, das wiederholt behandelt und von moralischen Verurteilungen begleitet würde? Wenn es um Russland ginge, ganz bestimmt. – Aber es geht ja um Frankreich.
Heute hat Ahmed Dienst, mein Lieblingskellner im türkischen Café. Es wird betrieben von einem großen Clan. Alle sind miteinander verwandt, unzählige Brüder, Onkel, Cousins – nur Männer bedienen hier. Ich kenne die meisten seit Jahrzehnten, hart arbeitende Menschen in ihrem Alltag, alles andere als kriminell. Aber das ist nur die eine Ansicht eines Vexierbildes. Wenn man es kippt, erscheint eine andere Figur: die Clanstruktur. Dieses Cafe ist, neben anderen Gastronomiebetrieben der Kleinstadt, Teil einer Geldwäschemaschinerie. Zu Beginn wurden die wirklichen Verhältnisse gelegentlich sichtbar. Es kamen drei graue Männer – das ist nicht metaphorisch gemeint, sie sahen tatsächlich so aus, irgendwie identisch, hochgewachsene Gestalten in grauen Anzügen. Wenn sie auftauchten, gingen die Jungs in die Knie und küssten ihnen die Hände mit den dicken Ringen. Szenen wie aus einem Mafia-Spielfilm. Inzwischen lassen sich die Geschäfte aus der Ferne steuern, der Hintergrund bleibt unsichtbar. Ich höre nur gelegentlich, dass wieder ein Onkel aus Istanbul einen Betrieb zugekauft hat. Dann wandert ein Teil der Kellner dorthin und eine neue Besetzung erscheint in meinem Café. Ich arbeite hier, ebenso wie die Jungs. Alle kennen die sonderbare Frau, die im Wintergarten für Raucher sitzt und schreibt.
Eine Betrachtung in Zeiten des pandemiebedingten Exekutivregimes
Im Jahre 2019, einem Jubiläumsjahr unseres Grundgesetzes, wurde in weiten Teilen des politisch-medialen Komplexes das Grundrechtsbewusstsein der Deutschen beschworen. So proklamierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede vom 22. Mai 2019: »Unser Grundgesetz – das ›Lieblingsbuch der Deutschen‹ […] muss sich gerade dann behaupten, wenn es hart auf hart kommt. Hätten wir in einer solchen Phase genügend Verfassungspatrioten? Ich meine Ja.« Dass es seit einem Jahr tatsächlich »hart auf hart« gekommen ist und noch weiterhin kommt, ist offensichtlich. Von den »Verfassungspatrioten« allerdings war bislang – außer auf sogenannten »Hygiene-Demos«, soweit sie von den örtlichen Behörden zugelassen wurden – öffentlich wahrnehmbar eher wenig zu sehen und zu hören. In einem Gastbeitrag in der ›Süddeutschen Zeitung‹ vom 22. Mai 2020, genau ein Jahr nach der bewussten Rede, schrieb Steinmeier, vielleicht als Ermutigung: »Kritik ist nicht reserviert für coronafreie Zeiten.« Dem kann beigepflichtet werden, genauso wie seiner Forderung, dass »wir eine lebendige, strittige Debatte, eine starke Opposition im Parlament und eine kritische Öffentlichkeit« brauchen.
Zu Valentin Tomberg: ›Vom Völkerrecht zur Weltfriedensordnung‹
Wer durch die grauenvollen Berichte aus dem bald zwei Jahre andauernden Russland-Ukraine-Krieg nicht gänzlich abgestumpft ist, dem muss es ungemein schwer fallen, die Möglichkeit und Legitimität eines »gerechten« Krieges grundsätzlich für denk- und rechtfertigbar zu halten. Erschwert wird eine rechtsethische Legitimation »gerechter« Kriege dadurch, dass unter den Bedingungen einer modernen Kriegsführung mehr denn je zwangsläufig das unerwünschte Phänomen des »Fog of war« auftritt, sich also als empirische Tatsache zeigt, dass
1. allen Parteien der Kriegsverlauf entgleitet und prinzipiell keine Kontrolle über die Entwicklung eines Krieges gegeben ist,
2. immer unvermeidbare, erhebliche sogenannte Kollateralschäden gegenüber Unschuldigen und Zivilisten entstehen und
3. mit dem Einsatz moderner Waffen das prinzipielle Dilemma einhergeht, dass diese - insbesondere Flächenbomben und Minen - grundsätzlich keine Unterscheidung von Feind und Freund, von Soldat und Zivilist ermöglichen.
