Renate Riemeck und das passive Wahlrecht
Am 12. November 1918 rief der Rat der Volksbeauftragten das Wahlrecht für Frauen in Deutschland aus. Der Zusammenbruch des Kaiserreichs am Ende des Ersten Weltkriegs und die Novemberrevolution machten es möglich. Am 30. November 1918 wurde das neue Wahlrecht mit einer Verordnung gesetzlich fixiert. Bereits am 19. Januar 1919 konnten Frauen die Deutsche Nationalversammlung mitwählen, was über 90% wahrnahmen. 37 Frauen erhielten einen Sitz im Parlament. Aber die von den Feministinnen erhoffte Gewichtsverlagerung zugunsten jener Parteien, die für die Gleichberechtigung der Frau eintraten, blieb aus: Das Wahlverhalten der Frauen war überwiegend gemäßigt bis konservativ ausgerichtet. Die Machtverteilung blieb beim Alten.
Nach einem öffentlichen »Zukunftsseminar« zusammen mit Thomas Kracht in Heidelberg Ende der 1980er Jahre über einige Merkmale des damaligen Bewusstseinswandels fragte mich Götz W. Werner unvermittelt: »Könnten Sie nicht auch mal etwas für meine Leute machen?« Ich war auf eine solche Frage nicht gefasst und fragte zurück: »Worum handelt es sich denn?« Die überraschende Antwort lautete: »Das müssen Sie selbst herausbekommen.« Das war – wie sich schnell herausstellte – ernst gemeint. Ohne thematische Vorgaben haben dann zwei Mitarbeiter des Instituts, Rudy Vandercruysse und Angelika Leibrock (heute Sandtmann), ein Jahr lang bei ›dm‹-Drogeriemarkt »Praktika« gemacht, um durch Gespräche und Nachfragen bei den Mitarbeitern herauszufinden, wo deren besonderes Interesse an Weiterbildungsfragen lag. Aufgrund des Berichts der beiden wurde das Institut aufgefordert, ein Seminar für Führungskräfte zu entwerfen. Doch als es so weit war, standen beide aus unterschiedlichen Gründen dafür nicht zur Verfügung. So begannen Thomas Kracht und ich mit den Seminaren, die bald auch auf das »mittlere Management« ausgedehnt und im Laufe der Jahre durch neue Arbeitsformen und mit weiteren Referenten ausgebaut wurden.
Das kulturpessimistische Evolutionsverständnis des Yuval Noah Harari – Teil II
Im ersten Teil dieses Beitrages hatten wir damit begonnen, die beiden Bücher ›Eine kurze Geschichte der Menschheit‹ und ›Homo deus‹ des israelischen Universalhistorikers Yuval Noah Harari – der heute zu den meistgelesenen Gelehrten der westlichen Welt gehört – gegen den Strich der bisherigen, überwiegend positiven Kritiken zu lesen. Dabei hatten wir festgestellt, dass der inzwischen auch zu einem der meistgefragten Talkshow- Gäste und Redner für internationale FührungskraÅNfte avancierte Hyperintellektuelle, wenn man es theologisch ausdrücken würde, mit dem für ihn nicht lösbaren Problem des Sündenfalls kämpft. Er sieht in der Evolution der Menschheit nicht nur eine invisible hand, sondern letztlich den Teufel am Werk
Zu ›First Reformed‹ von Paul Schrader
Das Münchner Filmfest ist das südliche Pendant zur weltbekannten Berlinale. Ein höchst merkwürdiges Werk feierte während dessen 36. Auflage im vergangenen Juli seine Deutschlandpremiere: ›First Reformed‹ von Paul Schrader, gezeigt jeweils einmal zu Beginn und zum Ende des einwöchigen Festivals – wie ein Rahmen zur großen Gegenwartsfrage: Was ist bloß los in Amerika?
