Artikel von Ute Hallaschka
Beobachtungen auf der ›documenta 14‹ in Athen
»Hiermit trete ich aus der Kunst aus.« Joseph Beuys – Hiermit schließe ich mich dem vorangestellten Aktionssatz an. Es ist Zeit, Stellung zu beziehen. Was soll man anfangen mit einer Kunstveranstaltung, die als Parallelwelt fungiert – und keine Wärme, keine Zähmung, nichts an die wildfremde Wirklichkeit abgibt, dies aber zuvor ausdrücklich als ihr Anliegen formuliert: »In der Echtzeit, in der echten Welt zu agieren, in der wir leben wollen«? Die Rede ist von der ›documenta 14‹, deren erster Teil dieses Jahr in Athen stattfand. Ich war dort, ich kam, mich berühren zu lassen, denn: »Ich liebe Griechenland und Griechenland liebt mich«. Darum werde ich versuchen nicht mit einer Silbe abzuweichen in der Beschreibung dessen, was wirklich der Fall war.
Jeder sechste Bundesbürger lebt in Deutschland offiziell in Armut. Ein Fünftel der Erwerbstätigen ist im Niedriglohnsektor beschäftigt. Diese Elendsskala erfasst noch nicht die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Diese nackten Zahlen hätten einen anderen Wahlausgang erwarten lassen. Doch was gab es zu wählen für dieses Land, das eine neue Sozialpolitik braucht? Außer der Linken, die weiterhin unter sozialistischem Ideologieverdacht steht, gibt es keine Partei, die sich radikal zur gesellschaftlichen Wirklichkeit bekennt. Die Linke trägt schwer an ihrem Erbe, ihre politische Theorie ist Vergangenheit, daher kommt sie mit ihren Zielen nicht in der Gegenwart an. Doch sie zeigt sich immerhin an der Realität orientiert. Alle anderen Parteien leiden mehr oder minder an Realitätsverlust. Ihre in der Vergangenheit konzipierten Identitäten sind weggebrochen.
Mein Biowarenhändler ist ein Zyniker. Das Attentat in Berlin kommentiert er mit den Worten: »Offenbar war einer von Merkels Gästen am Werk. Es wird geliefert wie bestellt.« Ich schweige. Was soll ich dazu sagen? In mir entsteht eine Frage: Wie mag es in der Seele eines Menschen aussehen, der töten will?