Beobachtungsresultate und Gedanken eines 21-jährigen Studenten der Philosophie
Wer heutzutage an die Universität geht, wird bekanntlich die Kulmination der materialistischen Weltanschauung erleben. Dies trifft auf alle Fachbereiche, selbst – und vielleicht sogar besonders – auf die Philosophie, Geschichte, Psychologie und Theologie zu; also auf solche Wissenschaften, die sich eigentlich mit der menschlichen Seele und dem menschlichen Geiste auseinandersetzen sollten: Die sogenannten Geisteswissenschaften. Nun liegt jedoch im Wesentlichen der Materialismus in den Geisteswissenschaften nicht im Bereich der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Themen, wie dies in der Physik, Biologie, Informatik oder Medizin der Fall ist, d.h. in der Erforschung rein materieller und vermeintlich materieller Phänomene bzw. bloß der materiellen Seite der Wirklichkeit. Nein, er findet sich vielmehr im Bereich des Wie, d.h. in der gesamten Art und Weise, mit der in den Geisteswissenschaften an Themen herangegangen wird und diese vermittelt werden. Deshalb thront selbstverständlich auch inhaltlich die materialistische Weltanschauung im Hintergrund und kommt immer wieder im Gewand einer völlig selbstverständlichen und unumstößlichen Wahrheit zum Vorschein.
Ein Land auf der Kulturscheide Europas
Auf der Leipziger Buchmesse im März spielte Rumänien die Rolle des Gastlandes. Ein Wort, das die gegenwärtige rumänische Literatur wie die sozialen Netzwerke dieses Landes durchzieht, ist »rezist« – zu deutsch: widerstehen. Damit ist vor allem der Widerstand gegen die korrupte politische Klasse Rumäniens gemeint, der immer wieder in großen Demonstrationen zum Ausdruck kommt. Die folgende Darstellung möchte einen Beitrag zum Verständnis dieses Landes leisten, dessen Probleme aus seiner besonderen Lage heraus erklärt werden können.
Eine Reise durch den Osten Europas im Januar 2017 – Teil I
Am Grenzübergang Die russische Seite der Grenze zur Ost-Ukraine. Wir Passagiere unseres Busses sollen alle raus, alles mitnehmen, uns in einem Raum in Reih und Glied aufstellen, Gepäck auf den Boden vor uns. Ein Soldat mit Hund kommt herein und läuft die Reihe entlang. Der Hund schnüffelt und findet nichts. Wir dürfen weiter. Gepäck durchleuchten, Leibesvisite, Passkontrolle. Die Frau hinterm Glas schaut nicht einmal zu mir hoch, und doch fühle ich mich geprüft. Strenge Miene und das Gewicht der Macht auf ihren mit Abzeichen geschmückten Schultern. Der Busfahrer wollte mich in Rostow nicht mitnehmen, obwohl ich ein Ticket hatte: »Das gibt Probleme an der Grenze.« Da müsse er dann Stunden warten, bis er weiterkönne. Schließlich, mit schmollender Gebärde, ließ er mich doch hinein. Jetzt steht er auf der anderen Seite der Grenze und schaut nervös zu den Wartenden in der Schlange herüber. Die Frau prüft, wendet, scannt und scheint nicht weiterzukommen. Tippt in einen Computer, schaut, prüft, wendet. Dann geht sie zum Schalter nebenan, berät sich. Nun muss man auch dort lange warten, bis es weitergeht. Schließlich kommt sie zurück, macht einen Eintrag mit Kugelschreiber neben mein Russlandvisum und reicht mir den Pass, als ob alles wie immer sei – streng, normal, ordentlich.
