Artikel von Corinna Gleide
Ein Buch, das Leben retten kann
Die umfassenden Aufgabenstellungen, die mit der Anthroposophie verbunden sind, offenbaren sich auf diesem Erkenntnisweg stufenweise. Obwohl ich mich seit Jahrzehnten mit der Geisteswissenschaft beschäftige, bemerke ich immer wieder, dass auf einmal eine neue, zuvor verborgene Stufe erreicht wird. Aber auch die Entwicklung der anthroposophischen Bewegung verlief am Anfang des 20. Jahrhunderts in mehreren Stufen, die Rudolf Steiner im Rückblick selbst beschreibt.
In der ersten Stufe ging es ihm darum, die Grundlagen einer neuen Wissenschaft vom Geist darzustellen. Zu deren zentralen Gebieten gehören insbesondere der Mensch mit seinen sieben Wesensgliedern, die Frage von Reinkarnation und Karma, die Entwicklung der Erde und ihrer Naturreiche sowie die Christologie. Um diese Inhalte in angemessener Form aufnehmen und verarbeiten zu können, ist eine Verlebendigung und Spiritualisierung des Denkens notwendig. Hierzu findet sich im Frühwerk Rudolf Steiners mannigfaltiges Übungsmaterial. Die Aufgabenstellungen, die mit diesem ersten Entfaltungsschritt der Anthroposophie zusammenhängen, sind auch heute noch ungeheuer groß. Denn auf dem Hintergrund der weitgehend materialistischen Denkweise ist eine Spiritualisierung der Wissenschaften ein unglaublich großes Unterfangen. Allein dies würde für Jahrzehnte, ja Jahrhunderte intensivsten Arbeitens unzähliger Wissenschaftler und Forscher ausreichen.
Die Impulse zur Gründung der Christengemeinschaft
Der Beginn der Impulse, die zur Gründung der Christengemeinschaft führten, bestand in einer Frage. Eine richtig gestellte Frage trägt die Kraft ihrer Beantwortung in sich. Auf das Stellen solcher Fragen kommt es an, wenn sich etwas ändern soll in der Welt. In der Zeit vor rund 100 Jahren, als Rudolf Steiner jene Kurse und Vorträge über verschiedene Lebensgebiete hielt, die durch die Anthroposophie eine Erneuerung und Befruchtung erfuhren, wurden zahlreiche solcher Fragen gestellt.
Wenn man auf die Goethezeit blickt, dann sieht man, dass Goethe selbst, aber auch viele andere Geister, dieser Zeit ihr Gepräge und ihren Geist gegeben haben. Lessing stellte in seiner ›Erziehung des Menschengeschlechts‹ die Frage nach dem Wiedergeborenwerden der menschlichen Seele; Herder arbeitete an einer neuen Geschichtsauffassung; Goethes und Schillers Freundschaft und Zusammenarbeit auf den verschiedensten Feldern stellte eine Art Herzstück der Bewegung dar; auch die Romantiker, zu denen Novalis ja zählt, gehören zur Goethezeit. Es ging den Dichtern, Philosophen und Naturforschern dieser Zeit um ein tieferes Verstehen dessen, was der Mensch seinem Wesen nach ist. Es ging um ein Erwachen für die Dimension des Ich-Seins des Menschen; der Dimension des Ich, die nicht als ein Ding, oder als etwas, worauf man als auf etwas Abgeschlossenes blickt, zu fassen ist, sondern nur da, wo das Ich selbst tätig ist. Deswegen war das Tätigsein, sei es im Naturbetrachten, sei es in der künstlerischen Betätigung, oder auch im philosophischen Denken, kurz: überall dort, wo der Mensch etwas Schöpferisches, Neues entfaltete, so wesentlich. Durch das Ich und vom Ich her entstand das Neue, verwandelte sich die Welt. Fichte als der eigentliche Ich-Philosoph hat mit dem sich selbst setzenden und fassenden Ich nicht nur eine ganz eigene Leistung hervorgebracht, sondern er hat damit auch das in seiner Zeit liegende Streben auf den Punkt gebracht
Über drei Bücher zur Corona-Pandemie
Im Folgenden sollen drei Bücher besprochen werden, die 2020 und 2021 zur Coronathematik im anthroposophischen Kontext publiziert wurden. Judith von Halle veröffentlichte bereits im Frühjahr 2020 ›Die Coronavirus-Pandemie. Anthroposophische Gesichtspunkte‹ und legte im September 2021 mit dem zweiten Band ›Die Coronavirus-Pandemie II. Weitere anthroposophische Gesichtspunkte‹ nach. Von Thomas Mayer erschien im Herbst 2021 ein Buch zu ›Corona-Impfungen aus spiritueller Sicht. Auswirkungen auf Seele und Geist und das nachtodliche Leben‹.