Zu ›Die geistige Enthauptung Mitteleuropas – Zu »Zwischen Himmel und Erde: Die Finanzkrise« von Jose Martinez‹ von Stephan Eisenhut in die Drei 12/2017
Zu Ulrich Meier (Hrsg.): ›Ethik des Anleitens‹
Ulrich Meier, der das Hamburger Priesterseminar der Christengemeinschaft leitet, hat ein Buch herausgegeben, das vom Anleiten handelt. Es versammelt vier Beiträge – von dem Organisationsberater Adriaan Bekman, dem Unternehmer Erich Colsman, der Prozessbegleiterin Jutta Hodapp und Meier selbst –, die das Ideal einer Führung von Menschen und Gemeinschaften verbindet, »das sich auf die Liebe zum Individuum und das Vertrauen in das Potential von Zusammenarbeit gründet«.
Ein Begriff sucht Ausnüchterung
Der dänische Philosoph Søren Kierkegaard hat einmal geschrieben, dass ein Begriff so daherkommen kann wie ein Besoffener – nämlich dann, wenn der Begriff zu viele Bedeutungen bekommen hat. Nicht nur Menschen, so Kierkegaard, sondern auch Begriffe können betrunken werden, und »hat man einmal einen Begriff so weit gebracht, dann mag sich dieser zur Ruhe begeben, um, falls möglich, seinen Rausch auszuschlafen, um wieder nüchtern zu werden«. Kierkegaard hat damit den Begriff das Selbstische gemeint. Er hätte aber wohl heute das Gleiche über den Begriff das Bewusstsein sagen können, weil es kaum einen modernen Begriff mit mehr Bedeutungen gibt. Ursprünglich als breiter philosophischer Terminus in die deutsche Sprache eingeführt, wurde er anfangs in der Alltagssprache nicht im philosophischen Sinne verwendet. In den letzten Jahrzehnten aber hat er sowohl in der Wissenschaft als auch in der Alltagssprache einen Bedeutungszuwachs erfahren, welcher der ursprünglichen philosophischen Bedeutung nahekommt. Dies ist nicht unproblematisch und verdient, genauer untersucht zu werden.
Notizen einer Krakau-Reise
Besuch der Wawel-Kathedrale; der Wawel-Hügel war schon vor Jahrtausenden besiedelt, das Schloss in langen Jahrhunderten polnischer Geschichte Königssitz, später nur noch Krönungsort. Wir betreten die Kathedrale durch das Haupttor; der prunkvolle silberne Sarg des Stanisław von Krakau (11. Jahrhundert) zieht den Blick auf sich, mehr noch: blockiert die Aussicht durch das Kirchenschiff zum eigentlichen Zielort, dem Altar … Eine Chronik aus dem 12. Jahrhundert berichtet, der Bischof Stanisław habe den seinerzeit herrschenden König Bolesław II. des Ehebruchs geziehen, dieser habe freilich alle Ermahnungen ignoriert und im Gegenzug kirchliche Besitzungen beschlagnahmt. Daraufhin habe Stanisław ihn von der Kommunion ausgeschlossen, wodurch der Streit eskaliert sei; Bolesław II. habe das Todesurteil über den Bischof verhängt und schließlich sogar persönlich vollzogen, indem er während einer Messe erschienen sei und den Bischof am Altar hingerichtet habe.
Von der Wirklichkeit der Freiheit im therapeutischen Tun
»Psychotherapie der Freiheit« – diese Formulierung lässt den Titel eines Grundwerkes Rudolf Steiners, ›Die Philosophie der Freiheit‹, anklingen. Es ist die Beschreibung eines gedanklichen Weges, wie der Mensch sich in seiner Fähigkeit zur Freiheit erkennen und diese Fähigkeit handelnd verwirklichen kann. Im Folgenden beschreibe ich, welche konkrete Bedeutung in meinem Beruf als Psychotherapeut die Suche nach einem Handeln aus frei geschöpften Intuitionen hat. Ich beziehe mich zum einen auf meine spezifischen Erfahrungen in der therapeutischen Tätigkeit. Zum anderen befrage ich diese auf dem Hintergrund einzelner essenzieller Erkenntnisse der ›Philosophie der Freiheit‹. Manche meiner Gedanken lassen sich wahrscheinlich gut auf andere medizinisch-therapeutische sowie auf heil- und sozialpädagogische Berufsfelder übertragen.