Was passiert, wenn Geld nicht altern kann
Unser gegenwärtiges Geldsystem verbirgt verschiedene Zahlungsströme, die gewissermaßen unterirdisch, unbewusst in unserem täglichen Wirtschaftsleben stattfinden. Der folgende Artikel zeigt einen Teil dieser Zahlungsströme auf, die – ob wir es wissen oder nicht, ob wir es wollen oder nicht – durch jeden Kaufvorgang ausgelöst werden und langfristig immer in Wirtschaftskrisen enden.
Belgische Impressionen zur Corona-Epidemie
Belgien, ein Land mit 11,5 Mio. Einwohnern, zählte Mitte Juni offiziell 9.661 Opfer von Covid-19. Pro eine Million Einwohner gab es zu diesem Zeitpunkt in Deutschland 106 Tote, in Belgien dagegen 834 – das war weltweit die höchste Zahl! Darüber, wie diese und andere Zahlen ermittelt wurden, gibt es natürlich Diskussionen. Zwischen dem 16. März und dem 26. April sind aber auf jeden Fall in Belgien über 7.397 Menschen mehr als erwartet gestorben. Der April 2020 war der tödlichste Monat seit dem Zweiten Weltkrieg, sowohl absolut wie im Verhältnis zur Bevölkerungszahl.
Aspekte und Hintergründe einer Kampagne
In seinen Abschiedsworten sprach am 30. Dezember 2021 der scheidende Moderator des ›heute journals‹ Claus Kleber von der Aufgabe, die er einer informierten und engagierten Öffentlichkeit zuweist. Außerdem sprach er darüber, dass die europäische Idee ihren Schwung verloren habe. Ein Aspekt dieser europäischen Idee ist – oder war wenigstens – die Anerkennung der Unterschiede zwischen den einzelnen Nationalkulturen sowie gleichzeitig der Versuch, diese zu überwinden und gemeinsam fortzuschreiten. Diese Aussage mag mancher als schmerzlich empfinden, die meisten jedoch dürften ihr zustimmen. Inwiefern die aktuelle Pandemie diesen Prozess fördert oder hemmt, ist nicht Gegenstand des folgenden Berichts.
Über zwei Versuche, Freiheit ernst zu nehmen
»Wenn Wesen denken und folglich Personen sind, dann können sie abwägen, was sie tun sollen. Dann gehen sie über biologische Bedürfnisse und Neigungen hinaus. Sie können überlegt handeln, statt einfach ihren biologischen Neigungen folgen zu müssen. Wenn sie anders handeln können, als sich lediglich von ihren biologischen Bedürfnissen und Neigungen bestimmen zu lassen, dann sind sie frei in ihrem Handeln.« Das obige Zitat von Michael Esfeld, Professor für Wissenschaftsphilosophie in Lausanne und Mitglied der Leopoldina, stammt aus seinem Buch ›Wissenschaft und Freiheit. Das naturwissenschaftliche Weltbild und der Status von Personen‹, das die neueste monografische Verdichtung des akademischen Diskurses zu diesem Thema darstellt. Erschienen ist es 2019, also kurz bevor ein – durchaus ernst zu nehmendes, jedoch sich nicht als die schlimmste Seuche der Weltgeschichte erweisendes – Virus viele politischen Akteure dazu (ver-)führte, durch die enge Einbindung ausgewählter Teilnehmer des wissenschaftlichen Diskurses unsere Gesellschaften so umgestalten zu wollen, als ob die zitierte Formulierung uns menschliche Wesen nur kaum bis überhaupt nicht betreffen könnte. Esfeld ist inzwischen wegen seiner diesbezüglichen kritischen Stellungnahmen bekannt, die er in verschiedenen Medien formuliert hat. Umso anregender ist die Lektüre des genannten Buchs, da Esfeld hier eine souveräne Darstellung des wissenschaftstheoretischen Hintergrundes bietet, von dem ausgehend sich seine Kritik an den Corona-Schutzmaßnahmen als bewunderungswürdig konsequent erweist.
