Artikel von Christoph Hueck
Rudolf Steiners Erkenntnisbiografie und der Beginn des neuen Michael-Zeitalters
Rudolf Steiner hat das Jahr 1879 als den Beginn eines neuen Zeitalters beschrieben, dessen Name mit dem Erzengel Michael verbunden ist. In der Anthroposophie denkt man dabei an ein geistiges Wesen und eine geistige Kraft, die den Menschen in seinem Einsatz für Wahrheit und Güte anspornt und ihm hilft, Einflüsse in seiner Seele zu überwinden, die gegen die volle Entfaltung seines Menschentums wirken. Ins Bild gebracht wird diese Auseinandersetzung als Michaels Kampf mit dem Drachen, wie er z.B. von Albrecht Dürer in seinen Holzschnitten zur Apokalypse so dramatisch dargestellt wurde. Das jährlich wiederkehrende Michaels-Fest, von Papst Gelasius I. im 5. Jahrhundert auf den 29. September gelegt, ist in anthroposophischem Verständnis daher vor allem ein Fest des Willens. Doch handelt es sich bei Michael nicht nur um ein Wesen, das den moralischen Willen anspricht, sondern zugleich um eine geistige Kraft, die mit einer besonderen Art von Erkenntnis verbunden ist, nämlich einer willensgetragenen. Sie besteht in einer inneren Doppelbewegung: dem aktiven Produzieren von Gedankenformen und dem Empfangen der Gedankeninhalte in innerer Hingabe an die Sache, welches man zusammen als »aktive Empfänglichkeit« bezeichnen kann. Wie Rudolf Steiner diese Erkenntnisart in seiner WerkBiografie auf verschiedenen Stufen verwirklichte, soll hier skizzenhaft dargestellt werden.
Viele Menschen, die eine lebensbedrohliche Situation überstanden haben oder wiederbelebt wurden, berichten von außergewöhnlichen und tiefgreifenden Erfahrungen im Zustand der Todesnähe. Solche sogenannten Nahtodeserfahrungen (NTE) sind seit den 1970er Jahren zunehmend bekannt geworden. Die Bücher von Elisabeth Kübler-Ross, Raymond Moody und George Ritchie wurden milhonenfach gelesen. Dasselbe gilt für die 2012 erschienene, ausführliche und erschütternde Darstellung des amerikanischen Neurochirurgen Eben Alexander über seine geistigen Erfahrungen während eines siebentägigen Komas. Schließlich haben die Sammlungen tausender persönlicher Berichte', u.a. durch den amerikanischen Radiologen Jeffrey Long das Phänomen der NTE weithin bekannt gemacht. Als wichtiger Meilenstein der Nahtodesforschung sei auch die 2001 publizierte Studie der Forschungsgruppe des niederländischen Kardiologen Pim van LommeP erwähnt, der NTE bei nachweislich klinisch toten Menschen untersuchte.
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Die Vollendung von Goethes Metamorphosenlehre durch Rudolf Steiner
Anthroposophie ist eine Wissenschaft des Geistigen. Sie liefert eine Fülle neuer Begriffe und Ideen, die vollkommen transparent miteinander zusammenhängen. Auch stellte Rudolf Steiner seine Forschungsmethode immer wieder dar. Und schließlich ist die Anthroposophie empirisch. Sie macht ihre Beobachtungen jedoch nicht in der sinnlichen Welt, sondern im Seelischen und Geistigen. Allerdings unterscheidet sie sich von den gängigen Wissenschaften durch ihre Forderung, das Erkennen und damit sich selbst als Mensch weiterzuentwickeln. Durch meditative Selbstschulung können drei höhere Erkenntnisstufen, die man als »Imagination«, »Inspiration« und »Intuition« bezeichnet, ausgebildet werden. Einen Ansatz zur imaginativen Erkenntnis fand Steiner bereits bei Goethe, die inspirative und intuitive entwickelte er selbst. Am Beispiel der Erkenntnis von Pflanzen, Tieren und Menschen soll diese stufenweise Erkenntnisvertiefung hier nachgezeichnet werden.