Die »Stadt der Morgenröte« – Auroville – feiert dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen, ist sie doch ein echtes 68er-Phänomen. Beruhend auf dem Integralen Yoga Sri Aurobindos (1872–1950) und seiner spirituellen Weggefährtin Mirra Alfassa (1878–1973), waren es in den ersten Jahren zumeist 68er aus dem globalen Nordwesten, auch Hippies, die vor einem halben Jahrhundert begannen, die südindische Wüste nördlich von Puducherry urbar zu machen, millionenfach Bäume zu pflanzen und – eine Zukunftsstadt aufzubauen.
Zu einer neuen Gesamtedition seines musikalischen Werkes
›Bach 333‹ – das sind 32 Labels, 222 CDs, 750 Interpreten und Ensembles, 280 Stunden Musik, zehn Stunden neue Aufnahmen, darunter sieben Ersteinspielungen, zwei Luxus-Hardcover-Bücher mit einer illustrierten neuen Bach-Biografie von Dorothea Schröder sowie zehn neuen Essays von Bach-Wissenschaftlern und einer Beschreibung sämtlicher enthaltener Werke durch Nicholas Kenyon, die Vorabausgabe der dritten Auflage des BWV (Bachwerkverzeichnis) sowie sechs Programmbroschüren mit Tracklistings und sämtlichen Gesangstexten, herausgegeben von der Deutschen Grammophon.
Mariano Pensottis ›Diamante‹ auf der Ruhrtriennale 2018 in Duisburg
Ruhrtriennale 2018. In der riesigen, 170 Meter langen Halle der früheren Kraftzentrale des einstigen Hüttenwerks in Duisburg-Meiderich wird ›Diamante. Die Geschichte einer Free Private City‹ uraufgeführt. Wir wollten eigentlich nicht hingehen. Zu überspannt schien uns das, was im Programmheft der Ruhrtriennale darüber zu lesen war: Das Stück sei ein sechsstündiger »Parcours« durch den Nachbau dieser fiktiven utopischen Stadt im argentinischen Urwald, ein »bizarres Dschungel-SiliconValley«, geschrieben und inszeniert von dem argentinischen Schriftsteller, Filmregisseur und Theatermacher Mariano Pensotti.
Zu Eva Kovacheva: ›Die Weiße Bruderschaft des Peter Danov‹
Mit der hier besprochenen Arbeit promovierte die bulgarische Autorin Eva Kovacheva 2010 an der Universität Marburg im Fachbereich Evangelische Theologie. Ihre Schrift ›Die Weiße Bruderschaft des Peter Danov‹ verdient Aufmerksamkeit nicht allein vor dem akademischen Forum. Insbesondere gibt es Bezüge zwischen dem Exponenten des Buches, Peter Danov, dessen spiritueller Name Beinsa Duno lautet, und Rudolf Steiner bzw. der anthroposophischen Bewegung. Kovacheva ist seit ihrer Schulzeit an einem deutschsprachigen Gymnasium mit der deutschen Kultur vertraut und seit ihrer Jugend interessiert an Esoterischem – Rosenkreuzertum, Theosophie und Anthroposophie.