Zwischenruf eines Arztes
Die Ungeimpften werden in der öffentlichen Debatte oft als eine Bevölkerungsgruppe mit absolut verwerflichem Verhalten abgetan. Unabhängig von ihren Motiven werden sie als egoistisch eingeschätzt und polarisierend als »Impfverweigerer«, »Impfgegner« usw. bezeichnet. Könnte es aber nicht sein, dass auch sie einen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten?
Kleine Auferstehung mit Krähen
Seit wie vielen Tagen – oder sind es schon Wochen – rüttelt jetzt der Sturm am Haus? Alles klappert, von den Ziegeln bis zu den Läden. Wie Atemstöße zieht es durch die undichten Stellen, weht eiskalt in meinen Nacken. Draußen ächzt es. Es stöhnt, brüllt, wimmert, seufzt. Tobende Luftmassen. Es ist die Stimme der Erde. Allmählich fühle ich mich wie in Albert Camus’ Roman ›Der Fremde‹. Was ich vorher nie verstanden habe, wie der Wind als Naturkraft einen Menschen so um seine Fassung bringen soll, dass er einen Mord begeht, wird mir jetzt nachvollziehbar. Es ist Groll in diesen Böen und Bosheit in der Luft.
Die erweiterte Demokratie – Teil III
Für den Liberalismus ist Gemeinschaft nicht das Ergebnis eines bewussten gemeinsamen Wollens, sondern in sich absichtsloser Einzeltaten. Dem steht der Demokratismus entgegen, der die Gemeinschaft nach menschlichen Ideen konstruieren will. Für ihn werden die individuellen Handlungen erst mittels der sie verbindenden, gemeinsam beschlossenen Ideen zu Elementen eines sozialen Ganzen. Anstelle des als naturähnlich empfundenen »Marktmechanismus« tritt hier das menschliche Ideal, das mit Hilfe der Staatsgewalt auch gegen sich widersetzende Minderheiten durchgesetzt wird. Beide Lager können sich mit ihrer Meinung auf beobachtbare Tatsachen stützen. Soziale Einrichtungen wie die Menschenrechte, das Eigentum oder die Sozialversicherung sind unzweifelhaft Produkte des menschlichen Geistes und verdanken ihre Wirksamkeit der staatlichen Gewalt. Sobald er sich wirtschaftlichen Zusammenhängen zuwendet, stößt der Demokratismus jedoch an eine natürliche Grenze. Hier stehen seinem Universalanspruch die ökonomischen Instinkte entgegen, welche die Fruchtbarkeit individueller Freiheit notgedrungen anerkennen müssen. Mag der auf Meinungsbildungs- und Abstimmungsverfahren trainierte Verstand auch leugnen, dass ökonomische Prozesse nicht demokratisch geregelt werden können – die leiblichen Bedürfnisse sprechen doch ihre eigene Sprache.
