Am Beginn der vorliegenden Studie stand der Wunsch, die Beziehung zwischen Architektur und Skulptur in Michelangelos Medici-Kapelle, auch bekannt als ›Neue Sakristei‹ der Kirche San Lorenzo in Florenz, zu verstehen. Mein Ausgangspunkt war der Gedanke, dass ein Kunstwerk »größer« sein kann als die bewussten Absichten des Künstlers. Kunst, die etwas Universelles zu unserer menschlichen Kultur beiträgt, hat so, wie wir sie heute antreffen, über die unweigerliche Prägung durch Entstehungszeit und -ort hinausgehend, eine gegenwärtige Wahrheit, die unabhängig von der Geschichte ihrer Erschaffung und Erhaltung erlebt werden kann. Gewiss, die bewussten Absichten der Künstler; die Beschränkungen und Zwänge, unter denen sie litten (seien sie technischer, materieller, finanzieller, sozialer, politischer oder sonstiger Art); spätere Ereignisse, welche die Werke verändert oder beschädigt haben; oder deren Entfernung vom ursprünglich beabsichtigten Ort – all dies ist interessant und hilft uns, den Zustand und die Biografie eines Werks zu verstehen. Dennoch gehe ich zuversichtlich davon aus, dass ein großes Kunstwerk – vielleicht tatsächlich alles, was wir tun – ein Schicksal hat, das es uns erlaubt, ihm wahrhaft zu begegnen, so wie es jetzt ist, und dass die Weise, in der wir ihm heute begegnen, uns berechtigt, anfänglich zu verstehen, was es bedeutet, unabhängig von seiner ganzen Vorgeschichte.