Artikel von Roland Halfen
Zu Hans-Peter Riegel: ›Beuys – Verborgenes Reden‹
Nachdem der Autor des hier zu besprechenden Buches bereits mit einer Monografie zum Maler Jörg Immendorf hervorgetreten war, publizierte er 2013 eine dreibändige Beuys-Biografie, die vor allem durch zwei Aspekte auffiel und für zum Teil heftige Kontroversen sorgte. Der erste bestand in einer auf den Recherchen von Jörg Herold fußenden Prüfung der bereits zum autobiografisch-künstlerischen Gründungsmythos avancierten Erzählung, Joseph Beuys sei im Zweiten Weltkrieg nach dem Absturz seines Flugzeugs auf der Krim von Tartaren geborgen und von diesen unter Einsatz von Fett und Filz wiederhergestellt worden – mit dem nicht eben ganz neuen Ergebnis, dass es sich dabei um eine Fiktion handelt. Der zweite Aspekt betraf Beuys’ angebliche Nähe zu rechtsgerichteten Persönlichkeiten, nicht zuletzt aus dem Umfeld des sogenannten Achberger Kreises, der in den 70er Jahren durch seinen Einsatz für die soziale Dreigliederung bekannt geworden ist.
Existenzielle Engelbegegnung
Zu Dieter Henrich: ›Ins Denken ziehen‹*
Versucht man einmal, die Geschichte der Philosophie im 20. Jahrhundert zu überschauen, so fällt einem auf, dass die gleichsam monolithischen und wirkmächtigen Denkerpersönlichkeiten im Laufe der Zeit nicht nur zahlenmäßig abgenommen, sondern sich auch zunehmend spezifiziert haben. Die pr.gende Orientierung der Philosophie am Phänomen der Sprache hat sich, ausgehend von ihren großen Protagonisten, dem Sprachmystiker Martin Heidegger und dem Sprachtechniker Ludwig Wittgenstein, zum einen in mehr literarisch orientierte, zum anderen in analytisch orientierte Richtungen verzweigt, ergänzt durch eine zunehmend soziologisch und politisch orientierte Richtung, wie sie die Frankfurter Schule repräsentiert.
Das theosophische Fotoalbum Wilhelm von Hübbe-Schleidens
Fotoalben sind zumeist höchst persönliche Sammelstellen für Dokumente eines individuellen Lebensganges. Vom Reisebericht bis zur Familienchronik machen sie private – und oft auch mehr als nur private – Geschichte sichtbar. Das Rudolf Steiner Archiv beherbergt mehrere eigens angelegte Fotoalben mit thematischer oder personeller Orientierung, etwa solche mit historischen Aufnahmen vom Bau des ersten Goetheanums oder mit Bildern ehemaliger Mitarbeiter der Nachlassverwaltung. Ein ganz besonderes, schon als Objekt historisch wertvolles Exemplar ist ein 2009 an das Archiv gekommenes Fotoalbum aus dem Nachlass Wilhelm von Hübbe-Schleidens, einem der Pioniere der theosophischen Bewegung in Deutschland, das insgesamt über fünfzig Fotografien und Postkarten der bekanntesten Persönlichkeiten dieser Bewegung enthält, immer wieder mit handgeschriebenen Widmungen, etwa für den »lieben [theosophischen] Bruder« (dear brother) Hübbe-Schleiden versehen.
Ein Notizblatt Rudolf Steiners
Rudolf Steiner und die Reliquie
Anthropomorphe und kryptoreligiöse Motive des Transhumanismus
»Die Wissenschaft denkt nicht«: Dieser starke Satz Martin Heideggers kam mir schon während meiner Studienzeit in München des Öfteren in den Sinn, wenn mein anfänglicher Respekt vor Mathematik- oder Physikstudenten bei gemeinsamen Verständnisbemühungen in Philosophie-Arbeitskreisen wie Butter in der Sonne dahinschmolz. Gerade neuerdings drängte sich mir der Satz erneut auf, diesmal aber nicht angesichts verzeihlicher studentischer Unreife, sondern angesichts eines Artikels mit dem Titel ›Unsere Nachfahren werden Maschinen sein‹, der am 23. Oktober in der ›Neuen Zürcher Zeitung‹ erstmals in deutscher Übersetzung ganzseitig publiziert wurde. Bei seinem Autor, Martin Rees, handelt es sich jedoch nicht um einen wissenschaftlichen Anfänger, sondern um einen der renommiertesten Wissenschaftler der Gegenwart. Der 1942 in York geborene Astronom der Cambridge University wurde seit 1984 aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeit mit hochdotierten Auszeichnungen − vom Albert Einstein World Award of Science (2003) bis zur Isaac Newton Medaille (2012) − geradezu überhäuft, schliesslich sogar in den Adelsstand erhoben worden (Baron Rees of Ludlow) und war ein halbes Jahrzehnt, von 2005 bis 2010, Präsident der Royal Society (PRS), der bedeutendsten britischen Gelehrtengesellschaft.