Wege vom Feindbild Russland zur friedlichen Koexistenz
Der Furor, mit dem gegenwärtig in der Politik auf eine »Kriegstüchtigkeit« hingearbeitet wird, ist erschreckend. In dem Geschrei gehen die Stimmen derer, die über »Friedenstüchtigkeit« nachdenken, leicht unter. Aus diesem Grund soll hier von einer Veranstaltung berichtet werden die am 22. Juni dieses Jahres in Heidelberg stattgefunden hat. Vier Friedensinitiativen hatten gemeinsam zu einer Friedenskonferenz nach Heidelberg eingeladen: ›Pax Christi‹ im Diözesanverband Freiburg, der ›Erhard-Eppler-Kreis‹, das ›Friedensbündnis Heidelberg‹ und das ›Forum Friedensethik‹ in der Evangelischen Landeskirche Baden. Redner waren der Historiker Prof. Wolfram Wette und der ehemalige UN-Diplomat und gegenwärtig für das ›Bündnis Sahra Wagenknecht‹ im EU-Parlament sitzende Michael von der Schulenburg. Danach sprach noch kurz der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding. Insbesondere die Gedanken aus dem Vortrag von Wolfram Wette sollen hier dargestellt werden, da er viele historische Fakten vermittelt, die in dem etwa seit den 1950er-Jahren im Schulunterricht vermittelten Geschichtsbild nicht vorgesehen sind, aber ein anderes Verständnis der russischen Position ermöglichen könnten.
Oder: Klare Kante gegen Rechts – und alles gut?
Am 11. September 1990, zum Ende des Kalten Krieges, verkündete Präsident George H.W. Bush eine neue Weltordnung. Das mag verheißungsvoll geklungen haben, denn eine vernunftbasierte und friedliche Regelung innerstaatlicher und zwischenstaatlicher Verhältnisse ist stets zu begrüßen. Aber zu fragen bleibt, ob Ordnung in diesem Sinne gemeint war oder ein neues Dominanzsystem der USA. Unerwartete Antwort gab der damalige US-amerikanische Außenminister Antony Blinken im Dezember 2024 vor dem »Council on Foreign Relationsc »Wenn wir auf die letzten 20 Jahre zurückblicken, waren unsere Experimente mit Regime-Change nicht gerade von durchschlagendem Erfolg gekrönt.« Tatsächlich finden wir seit 1990 in der politischen Welt immer weniger Ordnung, trotz der seit 2008 vor allem von der westlichen Welt propagierten »regelbasierten internationalen Ordnung«. Die letzten 35 Jahre waren in hohem Maß irritierend, nicht nur aufgrund von Naturkatastrophen und neuen Technologien, sondern auch durch eine dichte Abfolge oft völkerrechtswidriger Kriege; Revolutionen mit der Folge von »failed States« (wie in Syrien. Libyen und Afghanistan); eine reale oder fiktive Terrorgefahr weltweit; globale Probleme mit illegaler Migration usw. Für die Zukunft gibt es nur unsichere Prognosen; Eben noch sah man einen neuen Kalten Krieg zwischen den USA und Russland heraufziehen, nun verbrüdern sich die beiden mächtigsten Männer der Welt. Wie wird sich das Verhältnis der USA zu China entwickeln? Und stehen die BRICS-Staaten zwar für eine multipolare, aber nicht für eine freiere und gerechtere Welt? Immerhin will China sein Smart-City-Konzept den Ländern des globalen Südens aufdrängen, und Russland bis 2025 ein landesweites biometrisches Zahlungssystem einführen.
Ich glaube nicht an die Macht der Bilder. Bilder, die keine Originale sind. Originale sind immer selbsterzeugt. Auch wenn sie an der Wand hängen – scheinbar. Man muss zwar hingehen, um sie zu sehen, aber verwirklicht werden sie im Auge des Betrachters. Nirgendwo sonst. Insofern sind Originale immer Eigenwerk, ob nun stofflich als Vorlage für das schöpferische Nachbild oder gänzlich imaginativ in der eigenen Einsichtskraft erschaffen. Die Kraft der Einsicht ins Offene – nur wenn sie angesprochen wird, auf Augenhöhe, bildet sich Werk.