Der Einfluss anthroposophischer Ideen auf das Triptychon von Wassilij Watagin: ›Die Evolution der Weltanschauungen‹
Wassilij Alexejewitsch Watagin (1884–1969) ist in erster Linie als Begründer der zeitgenössischen russischen Tiermalerei bekannt. Das künstlerische Erbe des Meisters ist sehr vielfältig: Er war als Bildhauer, Grafiker und Maler tätig, schuf Illustrationen zu Büchern und monumentale Skulpturen. Zu Recht gilt er als einer der Mitbegründer des Staatlichen Darwin-Museums (Gosudarstwennyj Darwinowskij musej = GDM), wo er 45 Jahre lang arbeitete – von 1908 bis 1953. Mit dem ersten Direktor des Museums, Alexander Fjodorowitsch Kohts (1880–1964), war er seit der Schulzeit im Gymnasium bekannt. Aus dieser Bekanntschaft der Kinderzeit erwuchsen eine langjährige Freundschaft und Jahre fruchtbarer Zusammenarbeit, dank derer eine einzigartige Kollektion von Kunstwerken geschaffen wurde. Aktuell bewahrt der Fond des GDM 158 Skulpturen, 372 Gemälde und 136 Grafiken von Watagin. Das Darwin-Museum verfügt also über eine stattliche Sammlung der Werke des Meisters. Neben den Tierdarstellungen Watagins befindet sich in der Kollektion ein Triptychon mit dem Titel ›Die Evolution der Weltanschauungen‹, das aus der naturwissenschaftlichen Ausrichtung des übrigen Werks herausfällt.
Zur Ausstellung ›Florenz und seine Maler. Von Giotto bis Leonardo da Vinci‹ in der Alten Pinakothek in München
In der am meisten »italienischen« Stadt Deutschlands lässt sich gegenwartig eine Zeitreise zu den Ansätzen der Renaissance machen: Die Alte Pinakothek zeigt – in durch Verdunkelung und gedämpfte Beleuchtung zu Andachtsräumen mutierten Sälen – den Weg der Farb- und Themenentwicklung der florentinischen Malerei, welche von der kirchlichen Bindung aller Kunst in die mit dem Selbstbewusstsein des Einzelnen rechnenden frühen Neuzeit mündete. Exemplarisch für diesen Schwellengang steht innerhalb der reichen Fülle an Exponaten dominant eine Reihe von Porträts, sowohl plastische wie gemalte, aus denen uns das nüchterne Selbstbewusstsein in der typisch florentinischen Formvollendung entgegenblickt, umhaucht von der ganzen Frische eines Menschheitsfrühlings.
Zu Robert Delaunays ›Les Fenêtres simultanées sur la ville‹
In einem Brief an Wassily Kandinsky schrieb der französische Künstler Robert Delaunay (1885–1941), er habe »die Bewegung der Farbe« gefunden.1 Mit dieser Entdeckung und ihrer konsequenten Anwendung in der Malerei stand Delaunay zunächst noch recht alleine da – obwohl die Frage der Bewegung im Bild seinerzeit eine viel diskutierte war. Wie man ein Werk der bildenden Kunst, das an sich statisch ist, so ausführen kann, dass es den Eindruck von Bewegung erweckt, hat die Menschen schon seit der Renaissance immer wieder beschäftigt. Im 20. Jahrhundert schien diese Frage dann vielen durch die Kinematografie beantwortet zu sein: Einige Maler versuchten nun, die im Film auf mehrere Bilder verteilte Abfolge einzelner Bewegungsstadien in einem Bild anzuhäufen, um so einen Bewegungsablauf zu simulieren. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist Giacomo Ballas ›Dynamik eines Hundes an der Leine‹, auch bekannt als »Hund mit zwanzig Beinen«.
Auch ein Schulungsweg
Die Anfahrt war nicht romantisch. Eine Dreiviertelstunde saß ich bereits in dem schon am Morgen heißen Busbahnhof in einem Außenbereich von Yogyakarta neben der mir angewiesenen Busspur, während um mich herum uralte, dumpfgrollende und schwarze Dieselrußwolken herausdröhnende Stadtbusse anund abfuhren. Kein Fahrplan, keine Busnummern, keine Übersichtspläne – nur das Vertrauen, dass mir hier jeder helfen würde, so gut er kann. Plötzlich hieß es, alles mit Händen und Füßen, heute würde gar kein Bus nach Borobudur fahren, ich solle doch ganz schnell den da hinten nehmen. Kaum hatte ich mein Gepäck die steilen Stufen hinauf gewuchtet, gab der Kondukteur mit einem Klicken seines Schlüssels gegen das Fensterglas dem Chauffeur das Zeichen, loszufahren.