Ein Samstag in Stuttgart
Ein freier Samstag in Stuttgart und die Möglichkeit, bei der ›VR Expo‹ in virtuellen Welten herumspazieren zu können – ein Fingerzeig, sich doch einmal mit einem verhältnismäßig unvertrauten Ambiente auseinanderzusetzen? Neugierig machten wir uns auf den Weg. Ein Einkaufszentrum – das ›Gerber‹ – als Ausstellungsort. Hinter bunten Turnschuhen befanden sich verschiedene Stände, ein paar Aufsteller mit bunten Bildern und spacig klingenden Namen – und Tische mit Computern. Ziemlich unspektakulär auf den ersten Blick.
Israel hat (schon wieder) gewählt
»Du nahmst meine Hand in deine und hast zu mir gesagt: / Lass uns in den Garten gehen. / Du nahmst meine Hand in deine und hast zu mir gesagt: / Was man von dort sieht – ist von hier aus nicht zu sehen.« – So lautet die erste Strophe eines in Israel dauerpopulären Songs aus dem Jahr 1979. Die vierte Zeile wurde, zuweilen in ihrer Umkehrung, zum Sprichwort: »Was du von hier aus siehst, ist von dort aus nicht zu sehen.. Mit diesem Satz wird jede Kritik, die vom Ausland an Israel gerichtet wird, abgewiesen. Als Israeli mit europäischem Blickwinkel pendle ich zwischen der ursprünglichen und der umgekehrten Variante. »Hier« und »Dort« spiegeln einander, sind Abbild und Realität zugleich. Die sozio-politischen Entwicklungen in Europa, wie der aufkommende Rechtspopulismus, werden in Israel meist nur unter der Lupe des Antisemitismus wahrgenommen. Man sieht sie dort allzu oft überhaupt nicht, und schon gar nicht so, wie sie von hier gesehen werden. Die Intensität und Lautstärke der Ereignisse dort beeinträchtigen die Ressourcen und Kapazitäten, andere Perspektiven einzunehmen. Man hat genug, nein, viel zu viel mit den eigenen Herausforderungen und ungelösten Problemen zu tun.
Wirklichkeitsverlust und totalitäre Tendenzen
Die Ereignisse der Corona-Zeit haben die Gesellschaft in bisher ungekanntem Maß gespalten. Prinzipiell waren sowohl kritische Positionen als auch die Ergreifung von Vorsichtsmaßnahmen und die Angst vieler Menschen vor einer Infektion verständlich. Zu denken gibt im Rückblick zum einen die Radikalität – bis hin zu Grundrechtseinschränkungen – und fehlende Evidenz mancher Maßnahmen, zum anderen, dass sie dennoch von vielen Bürgern und Medien, bis hin zur offenen Anfeindung kritischer Zeitgenossen, verteidigt wurden.Ähnliches erlebt, wer gegenwärtig an die Vorgeschichte des Ukrainekrieges erinnert und die Politik des Westens kritisch befragt. Dabei hatten doch viele Menschen, wie auch Medien und Politik, die militärischen Interventionen im Kosovo, in Libyen oder in Syrien gutgeheißen, weil dort (angeblich) Minderheiten gegen staatliche Repression kämpften. Nun waren die russischsprachigen Bewohner des Donbass seit dem Abkommen von Minsk (2015) in der gleichen Lage und erhofften sich Hilfe von Russland. Viele Menschen hierzulande wissen das bis heute nicht oder stufen es als unbedeutend ein. Wie aber ist das Nichtwissen oder Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen, das Messen mit zweierlei Maß zu deuten, das ja auch ein Zeichen fehlender Reflexion von Denkwidersprüchen ist? Und warum führte bei »Corona« ein allgemeiner Vertrauensverlust in die Politik nicht zu einer realistischeren Abschätzung von Gefahren und Bedrohungen? Woher kommt die Bereitschaft, kaum glaubliche Deutungen auffälliger Phänomene, unrealistische Zukunftsprognosen oder offenbar widersinnige Maßnahmen zu akzeptieren?
Eine Betrachtung zur Bundestagswahl und darüber hinaus
An anderer Stelle wurde schon erwähnt, wie oft in Schlagzeilen die Begriffe Fieber und Angst erscheinen und die Öffentlichkeit dadurch unterschwellig beeinflusst wird. Vor Wahlen wird durch eine starke Personalisierung, Massenkundgebunden, prägnante Slogans usw. tatsächlich eine Art »Fieber« erzeugt. Neue Versprechungen und (Schein-)Hoffnungen beleben dann die Politik. Andererseits kann das Pochen auf die Qualitäten des Gewohnten durchaus als ein Schüren von Angst verstanden werden. Schon auf Konrad Adenauers Wahlplakaten hieß es: »Keine Experimente«. Die Kanzlerin liegt mit ihrem »Weiter so« und der Behauptung »Deutschland geht es gut« auf der gleichen Linie. Allerdings kontrastiert der oft wiederholte Verweis auf ihre vermeintlichen Qualitäten mit den konkreten Ergebnissen ihrer Regierungszeit – wie Spreizung der Einkommen, Rechtspopulismus, eine gescheiterte Klimapolitik, die Kritik an Deutschlands Exportüberschüssen etc. Trotzden scheint die Kanzlerin auf viele Wähler immer noch überzeugend zu wirken. Wer sich die deutschen Wahlergebnisse der letzten 30 Jahre und deren Folgen anschaut, bemerkt aber auch, dass es fast bedeutungslos war, wer gewonnen hatte, denn alle mit der Regierung betrauten Parteien haben neoliberale Politik betrieben und dabei an Profil eingebüßt.
Im Gespräch mit einer Rose
Vor mir steht eine Rose und schaut mich an. Das ist eine längere Geschichte, die Beziehung zwischen uns. Um sie abzukürzen: Die Rose stammt von einem Strauch, der mir früher zugänglich war. Die Menschen, denen der Grund und Boden gehört, auf dem sie wächst, hassen Rosen. Bevor ich diese Menschen kannte, wusste ich nicht, dass es so etwas überhaupt gibt in der Welt. Es war mir also erlaubt, die edlen, wundervollen Blüten ins Haus zu holen, ganze Sommer lang – gedecktes Rot, mit einer feinen Pfirsichnote der Duft – ihre Schönheit genießend. Damit ist es jetzt vorbei. Die Rosenhasser hassen nun auch mich. Das ist eine noch längere Geschichte.
und von den anzulegenden Büchergärten der Zukunft
Das Jahr 2022 markiert eine radikale Zäsur in der Geschichte unserer Schriftkultur. Gewiss hat es im Bereich der geschriebenen Texte immer Erscheinungen der Fälschung, der Lüge, der Blendwerke und der Propaganda oder aber der Dummheit, der Oberflächlichkeit und des Irrtums gegeben. Und gewiss ist ein hoher Prozentsatz geschriebener und gedruckter Texte aus dem einen oder anderen Grunde entbehrlich und muss nicht unbedingt für die Ewigkeit aufbewahrt werden. Doch hat diese von Menschen mit ihren Schwächen, ihren Eitelkeiten und niederen Absichten verfasste Literatur noch immer eines zur gemeinsamen Grundlage, das bis dahin, von ersten Ausnahmen abgesehen, selbstverständlich garantiert war: Sie wurde von Menschen gestaltet. Diese irgendwie noch immer an einer Art von Logos orientierte Schriftkultur hört auf, wenn Texte von Maschinen kombinatorisch nach äußerlich definierten Kriterien und also radikal gedankenlos zusammengefügt werden.
Zu Johannes Mosmann: ›Die erweiterte Demokratie‹
›Die erweiterte Demokratie‹ – unter diesem Titel ist dieses Jahr ein Buch von Johannes Mosmann erschienen. Die fünf Aufsätze, aus denen es besteht, sind zwischen November 2019 und Juni 2020 in dieser Zeitschrift erschienen und wurden für die Buchausgabe überarbeitet. »Erweiterte Demokratie« – so nennt Mosmann eine Demokratie, die durch ein freies Geistesleben und ein brüderliches Wirtschaftsleben erweitert wird. Also eine andere Bezeichnung für »soziale Dreigliederung«.