Forum für Auszubildende & Studierende
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Eine Tagung zu den Herausforderungen des Transhumanismus am Goetheanum in Dornach
Christiane Haid und Ariane Eichenberg hatten für die Sektion für Schöne Wissenschaften zu dieser groß angelegten und prominent besetzten öffentlichen Tagung vom 7. bis zum 9. September 2018 ans Goetheanum eingeladen und waren damit auch ein Wagnis eingegangen: Wie würden sich die drei Schriftsteller Galsan Tschinag, Sibylle Lewitscharoff und Patrick Roth mit den drei Hochschulprofessoren Roland Benedikter, Christian Kreiß und Michael Hauskeller sowie dem anthroposophischen Arzt René Madeleyn und der Priesterin der Christengemeinschaft Yaroslawa Black-Terletzka verstehen? Und welches Bild würde dabei nicht nur vom Transhumanismus, sondern auch von der Anthroposophie entstehen?
Die Symptomatologie der Gegenwart und Salvatore Lavecchias Buch ›Ichsamkeit‹
Am Helmholtzplatz in Berlin-Prenzlauer Berg, buchstäblich vor meiner Tür, wurde am frühen Abend des 17. April ein Kippa tragender junger Mann von einem arabischen Jugendlichen angegriffen und gedemütigt. Das Opfer filmte den Täter; es hatte die Kippa als Experiment getragen. Der Vorfall brachte es bis auf die Titelseiten aller Zeitungen. Antisemitische Übergriffe nehmen in der deutschen Hauptstadt bis in Grundschulen hinein zu. Einen Zusammenhang mit dem seit 2015 zunehmenden Zuzug von Muslimen herzustellen, ist weder bös- noch mutwillig, sondern dieser besteht objektiv. Juden in Berlin fühlen sich nicht mehr sicher und befinden sich mit ihrer Sorge im feuilletonistischen Abseits, denn den folgenlosen politischen Betroffenheitsfloskeln stehen die Rechtfertigungsmuster plötzlich um ihren Ruf bangender Institutionen gegenüber: Man möchte sich nicht Rassismus und Ausgrenzung von Muslimen nachsagen lassen. Deshalb wird systematisch bagatellisiert, dass 80 Jahre nach dem Holocaust das Judentum in Deutschland im Alltag wieder als Problem angesehen wird. Dies mag freilich nur auf dem Boden eines noch immer latenten Ressentiments quer durch alle Schichten gedeihen können. Umso gedankenloser, ja fast wahnsinnig mutet es an, die Gefahr eines sozusagen zusätzlich importierten islamistischen Antisemitismus (inklusive eines nicht minder aggressiv-höhnischen Antifeminismus) politisch derart ausgeblendet zu haben. Auf dieser Begriffsstutzigkeit – oder Strategie? – der Entscheidungsträger kocht eine Gruppierung wie die AfD ihr fades Süppchen, das Gift der eigenen hassgetränkten Gedanken und rein destruktiven Rhetorik noch hineinmischend.
Johann Joachim Winkelmann (9. Dezember 1717 – 18. Juni 1768)
Zum ersten Mal begegnete mir Winckelmann in einem Buch der Weimarer Schriftstellerin Jutta Hecker (1904-2002). Ihre Biografie beginnt mit einer Beschreibung der Hafenstadt Triest vor 250 Jahren, und des Friedhofs, auf dem später für Winckelmann ein Kenotaph errichtet wurde: »Winckelmann – das Wissen von heute rühmt ihn im Grunde nur noch als Begründer der Archäologie –, war er mehr? Und wie kam er hierher nach Triest? Nachdenklich schaust du umher: Rings um dich Stille und Stein und Schatten wie über diesem Namen Stille und Starre und Schatten. Und doch, wenige Schritte nur zurück, und da ist wieder heißes, sengendes Licht, Gelärm, Getriebe, Geschrei.«
Denkanstöße und Hilfestellungen
Das Grundeinkommen – Pathologie und Wirkung einer sozialen Bewegung III
Es gibt einen Zwang zur Arbeit, der in der Natur des Menschen begründet ist. Wie kann dieser von der Gemeinschaft so getragen werden, dass er keinen Widerspruch zur Freiheit darstellt? Was bedeutet es, wenn der »freie Geistesarbeiter« nicht mehr nach den Bedingungen seines Einkommens fragen muss? Die beiden ersten Teile der Serie haben gezeigt, dass eine Vereinigung von Wirtschaft und Freiheit nur möglich ist, wenn die vorhandene Gesamtarbeitszeit so geteilt wird, dass jeder neben der Arbeit noch seinen geistigen Impulsen folgen kann. Teil III der Serie verdeutlicht, warum dies nicht im Interesse vieler Kapitaleigentümer liegt. Sie benötigen die Spaltung der Gesellschaft in Arbeitslose und Arbeitende für den eigenen Machterhalt – und treiben gerade deshalb die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens voran.
Das Grundeinkommen: Pathologie und Wirkung einer sozialen Bewegung II
Im 1. Teil dieser Serie (vgl. die Drei 1-2/2018) wurde begründet, warum ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht auf die Annahme gestützt werden kann, Maschinen würden Menschen von der Arbeit freistellen. Der Zwang zur Arbeit ist in der Natur der arbeitsteiligen Weltwirtschaft begründet und kann daher nicht abgeschüttelt werden. Daneben gibt es Abhängigkeiten von Rechtsformen, die bewirken, dass der »Mehrwert« der voranschreitenden Arbeitsteilung zunehmend einer kleinen Personengruppe zufließt. Die Grundeinkommensbewegung möchte eigentlich diese Einkommen umverteilen, verliert dabei aber die Bedeutung der materiellen Arbeit aus dem Blick. Der II. Teil zeigt auf, wie falsch gestellte Fragen in eine Ökonomisierung des Geisteslebens hineinführen, anstatt die Klärung des Verhältnisses von Geistesleben und Wirtschaftsleben als Dreh- und Angelpunkt der zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklung zu begreifen.
Der Schriftsteller und Regisseur Henning Mankell (1948-2015)
Henning Mankell, geboren am 3. Februar 1948 in Stockholm, war einer der erfolgreichsten Kriminal-Autoren unserer Zeit. Mit seinem Kommissar Wallander erschuf er eine Figur, die den Leser zur Empathie verführt – weil er ein gebrochener Held ist, der das Zeitenschicksal miterleidet, der, oft erfolgreich, gegen das Böse kämpft und dennoch resigniert und pessimistisch ist, weil er eine Woge über sich hinwegrollen fühlt, gegen die Widerstand zwecklos erscheint. Wallander bemüht sich dennoch, zu widerstehen. Er trinkt zu viel Kaffee, isst fett und ungesund, schläft schlecht, ist Diabetiker, steht immer kurz vorm Herzinfarkt, ist einsam und sehnt sich nach Beziehungen zu Frauen, in denen er, wenn sie denn zustandekommen, sich ungelenk verhält und so das Gefühl der Einsamkeit hinterher noch vergrößert. Nur eine große Freude gibt es in seinem Leben: die herzerwärmende Kraft der großen italienischen Opernarien. In die flüchtet er sich, wenn das Leben ihm zu sehr zugesetzt hat.
Eine Bildbegegnung
Zur Vorosterzeit war ich im Basler Kunstmuseum, und als ich vor dem Bild ›Jesus und die Samariterin‹ von Bonifacio de’ Pitati stand, kam mir eine Mitschrift von A. Lindeberg Östersund zum Vortrag vom 12. Januar 1910 in den Sinn, den Rudolf Steiner im Rahmen seiner damaligen Vortragsreihe zum Johannes-Evangelium gehalten hat, und an deren Herausgabe als GA-Band 117a ich gerade arbeitete.