Anmerkungen zu finsteren Zeiten
Jetzt, da ein Krieg Europa erschüttert und dessen Ausweitung bis hin zum Einsatz von Atomwaffen droht, kann es nicht ausbleiben, dass die täglichen Verrichtungen und Gedanken von sehr grundsätzlichen Fragen bedrängt werden. Wenn mein Blick bei einem Gang nach draußen auf die Birken und Kiefern geht und bei dem sich zwischen den Stämmen und dem Heidelbeerkraut entrollenden Farn hängenbleibt, dann ein paar Schritte weiter bei den Brennnesseln verweilt, die sich am Waldrand zusammenrotten, wenn ich mich später auf der Wiese von den ersten Faltern und Libellen mitnehmen lasse oder, ohne mich zu rühren, der Drossel nachschaue, die über die Gräser hüpft, sooft also meine Aufmerksamkeit von Lebewesen angezogen wird, die von der Welt und den Tagesereignissen naturgemäß und ohne dass sie darüber informiert werden könnten, nichts wissen - wird sie von der Frage durchkreuzt, ob ich mich solchen Bildern seelenruhig hingeben kann, ohne nicht zugleich Vorgänge zu verdrängen, die Grund genug geben, sich Sorgen zu machen. Ob nicht Natur eine Zuflucht bietet, die zur Ausflucht und zum Alibi wird, inmitten von Ohnmacht und Ratlosigkeit, die sich angesichts der Weltereignisse ausbreiten.
Umrisse einer gefährlichen Ideologie
Der sogenannte Transhumanismus ist eine umstrittene Philosophie, die auch der digitalen Transformation zugrunde liegt. Sie geht von der Unvollkommenheit des Menschen aus und sucht ihn durch technische Mittel auf die Dauer immer mehr zu vervollkommnen – bis dahin, dass der Mensch schließlich nicht nur zum Cyborg, sondern überhaupt zugunsten eines völlig neuen Wesens überwunden wird. Die Debatten um den Transhumanismus werden international geführt und dauern an. Inzwischen aber hat er sich gewissermaßen fortgepflanzt. Gemeint ist die Philosophie namens »Longtermismus«. Was beide, den Transhumanismus und den Longtermismus wesenhaft verbindet, ist die radikale Verfangenheit in der Immanenz: Von Gott und transzendenten Mächten will man nichts wissen. Dieses Denken basiert auf einer materialistischen, allenfalls pseudo-spiritualistischen Haltung, die dazu zwingt, das Glück radikal in der Zukunft des Diesseits zu suchen. Im Folgenden soll es vor allem um die neuere Variante dieses Denkens, den Longtermismus gehen.
Die Flutkatastrophe an Ahr und Erft
Wir stehen noch immer unter dem Eindruck einer Flutkatastrophe, wie wir sie in diesem Ausmaß in unseren Gebieten noch nie erlebt haben. Sie betraf vor allem das Rheinland und Westfalen; lang andauernder Starkregen ging vom Sauerland über die Eifel bis in die angrenzenden Gebiete Belgiens und Luxemburgs nieder. Mehr als 200 Menschen kamen in den Sturzfluten ums Leben, manche bleiben bis heute vermisst. Nicht die großen Ströme Rhein und Donau, Elbe und Oder waren diesmal die Hauptakteure der Ereignisse, die man voreilig gern »Jahrhundert-Fluten« nennt, sondern kleine Flüsse und Bäche, durch deren enge Täler meterhohe – bisher unvorstellbare – Flutwellen stürzten, die alles wegrissen, was ihnen im Wege war. Die Schäden in den betroffenen Gebieten sind noch unermeßlich.